Zähl Pixel
Einweihung

TChororgel von St. Petri ist fertig: Warum es für ihre Vollendung einen Freak brauchte

Sahnehäubchen für festlichen Klang ist der Cymbelstern: Bei den feinen Glöckchen muss Orgelbauer Winfried Puschmann noch einmal Hand anlegen.

Sahnehäubchen für festlichen Klang ist der Cymbelstern: Bei den feinen Glöckchen muss Orgelbauer Winfried Puschmann noch einmal Hand anlegen. Foto: Weselmann

Buxtehude hat lange auf die neue Chororgel gewartet. Jetzt hat die Furtwängler Orgel ihre kleine Schwester zurück und in St. Petri erklingen am Wochenende erstmals wieder beide gemeinsam. Maßgeblichen Anteil daran hat Winfried Puschmann – ein „Orgelfreak“.

author
Von Fenna Weselmann
Samstag, 13.04.2024, 17:20 Uhr

Buxtehude. Über Wochen war Buxtehude für Orgelbauer Winfried Puschmann aus Rheine ein zweites Zuhause. Zusammen mit Kollege Christoph Keinert hat er in der St.-Petri-Kirche Stunden um Stunden gearbeitet, um die neue Chororgel aufzubauen, die nun am Wochenende feierlich eingeweiht wird. Und als Intonateur fiel ihm noch eine entscheidende Aufgabe zu: der Orgel ihre Seele einzuhauchen.

Orgelbauer aus Rheine lernte bei Rowan West

Schon als Kind ist Winfried Puschmann von der Königin der Instrumente in den Bann gezogen worden. „Bevor ich Klavier spielen konnte, wollte ich Orgel spielen“, erzählt er. Trotzdem geht es zunächst ans Piano und erst später auf die Orgelbank. Der Zufall bringt ihn in die Werkstatt eines Orgelbauers. Das ist der Schlüsselmoment für seine Berufsentscheidung.

Beim Einbau der neuen Chororgel in der Buxtehuder St.-Petri-Kirche gibt es vor Ort noch alle Hände voll zu tun

Beim Einbau der neuen Chororgel gibt es vor Ort in St.Petri noch alle Hände voll zu tun. Foto: Weselmann

Nach der 11. Klasse verlässt Winfried Puschmann das Gymnasium und beginnt bei Herbert Albers im heimischen Sauerland die Ausbildung zum Orgelbauer. Weil dieser seinen Betrieb aus gesundheitlichen Gründen aufgeben muss, führt er die Lehre bei Rowan West in Bad Neuenahr zu Ende. Rowan West lebte für den Orgelbau und war ein begnadeter Intonateur.

Intonation gibt der Orgel ihren einzigartigen Klang

Leute dieses Fachs sind eher „Geheimniskrämer, die ihr Wissen für sich behalten“, sagt Puschmann, „aber alle Intonateure sind heiß darauf, jemanden mitzunehmen, der Orgel spielen kann“. So bekommt er schon früh Gelegenheit, auf diesem Gebiet Erfahrung zu sammeln.

Die Intonation ist die klangliche Gestaltung der Orgelpfeifen, vergleichbar mit der Stimmbildung eines Sängers. Erst der Intonateur gibt dem Instrument seinen einzigartigen Klang und damit seine Seele.

Einbau der neuen Chororgel in Buxtehude: Für die Arbeiten vor Ort hat Orgelbauer Winfried Puschmann seine Werstatt im Seitenschiff der St.-Petri-Kirche eingerichtet

Die Orgelbauer haben ihre Werkstatt im Seitenschiff der St.-Petri-Kirche aufgeschlagen. Foto: Weselmann

Die Pfeifenlänge bestimmt die Tonhöhe, die Intonation den Sound. Beim Bau wird das Pfeifenwerk grob auf Länge gebracht, beim Intonieren folgt die Feinarbeit. Der Bereich des Labiums (Gesicht der Pfeife) wird mit Spezialwerkzeugen bearbeitet, um die Pfeife in Klangfarbe und Lautstärke zu verändern. Auch hier braucht es musikalisches Gespür wie handwerkliches Geschick.

