TBarrieren im Alltag: Wie Horneburg Rentner ausbremst

13 Zentimeter misst der Bordstein, über den Josef Wesselmann seinen Rollator hieven muss. Foto: Buchmann
Senioren und Behinderte haben keine beratende Stimme in den Horneburger Gremien. Die Verwaltung sieht sich bei der Barrierefreiheit trotzdem gut aufgestellt. Zu Recht?
Horneburg. Ohne Rollator oder Gehstock geht Josef Wesselmann nicht mehr aus dem Haus. Seine regelmäßigen Spaziergänge will sich der 71-Jährige davon jedoch nicht vermiesen lassen.
„Ich gehe auch gerne mit meiner Enkeltocher eine Runde“, sagt er. Doch der alte Fußweg entlang der Schanzenstraße zwingt den Rentner, kräftezehrende Umwege zu gehen.
Für Menschen wie den Horneburger, die nicht mehr so schnell und trittsicher unterwegs sind, sind barrierefreie Fußwege unerlässlich. „Es gibt viele Dinge, die man ganz anders wahrnimmt“, sagt er.

Hohe Bordsteine stellen Menschen mit Gehhilfen, Rollstühlen oder Kinderwagen vor immense Probleme. Foto: Buchmann
Das können beispielsweise Stolperfallen, vereiste Bodenplatten oder zu breite Hecken sein. „Ältere Menschen wollen gerne aus dem Haus gehen und Veranstaltungen besuchen“, weiß Peter Hoffmann vom Methusalem e.V. Wenn barrierefreie Wege oder Zugänge fehlten, blieben viele jedoch lieber zu Hause. Teilhabe findet dann nicht statt.
Beiräte frühzeitig in Planungen einbinden
Wie schwierig es ist, die Bedürfnisse Behinderter durchzusetzen, weiß Andrea Truchel am besten. Sie engagiert sich seit fast 20 Jahren im Behindertenbeirat der Samtgemeinde Harsefeld. Besonders die Finanzierung im Sozialen sei schwierig.
Doch ihr beharrlicher Einsatz habe Wirkung gezeigt. „Man sieht heute wieder häufiger Menschen mit Rollator, früher sind sie einfach zu Hause geblieben“, sagt Truchel. Um mehr Teilhabe zu erreichen, müssten Beiräte frühzeitig mit in die Pläne von Politik und Verwaltung eingebunden werden.
Barrierefreiheit
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Anders als in Harsefeld gibt es in Horneburg weder einen Beirat für behinderte Menschen noch für Senioren, lediglich eine ehrenamtliche Seniorenbeauftragte mit einer Sprechstunde im Monat. Samtgemeindebürgermeister Knut Willenbockel sieht die Interessen von behinderten und alten Menschen in der politischen Arbeit trotzdem gut vertreten.
„Wir bekommen von Senioren regelmäßig Hinweise und Anregungen, die wir berücksichtigen“, sagt er. Es sei ein klarer Arbeitsauftrag für die Samtgemeinde, Barrierefreiheit stets mitzudenken.
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Trotzdem gibt es immer wieder Projekte wie zuletzt den sanierten Fußweg zum Handwerksmuseum, den Menschen mit Gehhilfen wegen des historischen Kopfsteinpflasters kaum benutzen können.
Der Fleckenrat will jetzt mit einem barrierefreien Zuweg vom Marschdamm nachbessern, doch Mittel sind derzeit keine vorhanden. Ein Problem, dass ein Beirat in der Vorplanung sicherlich erkannt und so doppelte Kosten vermieden hätte. Einen kommunal initiierten Beirat lehnt Willenbockel jedoch ab. „Wir wollen kein formelles Gremium, das wir als Verwaltung federführend bespielen müssen“, sagt er.
Andrea Truchel sieht das anders. „Jede Samtgemeinde sollte einen Behindertenbeauftragten haben“, sagt sie. Auch vorstellbar wäre für sie ein Behindertenbeauftragter, der mehrere Kommunen betreut.
„Man kann sich nicht nur auf das Ehrenamt verlassen“, sagt Truchel. Die Idee, beim Thema Barrierefreiheit mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten, findet Willenbockel interessant: „Das wäre sicherlich eine Win-win-Situation für alle.“
Keine Kontrollen bei Altbeständen
Bei Bauprojekten arbeite die Verwaltung mit der Behindertenbeauftragten des Landkreises zusammen, sagt Bauamtsleiter Roger Courtault. Geregelte Kontrollen, um Altbestände wie etwa die Schanzenstraße auf Barrierefreiheit zu überprüfen, gebe es nicht.
Dort sollte der Gehweg eigentlich im Rahmen einer Straßensanierung mitbetrachtet werden. Allerdings hat die Verwaltung die Pläne hierfür zunächst auf das kommende Jahr geschoben.
Barrierefreiheit betrifft nicht nur Menschen mit Behinderungen, sagt Michael Quensen, Vorsitzender des Inklusionsbeirats im Landkreis Stade. „Genauso betroffen sind auch Mütter mit Kinderwagen oder Postboten mit Fußwagen“, sagt er.
Das Argument vieler Kommunen, dass barrierefreies Planen und Bauen zu teuer sei, zählt für Quensen nicht: „Wenn man jetzt nicht damit anfängt, wird es uns als Gesellschaft am Ende viel Geld kosten“.
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