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Prozessauftakt

T„Schummel-Ärztin“ belastet plötzlich Ex-Freund – Täuscht sie das Gericht?

Mit einer gefälschten Approbationsurkunde hat eine junge Frau kurze Zeit als Assistenzärztin gearbeitet - nun muss sich die 23-Jährige unter anderem wegen Betrugs verantworten.

Mit einer gefälschten Approbationsurkunde hat eine junge Frau kurze Zeit als Assistenzärztin gearbeitet - nun muss sich die 23-Jährige unter anderem wegen Betrugs verantworten. Foto: Friso Gentsch/dpa

Sie weint, spricht meist leise: Im Prozess zeigt sich die 23-Jährige aus dem Kreis Cuxhaven, die als falsche Klinikärztin arbeitete, als Opfer häuslicher Gewalt. Skurril: Heute studiert sie Medizin.

Von Denise von der Ahé Mittwoch, 12.02.2025, 18:00 Uhr

Osnabrück/Bremerhaven. Sie muss sich erst sammeln, bis sie überhaupt sprechen kann. Die „Schummel-Ärztin“ aus Hagen im Kreis Cuxhaven spricht vor Gericht sehr leise. Offenbar trägt sie eine Perücke und wendet ihr Gesicht nie dem Publikum zu. Die „falsche Ärztin“ gesteht ihre Taten, doch schiebt die Schuld dafür weitgehend ihrem Ex-Freund zu. Die mittlerweile 23-Jährige zeigt sich als Opfer häuslicher Gewalt.

Ihr Anwalt, Dr. Wolfgang van Hall, sagt zu Beginn des ersten Prozesstages: „Frau M. hat mehr als Mist gebaut. Sie räumt alles ein, was in der Anklage steht. Sie steht dazu.“

Darin steht eine Menge: Der Staatsanwalt wirft der jungen Frau, die sich 2022 mit einer gefälschten Approbationsurkunde ein Arbeitsverhältnis im Ameos-Klinikum in Debstedt und im Meppener Ludmillenstift verschafft hatte, gewerbsmäßigen Betrug, Urkundenfälschung und gefährliche Körperverletzung in sieben Fällen vor. Ein Medizinstudium hatte die damals 21-Jährige nicht. Sie hatte in ihrem Lebenslauf allerdings vorgetäuscht, in den USA, Deutschland und Österreich Medizin studiert zu haben. Die gefälschte Approbationsurkunde stammte für mehr als 600 Euro aus dem Internet.

Der Staatsanwalt warf ihr vor, aus übersteigertem Geltungsbedürfnis und aus finanziellen Gründen gehandelt zu haben. Dabei habe sie es in Kauf genommen, dass schwer kranke Patienten zu Schaden hätten kommen können. Denn sie habe nicht über das nötige Wissen verfügt, um die Patienten adäquat zu behandeln.

Bei Ameos war sie zum Glück nicht mit Patienten alleine

Bei Ameos sei es glücklicherweise nicht dazu gekommen, dass die Hochstaplerin alleine Patienten behandelt habe. Dort war sie in der Anästhesie eingesetzt. In den ersten Tagen hatten erfahrene Ärzte sie begleitet. Schnell sei aufgefallen, dass sie keine adäquaten Fachkenntnisse habe. Sie wurde entlassen.

Doch dann folgte die zweite Täuschung: Die junge Frau bewarb sich in dem Meppener Klinikum. Dort behandelte sie in der Unfallchirurgie und Notaufnahme mindestens sieben Patienten eigenständig. Der Staatsanwalt trug die Fälle einzeln vor: Es waren Patienten mit verschiedenen Schnittwunden, mal oberhalb des Auges, auf der Nase oder an den Händen. Die „Schummel-Ärztin“ gab die örtliche Betäubung mittels Spritzen und nähte die Wunden mit mehreren Stichen. „Nur der Umstand, dass sie kleinere ambulante Fälle behandelte, verhinderte, dass es zu schweren Gesundheitsschäden kam“, betonte der Staatsanwalt.

