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Bauernproteste

TDemonstrationszug durch den Landkreis Stade: Landwirte legen den Verkehr lahm

Der Demonstrationszug auf dem Übergang von B73 und A26 in Stade

Der Demonstrationszug auf dem Übergang von B73 und A26 in Stade Foto: Vasel

Die Aufmerksamkeit war ihnen sicher: Bei ihrer Demonstration am Montag legten Landwirte aus dem gesamten Landkreis die Hauptverkehrsstraßen in und um Stade bis nach Hamburg lahm. Wie lief der erste Tag der Aktionswoche? Und was sagen die Bauern selbst?

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Von Sophia Ahrens,
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Von Björn Vasel
Montag, 08.01.2024, 18:59 Uhr

Landkreis. „Welcher Funkkanal?“ Diese letzte Frage musste am Montagmorgen um 6.30 Uhr noch geklärt werden, dann schwangen sich die Landwirte aus der Samtgemeinde Fredenbeck auf die Fahrersitze ihrer Traktoren. Etwa 50 von ihnen brachen noch vor Sonnenaufgang von der Stader Geest auf, um im gesamten Landkreis für Verkehrseinschränkungen zu sorgen.

Der Startschuss in Fredenbeck.

Der Startschuss in Fredenbeck. Foto: Ahrens

Kreislandwirt Johann Knabbe stimmte die Teilnehmer noch einmal auf die Regeln ein: „Ohne Polizeibegleitung sind wir keine Kolonne.“ Die Traktoren müssen sich daher ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer an Ampeln und Co. halten. Knabbe wies noch einmal darauf hin, Lücken und Gassen für Rettungskräfte freizuhalten sowie auf Einsatzfahrzeuge zu achten. Aber er sagte auch: „Tempo 20, wir haben es nicht eilig.“

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Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein.

Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein. Foto: Ahrens

Finkenwerder: Einschränkungen im Pendlerverkehr zu Airbus

Den gleichen Plan wie die Bauern von der Geest verfolgten Hunderte Landwirte aus dem Landkreis. Der große Auftakt ihrer Protestwoche sollte auch diejenigen erreichen, die sonst nur wenige Berührungspunkte mit der Landwirtschaft haben. „Entschuldigung, aber sonst werden wir nicht gehört“, stand auf einigen Plakaten an den Traktoren. „Begrabt ihr die Bauern, begrabt ihr euch“, wurden andere Teilnehmer schon deutlicher.

Die ersten Gruppen sammelten sich um 4 Uhr an Treffpunkten im Alten Land. Es waren vorwiegend Obstbauern, die sich von dort zu besonders früher Stunde auf den Weg nach Hamburg machten. Ihr Plan: Über Finkenwerder bis in die Innenstadt vorzudringen, um dort auf ihre Probleme und Forderungen aufmerksam zu machen. Der erste Teil des Vorhabens scheiterte: Im Vorfeld war lediglich eine Sternfahrt über die B73 ab Neu Wulmstorf Richtung Hamburg angekündigt worden. Die Polizei leitete die Konvois der Altländer dahin um. Im Pendlerverkehr zum Airbus-Werk kam es in den frühen Morgenstunden trotzdem zu Beeinträchtigungen. Bis in die Hamburger Innenstadt schafften es die Obstbauern aus dem Kreis aber auch mit Umleitung.

Der Bauernprotest im Kreis Stade in Bildern

Foto: Florian Wiedenfeld

Der Kreisel in Stade-Ottenbeck samt Nebenstraßen sowie die Auffahrt zur A26 sind...
Der Kreisel in Stade-Ottenbeck samt Nebenstraßen sowie die Auffahrt zur A26 sind blockiert. Foto: Florian Wiedenfeld

Foto: Sulzyc

Traktoren rollen durch Buxtehude.
Traktoren rollen durch Buxtehude. Foto: Sulzyc

Foto: Ahrens

Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein.
Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein. Foto: Ahrens

Foto: Ahrens

Abfahrt in Fredenbeck.
Abfahrt in Fredenbeck. Foto: Ahrens

Foto: Vasel

Landwirte in Heinbockel.
Landwirte in Heinbockel. Foto: Vasel

Foto: Ahrens

Treckerkonvoi bricht von Harsefeld aus auf.
Treckerkonvoi bricht von Harsefeld aus auf. Foto: Ahrens

