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24-Stunden-Reportage

TBevor die Kunden kommen: Morgens ab sechs Uhr bei Kaufmann Tiedemann

Katja Beckmann (links) und Nina Springer tragen Kisten.

Die schweren Kisten tragen sie gemeinsam: Katja Beckmann (links) und Nina Springer bestücken das Obst- und Gemüseregal. Foto: Klempow

Wenn sich morgens die Türen zum Edeka-Markt öffnen, riecht es nach frischen Brötchen, liegen rote Äpfel, gelbe Melonen und grüner Salat appetitlich bereit. Damit das so ist, beginnt die Arbeit schon ab sechs Uhr.

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Von Grit Klempow
Dienstag, 02.07.2024, 07:10 Uhr

Oldendorf. Die Gänge enden im Dunkeln. Aber auf Obst und Gemüse fällt sanftes Licht. Es ist sechs Uhr und der Edeka-Markt Tiedemann in Oldendorf ist ein sehr stiller Ort. Kurz nach sechs Uhr ist er das nicht mehr.

Kurz nach sechs Uhr im Oldendorfer Edeka-Markt. Nur über der Obst- und Gemüseabteilung leuchtet es.

Kurz nach sechs Uhr im Oldendorfer Edeka-Markt. Nur über der Obst- und Gemüseabteilung leuchtet es. Foto: Klempow

Das Tor zum Lager ist offen, der Lkw parkt davor. Der Hubwagen mit der gepackten Palette voller Frischware rumpelt und scheppert über die Rampe. An der Anlieferung steht Michael Tiedemann. Der ist frühmorgens gut gelaunt. Klönschnack geht immer, für einen Kaufmann sowieso.

In Oldendorf bekannt als „der Kaufmann“

Tiedemann ist Inhaber der Edeka-Märkte in Oldendorf und - seit 2022 - in Hammah. In Oldendorf ist er einfach: der Kaufmann. Schon aus Familientradition, seine Großeltern eröffneten ihr Geschäft 1950. Er selbst lernte bei Euhus in Fredenbeck, 1996 hat er den Familienbetrieb übernommen und ausgebaut.

Täglich rollt der Lkw aus dem Edeka-Logistikzentrum in Neumünster an, an Bord die Frischware: Obst, Gemüse, Molkereiprodukte. Und Toastbrot liegt auch obendrauf. „Alle zwei Tage kommt dann noch Trockenware aus dem Lager in Zarrentin“, sagt Tiedemann.

Das Lager hinter seinem Markt ist groß genug, um Bestände auffüllen zu können, aber so klein, dass es nicht zu teuer wird. Es gibt einen Kühlraum mit 7 Grad und einen Gefrierraum mit minus 18 Grad. Aus dem Lagerraum daneben rollt Katja Beckmann gestapelte Kisten und schiebt sie in den dunklen Markt.

Aus dem Lagerraum für Obst und Gemüse holt Katja Beckmann Nachschub, um die Auslage zu bestücken.

Aus dem Lagerraum für Obst und Gemüse holt Katja Beckmann Nachschub, um die Auslage zu bestücken. Foto: Klempow

Eigener Qualitätsanspruch

Unter dem Lichtkegel ist ihre Kollegin Nina Springer schon bei der Frischekontrolle: Sie schnappt sich schrumpeliges Suppengemüse und schlappen Salat und legt sie in eine Kiste. „Montags und donnerstags kommt die Tafel und holt ab, was wir aussortiert haben.“ Anderes wandert in die Futterbox mit Grünzeug für Kleintiere. Was geht noch in den Verkauf und was nicht mehr? „Ich entscheide das danach, was ich selbst kaufen würde und was nicht“, sagt Nina Springer.

Alles frisch: Die Kunden können kommen, morgens um sieben Uhr ist die Obst- und Gemüseabteilung schon gut vorbereitet.

Alles frisch: Die Kunden können kommen, morgens um sieben Uhr ist die Obst- und Gemüseabteilung schon gut vorbereitet. Foto: Klempow

Im Auge behalten müssen sie auch tagsüber ständig die zimperlichen Zitrusfrüchte. „Manchmal drehst du dich nur um und plötzlich ist die Zitrone schlecht“, sagt Nina Springer. Wenn es ums Verderben geht, brauchen auch Kernobst und Pilze eine strenge Aufsicht. Plötzlich tönt leise Musik aus den Lautsprechern - Michael Tiedemann ist im Kassenbüro und hat das Radio für den Markt angestellt.