West-Orgel ist inspiriert von Arp Schnitger

„Wir bewegen uns da im Mikrobereich“, erklärt Puschmann, der mit seinen 50 Jahren fast noch als junger Orgelbauer durchgeht. Es verhält sich wie bei den Holzbildhauern: Was ab ist, ist ab. Bei der klanglichen Arbeit sei es aber wichtig, nicht immer darüber nachzudenken, was schiefgehen könne, betont Puschmann.

„Ich muss den Mut haben, zu entscheiden, wie viel ich abschneide.“ Erfahrungswissen und klangliche Urteilskraft sind also essenziell. Dass er auch Pfeifenmacher ist, kommt ihm bei seiner Arbeit zugute. Und er ist mit Orgeln von Arp Schnitger vertraut, in dessen Geist Rowan West die neue Chororgel konzipiert hat.

Orgelbauer Winfried Puschmann beim Einbau des Pfeifenwerks in der neuen Chororgel für die St.-Petri-Kirche in Buxtehude

Wochenlange Arbeit vor Ort in Buxtehude: Winfried Puschmann baut die Subbass-Pfeifen der neuen West-Orgel ein. Foto: Weselmann

Alle Register müssen in sich wie zueinander in Klangcharakter und Lautstärke ausgeglichen und gestimmt werden. In diesem Prozess bezieht der Intonateur den Stil der Orgel und die Raumakustik in seine Arbeit ein. Dafür muss also jede Taste auf dem Spieltisch viele Male nacheinander heruntergedrückt werden. Früher war das eine typische Lehrlingsaufgabe, heute kommt dafür ein ferngesteuerter Tastomat zum Einsatz.

Seine Berufswahl hat Puschmann nie bereut, obwohl die Arbeit oft schwer mit dem Familienleben zu vereinbaren ist. „Orgelbauer sind ein buntes Volk und viel unterwegs“, sagt er. Genau das, die Begeisterung für das Handwerk und die Liebe zum Instrument, machen für ihn den Job so reizvoll. Inzwischen ist der 50-Jährige als selbstständiger Orgelbauer in Rheine ansässig, mit Fokus auf Wartungsarbeiten und Intonation.

Ahrtal-Flut zerstört die alte Chororgel

Rowan West hielt große Stücke auf ihn. Der während des Projekts verstorbene Orgelbauer hatte Buxtehudes Kreiskantorin Sybille Groß einmal gesagt, dass Winfried Puschmann mindestens so gut wie er selbst sei und dazu noch viel schneller.

Als seine Nervenkrankheit ihn immer weiter einschränkte und die Flut im Ahrtal Werkstatt samt zu restaurierender Chororgel, suchte er bei ihm Unterstützung. Schon vor Wests Tod war klar, dass Puschmann sein Vermächtnis klanglich vollenden würde.

„Ohne eine große Leidenschaft für das Instrument geht einem die Luft aus“, ist Puschmann überzeugt. „Ich bin nicht so freakig wie Rowan West war, aber ich bin auch ein Freak“, sagt er. Wann er mit seiner Arbeit zufrieden ist? Erst einmal nicht.

„Direkt nach der Intonation höre ich jeden vermeintlichen Fehler.“ Es braucht Abstand. „Wenn der erste Hype vorbei ist und Musiker von der Orgel nach zehn Jahren immer noch sprechen, dann kann sie nicht so schlecht geworden sein.“

Die von Rowan West geplante und in seinem Sinne gefertigte Chororgel für Buxtehudes St.-Petri-Kirche wird am Sonntag, 14. April, feierlich eingeweiht. Auch Verwandte des verstorbenen Orgelbauers aus Australien haben sich angekündigt.

Programm zur Orgeleinweihung in St. Petri

  • 11 Uhr Festgottesdienst mit Kantorei und Kammerchor des Kirchenkreises Buxtehude unter Leitung von Kreiskantorin Sybille Groß, dem Posaunenchor St. Petri (Leitung: Alexander Kockel), Sopranistin Sonja Bühler sowie Martin Böcker an der Orgel
  • 14 Uhr Die zweite Königin: Klangliche Vorstellung der neuen West-Chororgel als Ergänzung zur historischen Furtwängler Orgel mit Sybille Groß, Enno Gröhn und Martin Böcker
  • 18 Uhr Chororgel konzertant: Festkonzert unter Leitung von Sybille Groß mit der neuen Chororgel, Chören, Joachim Lobe (Trompete) und Alexander Käberich (Flöte) sowie Martin Böcker und Enno Gröhn an der Orgel
Weitere Artikel