TBuxtehuder Sinfonieorchester groovt mit Vivaldi und verzerrten Violinen

Mit Tempo und doch präzise ließ das Jugendsinfonieorchester Buxehude Vivaldis Werk grooven. Foto: Harald Winter
Ein Sommerkonzert zeitgleich zur Eröffnung der Fußball-EM - kann dieser Vergleich in puncto Publikumszuspruch fair ausgehen? Ja - und zwar berechtigt.
Buxtehude. Fast zeitgleich mit Beginn des Auftaktspieles der laufenden Europameisterschaft im populärsten Sport der Welt, dem Fußball, intonierte am Freitag- und auch am Samstagabend das Jugendsinfonieorchester Buxtehude sein diesjähriges Sommerkonzert. Im ungewohnten Ambiente des Forum Süd in guter Akustik und – vor vollem Saal. Und das, obwohl auch noch Deutschland spielte.
Man könnte es als klares Zeichen der Anerkennung und Zuwendung für dieses bemerkenswerte Ensemble deuten. Was sich auch mit Beginn des Konzertes schnell als zutreffend erwies: Geradezu umwerfend die Qualität des „Concerto con molti stromenti“ C-Dur von Antonio Vivaldi, ein Konzert für Solisten und Orchester, welches das abendliche Programm mit weiteren Kompositionen von Haydn, Reinecke und Elgar beeindruckend eröffnete.
Enormes Tempo und funkelnde Frische
Es groovte. In enormem Tempo verbreitete die bewegte Rhythmik unter der versierten Leitung von Andreas Désor unablässig funkelnde Frische. Der Barockmotor brummte, die Synkopen (gegentaktige Betonungen) flogen, man verstand plötzlich, warum die „Vier Jahreszeiten“ so berühmt geworden sind und ernsthafte „Heavy-Metal“-Solisten der Jetztzeit vor allem Läufe von Vivaldi- und Bach üben.
Doch nichts ging zu Lasten der Intonation. Der Orchesterklang war klar und transparent, manchmal sehr eigen durch die geforderten Verfremdungen von Violinen der Solistinnen Marta Behrens und Fenna Otten mit Alufolie.
Der Ton war durch die Bank definiert und frisch, die Dynamik (Gestaltung von laut und leise) reich an Facetten und die Tempospannung ging nicht verloren, blieb auch dort erhalten, wo Musikerinnen und Musiker an die Grenzen ihrer Instrumente kamen.

Solist Emil Heine. Foto: Harald Winter
So spielten sowohl Nele Brunswig (Harfe) als auch Emil Heine (Gitarre) ihre melodischen Linien in der doch sehr ambitionierten Geschwindigkeit hervorragend, obwohl diese ursprünglich für schneller spielbare Instrumente wie Mandoline und Theorbe geschrieben wurden.
Keine Müdigkeit, nichts ließ erkennen, dass der venezianische Feuerkopf dieses Werk in seinen letzten Lebensjahren schrieb, für den polnischen König aus Anlass des berühmten Karnevals von Venedig.
Liebliche Militärmusik
Geradezu gemächlich ging es im Vergleich dazu bei der folgenden 100. Sinfonie des Vielschreibers dieses Genres Joseph Haydn zu. Selbstredend nicht von der Interpretation her: Das Orchester spielte ohne Fehl und Tadel und wurde der Komposition durchaus gerecht.
Nur - suchte man in der klassischen vierteiligen Struktur dieses Teilwerkes der „Londoner Symphonien“, mit denen Haydn derzeit in der britischen Hauptstadt glänzen wollte, nach dem martialischen Tonfall in der Musik, kam man nicht so weit.
Lediglich im 2. Satz der Komposition kam er vor, in Gestalt des Einsatzes von ordentlich knallendem Schlagwerk, das die Osmanen und Türken bekanntlich kurz zuvor bei ihrer Besetzung von Teilen Europas zurückließen. Darüber hinaus ging es klanglich wie rhythmisch eher lieblich zu, doch der Hörgenuss blieb.
Riesenbeifall für Solokonzert
Die anschließende „Ballade für Flöte und Orchester op.288“, ein romantisches Werk von Carl Reinecke, geboren ganz in der Nähe, nämlich in Altona, stand ganz im Zeichen der hervorragenden Soloflötistin Sofia Wolter, die seit 2019 dem JSO Buxtehude angehört, in Hamburg wohnt und zur Schule geht und mittlerweile in diversen anderen namhaften Ensembles spielt.

Flötistin Sofia Wolter, eingerahmt von den Dirigenten Andreas Désor und Hinnerk Otten (rechts). Foto: Harald Winter
Dass es nach eigenem Bekunden für sie derzeit zu den Höhepunkten ihres musikalischen Lebens gehört, dieses Konzert mit seinen hohen Anforderungen zu spielen, war zu hören: Ihre spannungsreiche und vielfarbige Gestaltung der anspruchsvollen Melodiebögen, selbst in den schwierigen Staccatoläufen, zeugte von Sensibilität, hohem technischen Können und intensiver Auseinandersetzung mit dem Stoff. Für die Dialoge mit dem einfühlsamen Orchester unter der souveränen Leitung von Hinnerk Otten gab es verdienten Riesenbeifall.
Komplexe Klangstrukturen
Last but not least Edward Elgar, Autodidakt und der modernste Komponist des Abends, diesmal aber ohne „Pomp und Circumstance“. Letzteres ist der britsche Marsch, der die populäre Reihe „Last night of the Proms“ in London eröffnet und abschließt.
Diesmal ließ Edward das Publikum an seiner heiteren und unbeschwerten Kindheit teilhaben. Die äußerte sich vor allem in komplexen Klangstrukturen: sehr vielschichtig, oft ohne leicht erkennbare Melodiebögen, ohne definiert klare Rhythmik, dafür in regelrechten Klangbädern.
Vielleicht eine altersweise Weltsicht eines Komponisten auf seine Kindheit, der darüber keine Worte verliert sondern Klänge. Eine hohe Anforderung für das Orchester, die es dennoch beeindruckend meisterte. Zum Schluss: Riesengroßer Beifall für das Orchester und Zugaben.