Scanner registriert die frische Ware

Katja Beckmann packt Äpfel und Kartoffeln und Reste vom Vortag nach. Dann kommt die frisch angelieferte Ware dran. „Die müssen wir erst verbuchen“, erklärt sie. Dafür nutzt sie einen Scanner, der die Daten über WLAN ins System schickt.

Nur so klappt die automatische Disposition: Was über die Kasse als verkauft gebucht wird, ordert das Warenwirtschaftssystem nach. „Deshalb muss auch jeder Artikel an der Kasse sortenrein gescannt werden.“ Eine Palette Joghurt einer Marke - zack - über die Kasse - das war mal. „Sonst wissen wir nicht, wie viele Bananenjoghurts verkauft wurden“, erklärt Nina Springer, warum jeder einzelne Becher über den Kassenscanner muss.

Jeder Artikel hat seinen Platz

Im Büro gibt es deshalb vier PC-Arbeitsplätze, damit alle den Warenbestand in ihrem Verantwortungsbereich managen können. An der Bürotür zeigt eine Übersicht: Jedes Regal und jeder Abschnitt sind durchnummeriert. Das System zeigt an, was gebraucht wird und macht auch Bestellvorschläge.

Kaufmann Michael Tiedemann im Kassenbüro. Hier gibt es vier PC-Arbeitsplätze für das Warenwirtschaftssystem.

Kaufmann Michael Tiedemann im Kassenbüro. Hier gibt es vier PC-Arbeitsplätze für das Warenwirtschaftssystem. Foto: Klempow

Das System arbeitet mit fast allen Produkten - bis auf Gemüse und Getränke. Katja Beckmann und Nina Springer scannen die neue Lieferung ein und registrieren sie damit für den Wareneingang - aber was verkauft wurde und was noch da ist, zeigt sich erst bei der Inventur. Alles zählen und wiegen - das steht montags alle vier Wochen bei Obst und Gemüse und an der Frischetheke an.

Bestellung mit Fingerspitzengefühl

„Das hier ist schon die tagesaktuellste Abteilung“, sagt Katja Beckmann. Die Order von frischem Obst und Gemüse braucht Fingerspitzengefühl. Was ist im Angebot? Was hat Saison? Wie ist das Wetter? „Man muss viele Parameter berücksichtigen, um die Bestellung zu kalkulieren“, sagt Katja Beckmann.

Eine Bestandsaufnahme im Kühlraum gehört vor Bestellungen dazu. „Die Routine kommt von allein. Aber man haut auch mal daneben, das ist einfach so“, sagt Nina Springer. Ist zu wenig da, gibt es noch die Möglichkeit Nachschub aus dem Markt in Hammah zu holen.

Bei zu großen Mengen könnte ein Angebotstisch mit reduzierten Preisen die Lösung sein. „Dann ist die Marge vielleicht nicht so groß, aber man bleibt nicht drauf sitzen und hat das Lebensmittel gerettet“, sagt ihre Kollegin.

Katja Beckmann (links) und Nina Springer tragen Kisten.

Die schweren Kisten tragen sie gemeinsam: Katja Beckmann (links) und Nina Springer bestücken das Obst- und Gemüseregal. Foto: Klempow

Die Frauen greifen die 20 Kilo schweren Melonen-Kisten. Auch Kartoffeln wiegen um die 20, ein Bananenkarton 18 Kilo. „In die Muckibude müssen wir jedenfalls nicht“, sagt Katja Beckmann und grinst. Fürs Rücken schonende Arbeiten haben sie die Abmachung, zusammen anzupacken.

Frische Brötchen für die ersten Kunden

„Guten Morgen“, wünscht Petra Wulff. Sie ist fast eine Tiedemann-Institution. Seit 28 Jahren arbeitet sie hier. Sie schaltet den Ofen im Backshop an und schiebt ein mit Franzbrötchen bestücktes Blech auf eine untere Schiene. „Wenn die Kunden kommen, sollten die Standardbrötchen fertig sein“, sagt sie. Es ist 6.40 Uhr - das Licht geht an. Das ist programmiert, genauso wie die Temperaturen in den Schränken und Truhen, die der Tüv regelmäßig prüft.

Sie ist für die Molkerei-Produkte und alles Gekühlte zuständig: Petra Wulff morgens um 6.40 Uhr an der Palette mit Waren, die heute noch einsortiert werden müssen.