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Ein Treckerkonvoi unterwegs.
Ein Treckerkonvoi unterwegs. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Diese Kreuzung ist dicht.
Diese Kreuzung ist dicht. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Schon um 4 Uhr trafen die ersten Obstbauern wie Simon Ecks mit ihren Traktoren z...
Schon um 4 Uhr trafen die ersten Obstbauern wie Simon Ecks mit ihren Traktoren zu einem Treffpunkt in Neuenkirchen ein. Foto: Vasel

Foto: Vasel

"Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert", ist auf einem Plakat zu le...
"Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert", ist auf einem Plakat zu lesen. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Landwirte treffen sich vor der Abfahrt.
Landwirte treffen sich vor der Abfahrt. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Blick auf die blockierte A26-Abfahrt.
Blick auf die blockierte A26-Abfahrt. Foto: Vasel

Foto: Ahrens

Die Landfrauen hatten zur Unterstützung aufgerufen. Am Roten Platz in Harsefeld ...
Die Landfrauen hatten zur Unterstützung aufgerufen. Am Roten Platz in Harsefeld zeigten sie den vorbeifahrenden Landwirten mit einer Menschenkette, dass sie hinter ihnen stehen. Foto: Ahrens

Foto: Vasel

Altländer auf dem Weg durch den Hafen auf dem Weg in die Hamburger Innenstadt.
Altländer auf dem Weg durch den Hafen auf dem Weg in die Hamburger Innenstadt. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Kreisel in Buxtehude.
Kreisel in Buxtehude. Foto: Vasel

Foto: Bisping

Stade.
Stade. Foto: Bisping

Foto: Vasel

Stade.
Stade. Foto: Vasel

Foto: Hamann

Buxtehuder Straße zwischen A26 und Altländer Straße ist dicht.
Buxtehuder Straße zwischen A26 und Altländer Straße ist dicht. Foto: Hamann

Foto: Vasel

"Wird weiter so regiert, ist der Bauer ruiniert", ist auf einem Plakat zu lesen.
"Wird weiter so regiert, ist der Bauer ruiniert", ist auf einem Plakat zu lesen. Foto: Vasel

Foto: Ahrens

Landwirte bilden eine Gasse an der B73/B74-Kreuzung, um unter anderem Mitarbeite...
Landwirte bilden eine Gasse an der B73/B74-Kreuzung, um unter anderem Mitarbeiter des Elbe Klinikum passieren zu lassen. Foto: Ahrens

Foto: Vasel

Busse der KVG im Stau in der Gottlieb-Daimler-Straße in Ottenbeck.
Busse der KVG im Stau in der Gottlieb-Daimler-Straße in Ottenbeck. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Traktoren belegen zwei Fahrspuren.
Traktoren belegen zwei Fahrspuren. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Nichts geht mehr in Richtung Hamburg an der A26-Auffahrt in Stade-Ottenbeck.
Nichts geht mehr in Richtung Hamburg an der A26-Auffahrt in Stade-Ottenbeck. Foto: Vasel

Foto: Vasel

"Genug ist genug" skandiert ein Landwirt auf einem Plakat.
"Genug ist genug" skandiert ein Landwirt auf einem Plakat. Foto: Vasel

Foto: Ahrens

Kurze Lagesprechung am Pfingstmarktplatz in Neukloster.
Kurze Lagesprechung am Pfingstmarktplatz in Neukloster. Foto: Ahrens

Foto: Vasel

Ein Treckerkonvoi demonstriert kurz vor dem Airbus-Werk in Finkenwerder. Im Hint...
Ein Treckerkonvoi demonstriert kurz vor dem Airbus-Werk in Finkenwerder. Im Hintergrund das Este-Sperrwerk. Foto: Vasel

Foto: Vasel

Ein Peternwagen steht vor der A26-Auffahrt in Stade.
Ein Peternwagen steht vor der A26-Auffahrt in Stade. Foto: Vasel

„Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“

Der Auslöser für die lange angekündigten Demonstrationen waren die Sparpläne der Bundesregierung, von denen auch die Landwirte betroffen waren (Kfz-Steuer und Agrardiesel-Subventionen). Die Regierung nahm das zwar teilweise zurück - genügend Grund zum Protestieren sahen die Landwirte dennoch.

„Es ist nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt Claus Schliecker, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau in Niedersachsen. Teilaspekte wie Regelungen zu Pflanzenschutz oder fehlende Wertschätzung für die regionalen Produkte seitens des Lebensmitteleinzelhandels waren den Obstbauern in den vergangenen Jahren immer wieder sauer aufgestoßen.

