TAlarmierender Lehrermangel: Landkreis Stade ist am Ende – Landrat Seefried schickt Brandbrief

In Sachen Lehrerversorgung ist der Landkreis Stade Schlusslicht in Niedersachsen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Alarmstufe Rot beim Lehrermangel: Während sich die Landesregierung feiert, weil sie den Absturz der Unterrichtsversorgung stoppen konnte, werden die Schulen in der Region abgehängt. Noch nie waren die Werte so schlecht. Das sind die Gründe.
Buxtehude. Die Zahl ist alarmierend: Im Landkreis Stade lag nach der Schulstatistik zum Stichtag vom 31. August 2023 die durchschnittliche Versorgung bei den allgemeinbildenden Schulen bei 90,3 Prozent. 2022 waren es noch 92 Prozent. Der neue Wert bedeutet, dass an den Schulen bereits ohne Krankheit und andere Abwesenheitsgründe zehn Prozent des Unterrichts nicht gesichert sind. Als Grund für die schlechte Versorgung wird die Nähe zu Hamburg genannt. Das benachbarte Bundesland hat sehr viel früher auf die Probleme reagiert und die Lehrer besser bezahlt.
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Sechs Prozent weniger Lehrer als im Landesschnitt
Der Landesschnitt liegt bei 96,9 Prozent (2022: 96,3 Prozent). Es gibt laut Stader Kreisverwaltung in Niedersachsen keinen Landkreis, der so schlecht mit Lehrern versorgt ist wie der Landkreis Stade. Stades Landrat Kai Seefried (CDU) und Cuxhavens Thorsten Krüger (SPD) wollen den schlechten Ist-Zustand nicht akzeptieren. Im Nachbarkreis Cuxhaven sind die Zahlen ähnlich schlecht: Dort ist die Versorgung mit 93,3 Prozent (2022: 91,2 Prozent) ebenfalls unterdurchschnittlich. Deshalb haben die beiden Landräte einen Brandbrief nach Hannover geschickt.
Stades Landrat Kai Seefried (CDU) und Cuxhavens Thorsten Krüger (SPD) wollen den schlechten Ist-Zustand nicht akzeptieren. Ihnen sei bewusst, dass es eine landesweit angespannte Situation bei der Stellenbesetzung für Lehrkräfte gebe; sei es wegen der geringen Zahl von Studierenden für das Lehramt, sei es wegen des steigenden Anteils von Teilzeitkräften an den Schulen.
„Zutiefst besorgt müssen wir aber bei Durchsicht der Statistiken feststellen, dass die Unterrichtsversorgung im Landesvergleich durchaus unterschiedlich ist. Wir haben den aufgebrachten Eltern in unserer Region mitteilen müssen, dass unsere beiden Landkreise mittlerweile das Schlusslicht in Niedersachsen bilden“, heißt es in dem Schreiben der beiden Verwaltungschefs an die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen). Das Schreiben liegt dem TAGEBLATT vor.
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Studienseminar: Zwei Drittel weniger Teilnehmer
Aus eigener Anschauung wissen die Landräte, dass die Zahl der Referendare am Studienseminar Stade mit Außenstelle in Cuxhaven dramatisch eingebrochen ist - in den vergangenen vier Jahren um fast zwei Drittel. „Von Kollegen haben wir erfahren, dass die Studienseminare im Westen und Süden Niedersachsens mit diesen Problemen nicht zu kämpfen haben. Vom Studienseminar Osnabrück wurde sogar eine Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze wegen guter Bewerberlage berichtet“, so die Landräte.
Die Nachbesetzung von Planstellen gestaltet sich nach Aussage vieler Schulleitungen in der Region zunehmend problematisch, zumal wegen des sogenannten Klebeeffektes gerade die in der jeweiligen Region ausgebildeten Kräfte gerne dort verbleiben. Hinter dem Begriff Klebeeffekt steckt, dass Menschen oft dort bleiben, wo sie ausgebildet worden sind. Zum Beispiel, weil sie dort einen Partner gefunden und einen Freundeskreis aufgebaut haben.
Die beiden Landräte fordern, dass die Landesregierung die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse auch bei der Unterrichtsversorgung gerecht und flächendeckend umsetzt. Sie befürchten, dass die angekündigte Lehrkräftezuweisung nach einem Sozialindex die Situation in der Region noch weiter verschärfen wird. „Aus unserer Sicht ist es an der Zeit, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine gleichmäßige regionale Verteilung von Lehrkräften zu erreichen.“
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Keine neuen Seminarplätze, wo es genug Lehrer gibt
Seefried und Krüger schlagen dem Land Niedersachsen auch konkrete Maßnahmen vor, wie die Unterrichtsversorgung stabilisiert werden kann. Sie regen die Zuweisung von Referendarinnen und Referendaren aus Regionen mit besserer Bewerberlage an Studienseminare mit noch freien Ausbildungsplätzen - insbesondere Studienseminar Stade und die Außenstelle Cuxhaven - an. Das sei bereits in der Vergangenheit praktiziert worden. Gleichzeitig soll auf die Erhöhung von Studienseminarplätzen in besser versorgten Regionen verzichtet werden.
Unter anderem soll die Attraktivität der Ausbildung in Mangelregionen über Zulagen oder ein Wartezeitmodell mit verkürzten oder verlängerten Wartezeiten je nach Situation gesteigert werden. „Wir sind gerne bereit, in Kooperation mit der Landesschulverwaltung eine Willkommenskultur für Referendarinnen und Referendare und Lehrkräfte in unseren Landkreisen zu etablieren“, schreiben Seefried und Krüger - auch durch gezieltes Marketing in Hamburg und Bremen.