TDas schlechteste Team im Landkreis? „Schlimmer kann es nicht werden“

Bargstedt (blaue Trikots) gewinnt 3:0 gegen Großenwörden. Die Spieler nehmen ihre fußballerischen Unzulänglichkeiten mit Humor. Foto: Scholz
Der TSV Großenwörden II wartet in der untersten Spielklasse, der 4. Kreisklasse, auf den ersten Punkt, lässt sich davon aber nicht die Laune verderben. Besuch beim Kellerduell in Bargstedt.
Bargstedt. Der Ball landet vor den Füßen von Tjark Engels, er wird nicht bedrängt, will den Ball von hinten ins Mittelfeld schießen, trifft dabei aber den Rücken eines Mitspielers - das einzige Hindernis weit und breit. „Das ist Fußball!“, ruft jemand mit einer Portion Ironie vom Spielfeldrand. Engels kann sein Grinsen nicht verbergen.
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Die fußballerischen Unzulänglichkeiten, die am Sonntagmittag auf dem Rasenplatz in Bargstedt zu beobachten sind, werden mit Humor genommen. Im Kellerduell der 4. Kreisklasse stehen sich der TuS Eiche Bargstedt II und der TSV Großenwörden II gegenüber. Tiefer geht es nicht.
Ball fliegt über die Landstraße
50 Zuschauer sehen, wie Großenwördens Stürmer Sven Nimmert nach wenigen Minuten die Latte trifft, wie Bargstedt mit einem hohen Ball die gegnerische Abwehr überspielt und durch Kilian Kück in Führung geht und wie Jonathan Geanot Wellmann-Velasquez nach etwas mehr als einer halben Stunde auf 2:0 erhöht.
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Sie sehen, wie kompromisslose Abwehrarbeit funktioniert und der Ball beim Klären sogar über die angrenzende Landstraße gedroschen wird. Und sie sehen, wie der Ball im Mittelfeld von Schienbein zu Schienbein springt, wie Ecken auf Kniehöhe in den Strafraum kommen oder wie dem Torwart ein Kullerball aus der Hand rutscht.
„Wir nehmen es locker und machen unsere Späße“, sagt Bargstedts Offensivmann Labinot Hasaj, der kurz vor Schluss mit einem satten Schuss zum 3:0-Endstand trifft.

TSV-Trainer Lars von der Lieth: „Bei uns geht es mehr ums Drumherum.“ Foto: Scholz
Bargstedt schließt die Hinrunde mit neun Punkten ab. Großenwörden wartet dagegen noch auf den ersten Zähler. „Das war ein bisschen zu erwarten“, sagt Lars von der Lieth.
Seit Wochen kein Training
Nach dem Schlusspfiff räumt Großenwördens Trainer die letzten Sachen von der Bank und schlendert zur Kabine. Er wirkt nachdenklich, aber nicht ernüchtert. „Natürlich macht man sich als Trainer Gedanken, aber wir sagen uns auch an jedem Spieltag: Schlimmer kann es nicht werden.“
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Das Hauptproblem: Großenwörden fehlen die Spieler. Die bisherige zweite Mannschaft wurde aufgelöst und mit der dritten zusammengelegt. Doch seit einigen Wochen findet kein Training mehr statt. Verletzte, Erkrankte, Schichtgänger. „Und davor waren wir auch nur zu sechst“, sagt von der Lieth.

Verteidiger Yago von der Lieth hätte sich notfalls sogar mit Feuerwehrhandschuhen ins Tor gestellt. Foto: privat (nomo)
Vor allem steht er an jedem Spieltag vor der Frage, wer das Tor hütet. In Bargstedt zum Beispiel stand Verteidiger Yago von der Lieth zwischen den Pfosten und machte seine Sache gut. Doch hätte Gegner Bargstedt nicht mit einem Paar Torwarthandschuhen ausgeholfen, hätte er sich seine Feuerwehrhandschuhe übergestreift.
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Stürmer bereits sieben Mal am Knie operiert
Sven Nimmert sitzt auf einer kleinen Mauer vor der Kabine und trinkt Astra. Auch ihn beschäftigen die Wochen ohne Training und eine Hinrunde ohne Punkte. „Eigentlich hatten wir ein anderes Ziel“, sagt Nimmert und fragt in die Runde seiner Mitspieler, ob man das öffentlich sagen soll.
Nimmert sagt es trotzdem: „Wir wollen in dieser Saison zweistellig punkten“, sie lachen, „aber das kann ja noch werden.“
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Nimmert zündet sich eine Zigarette an, erzählt, dass er vor ein paar Jahren mal einer der Toptorjäger der Kreisklasse war. „Aber davon war heute nichts zu sehen“, flachst ein Mitspieler.

Sven Nimmert: „Ich kann einfach nicht ohne Fußball.“ Foto: Scholz
Nimmert zeigt auf die Bandagen an seinen Knien und erzählt, dass er dort schon sieben Mal operiert wurde. Kreuzband, Außenmeniskus, Innenmeniskus, Knorpelschaden. Mit 25, so die Prognose des Arztes, werde er ein künstliches Knie brauchen. „Aber noch geht es auch ohne“, sagt Nimmert, heute 32 Jahre alt.
Hallenturniere und Schnitzeltraining
Und doch bleibt die Frage, warum er sich das antut. „Ich kann einfach nicht ohne Fußball“, sagt Nimmert. „Natürlich wäre es schön, auch mal zu gewinnen, aber für mich steht der Spaß im Vordergrund.“ Offenbar hilft es, den Sport nicht zu ernst zu nehmen, wenn man ganz unten steht.
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Ähnlich geht auch Trainer von der Lieth mit der Situation um. Auf die Frage, was jetzt in der Winterpause passieren müsse, nennt er einige „Maßnahmen“, die nicht immer etwas mit Fußball zu tun haben. Hallenturniere, Weihnachtsfeier, Kegeln oder das sogenannte Schnitzeltraining im Großenwördener Hof.
„Bei uns geht es mehr ums Drumherum“, sagt von der Lieth. Und das Gute: In der untersten Spielklasse kann man nicht absteigen.