Rettungssanitäter aus Bremerhaven bringt Betrug ans Licht

Bei einem Umzug im Bekanntenkreis flog dann alles auf: Der Arbeitskollege ihres Ex-Freundes, ein Rettungssanitäter aus Bremerhaven, wurde stutzig, als er sich mit der Angeklagten austauschte. „Die Fachbegriffe brachte sie teilweise durcheinander“, sagte der Zeuge bei der Gerichtsverhandlung. Schon als sein Kollege beim Rettungsdienst damit geprahlt habe, dass seine Freundin mit 21 Jahren Ärztin sei, seien alle stutzig geworden. Nach dem Treffen beim Umzug war er sich sicher: Diese Frau ist keine Ärztin.

Er informierte zunächst die Ärztekammer in Hamburg, fand dort jedoch kaum Gehör, wie er in seiner Aussage kritisierte. Danach informierte er den zuständigen Chefarzt von Ameos in Debstedt, der die Approbationsurkunde dann bei der Sozialbehörde in Hamburg prüfen ließ. Da war die Frau aber bereits in Meppen beschäftigt.

Schule und angebliches Studium in den USA

Die junge Frau hatte angegeben, in den USA aufgewachsen zu sein und dort studiert zu haben. Auch Hochschulen in Österreich habe sie besucht, so lautete der zum großen Teil ausgedachte Lebenslauf. Immerhin war sie mit ihren Eltern tatsächlich im Jahr 2006 in den US-Bundesstaat Kansas gezogen und hatte dort einen Highschool-Abschluss gemacht. Der entsprach aber nicht den Anforderungen des deutschen Abiturs.

Eine Bescheinigung des Landes Bremen, wonach sie die allgemeine Hochschulreife besitze, habe sie gefälscht, räumte sie auf Nachfrage des Staatsanwalts ein. Im Jahr 2019 kehrte sie mit ihrer Familie zurück.

Ex-Freund soll ihr den Fuß gebrochen haben

Die Angeklagte sagte aus, dass ihr Ex-Freund sie zu allem gedrängt habe. Er sei es auch gewesen, der die gefälschte Urkunde mit ihren Daten im Netz bestellt habe, der den Kontakt zu den Kliniken hergestellt habe. Auch ihren Lebenslauf habe er gefälscht. Das Gericht hatte Zweifel und will daher nun auch den Ex-Freund als Zeugen hören. Denn bei der Polizei hatte die Angeklagte die Bedrohung durch den Freund nicht erwähnt. Sie habe Angst gehabt, sagte sie am Mittwoch.

Die „Schummel-Ärztin“ erklärte: „Er möchte nicht nur eine blöde Krankenschwester.“ Daher habe sie Ärztin sein sollen. Er sei ihr gegenüber gewalttätig gewesen und habe ihren Fuß mit einem Hammer gebrochen, während sie schlief. Sie habe alles getan aus Angst vor ihm. Zweimal habe sie einen Suizidversuch unternommen.

Ausstellende Behörde gibt es schon seit 20 Jahren nicht mehr

Eine Vertreterin der Hamburger Sozialbehörde erläuterte als Zeugin, woran man an der Approbationsurkunde der jungen Frau die Fälschungen erkennen konnte. Unter anderem sei die dort genannte ausstellende Behörde schon vor etwa 20 Jahren aufgelöst worden. Und auch die Person, die das Dokument unterschrieben haben soll, sei schon seit bestimmt 20 Jahren im Ruhestand.

Skurril: Mittlerweile studiert die junge Frau nach eigener Aussage im vierten Semester Medizin. An welcher Universität, das wollte sie vor Gericht nicht sagen.

Am Montag wird der Prozess fortgesetzt. Dann will das Gericht den Ex-Freund der Angeklagten, den zuständigen Chefarzt des Ameos-Klinikums sowie die geschädigten Patienten als Zeugen hören.

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