TDemo für Bauern-Zukunft: Das steckt hinter dem Trettrecker-Protest im Kreis Stade

Der Platz vor dem Deutschen Haus in Mulsum ist gefüllt: Rund 60 Kinder mit Trettreckern machen sich anschließend auf die Runde durch den Ort. Vorweg und hinterher fahren die großen Schlepper. Foto: Fehlbus
Eine Woche lang waren die Erwachsenen mit dem Schlepper unterwegs. Zum Abschluss der Demo-Woche aber setzten Kinder den Schlusspunkt: 60 mit Trettreckern fuhren mit ihren Zukunftssorgen auf den Schildern durch Mulsum.
Mulsum. Die Großen neben den Kleinen. Sichtbar stolz fahren gut 60 Kinder mit Plakaten und Flatterbändern hinter dem Schlepperkorso der Bauerndemo her. Mit Unterstützung der Eltern haben sie sich auf den Weg in Mulsums Ortsmitte gemacht. Ob es schon den Jüngsten bewusst ist, wofür sie über das Pflaster rattern, ist nicht sicher. Aber ihre Eltern wissen, dass es mit dem Traumberuf, den viele Teilnehmer einmal ausüben wollen, nicht gut aussieht.
„Wenn es so weitergeht ist Schluss“, sagt Caroline Wilkens. „Ich kann meinen Kindern nicht empfehlen, Landwirt zu werden“, so die Mulsumerin. Das Höfe-Sterben sei harte Realität. Einer, der das gar nicht hören mag, ist Max. „Ich möchte auch noch Landwirt werden“, steht auf dem Schild des Fünfjährigen.
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Den Kindern kann man im Moment nicht empfehlen, Landwirt zu werden
Streichung der Agrardieselrückvergütung. Das steht über den Bauernprotesten diese Woche. Aber es war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, sagt Cord Wilkens: „Die Regierung muss sehen, dass es so nicht weitergeht“, so der Landwirt. Immer neue Auflagen gebe es. Das Neueste: Vier Prozent der Flächen müssen stillgelegt, also aus der Produktion genommen werden.
Das Schlimmste aber sei die Bürokratie, sagt Caroline Wilkens. „Man verbringt mehr Zeit im Büro als im Stall.“ Die Vorgaben ziehen oft Baumaßnahmen nach sich. Kaum sind die Umbauten im Stall abgeschlossen, komme die nächste Vorschrift. „Aber wenn wir in neue Ställe und Anlagen investieren, dann brauchen wir da Sicherheit“, sagt Siska Bösch, die mit ihrem Mann in der zehnten Generation einen Betrieb mit Schweinemast, Rinderhaltung und Ackerbau bewirtschaftet. Auch bei ihnen steht die nächste Generation in den Startlöchern und möchte gerne den Hof weiterführen. „Für uns ist es mehr als ein Beruf, es ist unsere Leidenschaft und Lebenseinstellung“, sagt sie.

Siska Bösch (links) und Jaqueline Pretzel haben die Trettrecker-Demo in Mulsum organisiert. Foto: Fehlbus
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Rückerstattung, CO2 und Subventionen: Noch fährt kein E-Trecker auf dem Acker
Subventionen, große Maschinen, die doch offenbar für gute Erzeugerpreise stehen und dann meckern, wenn eine Vergünstigung bei der Steuer gestrichen wird? Diese Kritik an der Landwirtschaft kennen sie in Mulsum. „Erst einmal fahren wir mit den Treckern nicht auf den Straßen, sondern auf dem Acker. Und wir zahlen den Dieselpreis zunächst wie jeder andere auch“, sagt Siska Bösch. Die Mutter von drei Kindern hat die Veranstaltung zusammen mit Jaqueline Pretzel organisiert. Es geht um die steuerliche Rückerstattung von 21 Cent je Liter, die zum Jahresanfang gestrichen wurde. „Bei der Kilometer-Pauschale von Arbeitnehmern wird jeder Kilometer mit 30 Cent unterstützt“, sagt Cord Wilkens, ab dem 21. Kilometer mit 38 Cent. Ebenso funktioniere die steuerliche Rückerstattung in der Landwirtschaft. „Und leider fährt noch kein E-Trecker auf dem Acker“, sagt Ken Pretzel. „Aber es rechnet ja auch keiner gegen, was von den ganzen Feldfrüchten auf dem Acker an CO2 gebunden wird“, sagt Alexander Bösch.
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In Konkurrenz mit Hähnchenmästern aus Thailand und Schweinen aus China
Die Subventionen in der Landwirtschaft seien im Übrigen dafür da, die Lebensmittelpreise für den Verbraucher günstig zu halten, sagt Cord Wilkens. Auch wenn sie Unternehmer sind, die wirtschaftlich arbeiten müssen: „Wir können die Preise nicht selbst machen.“ Die Landwirtschaft befinde sich stets im Wettbewerb mit dem Weltmarkt. „Und niemand hat so große Auflagen wie wir in Deutschland“, sagt Wilkens.
Der Geflügelhof Wilkens wird alle vier Wochen vom Veterinäramt kontrolliert. Nicht nur für das Tierwohl gibt es viele Vorschriften. Alles muss genauestens dokumentiert werden, Stichwort: keine Antibiotika. Die Konkurrenz für Hähnchenmäster kommt aus Thailand und Brasilien. Da seien Medikamente nicht verboten, dort würden aber die Preise gemacht, sagt Wilkens.Vor allem für Fertigprodukte werde das Fleisch für Produkte importiert.
Aus dem Bauernprotest ist ein Protest des Mittelstands und Handwerks geworden
Für den Betrieb Bösch mit den Schweinen sitzt die Konkurrenz in China. „Da werden die Schweine in Ställen übereinander wie in Hochhäusern gehalten“, sagt Siska Bösch. Und auch Florian Tamm kennt seine Konkurrenz als Milchviehhalter: „Neuseeland ist einer der größten Exporteure von Milchpulver.“ Es wird zum Beispiel für Backwaren oder Schokolade verwendet. „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“, steht auf einem Trettrecker-Schild. Eben deshalb wollen sie protestieren. „In den Städten ist die Resonanz sehr gut“, sagt Ken Pretzel. In Hamburg war er bei der Demo dabei. „Dort haben sie Schilder hochgehalten, dass wir bloß weitermachen sollen“, sagt er. Es sei längst kein Bauernprotest mehr, sondern einer des Mittelstands, besonders der Handwerker. Am Sonntag will er wieder los.
Bauern planen am Wochenende auch stillen Protest
Landwirte in Niedersachsen planen am Wochenende zusätzlich zu weiteren Aktionen einen stillen Protest. Dazu werden orangene Rundumleuchten auf den Höfen eingeschaltet, wie das Landvolk mitteilte. Mit der Aktion solle aus dem ländlichen Raum ein Signal nach Berlin geschickt werden, hieß es. Am Montag ist eine Großdemonstration in der Hauptstadt angekündigt.

„Ich möchte auch noch Landwirt werden“: Bauernkinder protestieren in Mulsum für eine Zukunft der Landwirtschaft. Foto: Fehlbus