Sie ist für die Molkerei-Produkte und alles Gekühlte zuständig: Petra Wulff morgens um 6.40 Uhr an der Palette mit Waren, die heute noch einsortiert werden müssen. Foto: Klempow

Die aufgebackenen Brötchen gibt es zwischen Obst- und Gemüse- und der Mopro-Abteilung. Mopro steht für Molkerei-Produkte, und für die ist Petra Wulff hauptsächlich zuständig. Was im Moment besonders gefragt ist? Es ist Grillsaison, also Kartoffel-Creme, Tzatziki, Krautsalat und Baguette zum Aufbacken. „Und wenn es warm ist, auch die hier“, zeigt Petra Wulff einen bunten Becher mit Bubble Tea.

Mett ist morgens gefragt

Der Warenturm auf der Palette überragt sie. Sahne, Milch, Joghurt und Salate hat der Fahrer geliefert. Später wird eine Kollegin Petra Wulff beim Bestücken der Kühlschränke unterstützen. Dabei prüfen sie gleich, ob alle Produkte noch lang genug haltbar sind.

Betrieb herrscht plötzlich auch an der Frischetheke. Fleischer Thomas Monsees kommt um die Ecke und hebt eine Schüssel mit kiloweise Hackepeter in den Kühltresen. „Mett - das ist das Erste. Das geht gleich morgens mit Mett los, wenn die Leute kommen.“ Es ist 6.45 Uhr.

Fleischer Thomas Monsees bringt Mett für die Frischetheke - danach fragen die ersten Kunden.

Fleischer Thomas Monsees bringt Mett für die Frischetheke - danach fragen die ersten Kunden. Foto: Klempow

Aus dem stillen Markt ist peu à peu ein eingespielter Betrieb geworden: André Kawitzki hat seinen Platz an der Info eingenommen. Damit ist er heute für Lotto und Tabakwaren zuständig, aber auch für die Bestellungen auf Kommission - und er ist in einigen Minuten der Türöffner.

André Kawitzki managt an diesem Morgen die Info, er schließt die Tür auf, gibt früh morgens die Kassenladen und Wechselgeld an die Kassiererinnen aus und kümmert sich um alles, was anfällt.

André Kawitzki managt an diesem Morgen die Info, er schließt die Tür auf, gibt früh morgens die Kassenladen und Wechselgeld an die Kassiererinnen aus und kümmert sich um alles, was anfällt. Foto: Klempow

Münzgeld wird gewogen

Kerstin Kähler und Anja von Rönn machen heute die erste Schicht an den Kassen. Damit alles seine Richtigkeit hat, haben sie vorher das Wechselgeld in ihren Laden gezählt und das lose Münzgeld gewogen.

Damit sich der korrekte Betrag Wechselgeld in den Kassenladen befindet, wird es noch einmal gezählt und das lose Münzgeld mit einer speziellen Waage berechnet.

Damit sich der korrekte Betrag Wechselgeld in den Kassenladen befindet, wird es noch einmal gezählt und das lose Münzgeld mit einer speziellen Waage berechnet. Foto: Klempow

Kerstin Kähler sortiert die Tageszeitungen noch schnell ein. „Brötchen und Zeitungen, das wollen viele gleich morgens.“ Anja von Rönn bereitet gut gelaunt ihre Kasse vor. Sie weiß, an der Kasse gibt es auch immer was zu schnacken. „Das ist hier so auf’m Dörpen.“
Gleich kommen die Kunden, Anja von Rönn erwartet sie gut gelaunt an der Kasse.

Gleich kommen die Kunden, Anja von Rönn erwartet sie gut gelaunt an der Kasse. Foto: Klempow

Der persönliche Kontakt, das Schnacken mit regionalen Lieferanten und seinen Kunden, zählt auch für Michael Tiedemann - da ist er durch und durch Kaufmann der alten Schule. „Das ist auch den Kunden wichtig, und das gibt es bei uns noch.“ Kommunikation ist für ihn alles - sowohl nach außen als auch nach innen mit dem Team. Viele seiner 50 Angestellten sind schon lange Jahre dabei. „Das ist doch auch ein gutes Zeichen, oder?“

Auch André Kawitzki gehört seit 15 Jahren dazu. Er dreht den Schlüssel im elektrischen Schloss - die Schiebetüren gleiten zur Seite. Es ist 7 Uhr, draußen scheint die Sonne, der Markt ist hell erleuchtet. Die Kunden sind da.

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