TAufnahmestopp: Kinderarzt-Erlebnispraxis wird überrannt

So leer ist die Aquariumlandschaft der Praxis schon lange nicht mehr - die „Kinder- und Jugendarztpraxis Cuxland“ ertrinkt unter den Massen an Patienten. Foto: Heike Leuschner
Das Konzept überzeugt offenbar, führt aber nun zu Problemen: Bereits nach wenigen Wochen muss Kinderarzt Michael Scheel in Nordholz einen Aufnahmestopp aussprechen. Die Versorgung gerät an ihre Grenzen.
Wurster Nordseeküste. „Wir werden von einer schieren Masse an Patienten überrannt“, sagt der Arzt Michael Scheel besorgt. Seine Praxis „Kinder- und Jugendarztpraxis Cuxland“ wurde im September in der Wurster Nordseeküste eröffnet. Zuvor war er in Wremen. Auch dort spürte er bereits den Ärztemangel. Nun muss Scheel zum ersten Mal in seiner Praxiszeit einen Aufnahmestopp ausrufen.
Der einzige Ausweg: Aufnahmestopp
Scheel ist sich sicher: „Selbst wenn wir 24 Stunden durcharbeiten würden, würde es nicht reichen.“ Und besser wird es nicht - bis zum Ende des Jahres sollen drei Kinderärzte im Landkreis Cuxhaven und Bremerhaven in Rente gehen. Scheel sagt dazu: „Wir stehen gerade erst am Anfang, wenn diese Ärzte weg sind, wird es noch schlimmer.“
Schon heute müssten seine Praxismitarbeiterinnen im Schnitt täglich 20 bis 30 Patienten persönlich oder am Telefon abweisen. Zu Februar hat er zwar einen neuen Arzt einstellen können, aber er sucht noch zwei weitere. Es sei also nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, mit Blick auf den Mangel.

Ramona und Michael Scheel mit Sohn Junes. Foto: Reese-Winne
Reichweite generieren als letztes Mittel
Unter dem Hashtag #Praxenkollapps informieren Ärzte über den Notstand. Auf der Plattform „X“ - vormals Twitter - finden sich etliche Beiträge, die alle die Nachricht überbringen: So geht es nicht weiter.
Dahinter steckt eine Aktion der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Bis zum 20. Dezember kann die Petition „Vergütung für medizinische Leistungen - Verbesserung der Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung“ unterschieben werden.
Medizinisches Personal und auch Patienten seien aufgefordert, die Petition zu unterschreiben. Die KBV und KV kritisieren, dass das ambulante System seit Jahren kaputtgespart worden sei und daran dringend verändert werden müsste.
Wie ernst ist die Situation denn wirklich?
Die Praxis von Scheel kommuniziert die aktuelle Lage deutlich: „Wir haben keine Kapazitäten für Krankschreibungen.“ Selbst dieser administrative Vorgang schlucke zu viel Zeit, die nicht vorhanden sei. Der Arzt sagt: „Es ist ein politisches Problem.“ Deshalb sollte der Frust auch in diese Richtung gehen. Weder das ärztliche Personal noch die KV seien dafür verantwortlich, stellt er klar.
Überarbeitetes Personal - verunsicherte Eltern
Die Unzufriedenheit ist auf allen Seiten spürbar. Deshalb nimmt auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) an der Petition teil. Detlef Haffke von der KVN bestätigt: „Wir haben unsere Mitglieder dazu aufgerufen, an der Petition teilzunehmen.“ Dem geht Michael Scheel nach und sagt mit Nachdruck: „Es ist das erste Mal in unserer Geschichte, dass Eltern etwas ausrichten und Druck machen können. Die Gesellschaft ist gerade dabei, den Mangel - den wir seit 20 Jahren ankreiden - hautnah zu erleben.“
Was mache ich mit meinem kranken Kind?
Eltern müssten sich aufgrund der aktuellen Situation häufiger die Frage stellen: Was mache ich, wenn mein Kind krank ist? Scheel gibt Tipps, die Kindern und Praxen helfen können. „Magen- und Darminfekte zum Beispiel gehen von alleine wieder weg“, erklärt er. In der Regel sei die Krankheit unbedenklich.
Ähnlich sei es bei einer Erkältung. Man könnte die Praxen schon enorm entlasten, wenn man in solchen Fällen nicht direkt den Arzt aufsucht. Notfälle hätten so die Chance, einen Termin zu erhalten. Wer einen detaillierten Überblick zum Umgang mit seinem kranken Kind haben möchte, findet auf der Internetseite der Praxis einen Leitfaden.