„Wir fühlen uns von der Politik alleingelassen“, sagt der junge Obstbauer Simon Ecks. Obstbäume stehen 20 Jahre, erst nach 12 Jahren amortisierten sie sich. „Wir brauchen Planbarkeit bei Vorgaben“, sagt der Altländer. Er kritisiert, dass Bund und Land bei Pflanzenschutzauflagen allzu oft ideologisch handelten, statt wissenschaftliche Fakten zu akzeptieren.

Landfrauen zeigen sich mit Menschenkette solidarisch gegenüber den Landwirten

„Uns werden nur Steine in den Weg gelegt“, klagt auch Tim Jantz aus Drochtersen. „Ich bin eigentlich mal Bauer geworden, um mich um Vieh und Acker zu kümmern“, sagt der Hollenbecker Mathias Fitschen vom Kreisbauernverband. Jetzt verbringe er mindestens ein Drittel seiner Arbeitszeit am Schreibtisch. Was die Landwirte an den jüngsten Plänen der Regierung besonders ärgert: „Es wurde von heute auf morgen beschlossen, ohne groß zu fragen oder zu sprechen.“

Der Konvoi der Landwirte von der Geest fasste geschätzte 100 Fahrzeuge.

Der Konvoi der Landwirte von der Geest fasste geschätzte 100 Fahrzeuge. Foto: Ahrens

In Harsefeld und Ahlerstedt machten sich die Landwirte etwas später, um 8.30 Uhr, auf zum Protest. „Wir wollten allen Landwirten mit Vieh zumindest die Chance geben, mitzumachen“, sagt Fitschen. Die Chance wurde rege genutzt: Gut 100 Traktoren bildeten eine kilometerlange Schlange durch den Ort, bevor es in Neukloster auf die B73 bis Rade ging. Unterstützung gab es auf Höhe des Roten Platzes in Harsefeld von den Landfrauen. Mit einer Menschenkette zeigten sie sich den Landwirten gegenüber solidarisch. Unter ihnen: CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter. „Wenn sich junge Leute überlegen, ob sie die Höfe, die seit über 100 Jahren existieren, übernehmen, ist die Landwirtschaft am Ende“, sagt sie deutlich.

„Ampeln an Galgen, das verurteilen wir“

Butter bedauert, dass „Trittbrettfahrer“ den Protest der Landwirte für sich instrumentalisieren. Die teilnehmenden Landwirte hatten sich im Vorfeld und auch im Verlauf der Demo immer wieder von rechten Randalen und Übergriffen distanziert. „Landwirtschaft ist bunt“ stand in Regenbogenfarben an vielen Traktoren. „Es ist kein Gewinn für die Sache, wenn Randale gemacht wird“, sagt Mathias Fitschen. „Ampeln an Galgen, das verurteilen wir. Rechtsradikale dulden wir nicht in unseren Reihen“, sagt auch Schliecker, „wir stehen für Demokratie und Argumente.“

Die Landfrauen bildeten in Harsefeld eine Menschenkette.

Die Landfrauen bildeten in Harsefeld eine Menschenkette. Foto: Ahrens

Aufmerksamkeit für ihr Anliegen war den Landwirten am Montag sicher: In und um die Hansestadt Stade ging es zeitweise nicht vor und nicht zurück. Auch die B73 war, vor allem Richtung Hamburg, von massiven Beeinträchtigungen betroffen. Bis zum Abend blockierten die Protestierenden den Kreisel bei McDonald’s in Stade und damit auch die A-26-Auffahrt. Die Zufahrt auf die Kreuzung von B73 und B74 war in den Morgenstunden durch Traktoren versperrt, es staute sich über Stunden bis Wiepenkathen zurück. Auch die Elbfähre Wischhafen wurde blockiert, am Nachmittag konzentrierten sich die Bauern schließlich auf einen B-73-Abschnitt Richtung Himmelpforten. Auch durch die Buxtehuder und Stader Innenstadt fuhren Konvois.

Es waren aber nicht nur Traktoren, die für Einschränkungen auf den Straßen sorgten. Auch unzählige regionale Unternehmen hatten sich mit den Bauern solidarisiert und dem Protestzug angeschlossen. Bürger versorgten die Demonstranten mit Waffeln und Kuchen. „Letztendlich betrifft uns das ja alle“, kommentiert Christian Lammers. Er und elf seiner Mitarbeiter hatten sich mit Fahrzeugen des Unternehmens „Estrich Lammers“ einer Kolonne angeschlossen.

An der Kreuzung der Bundesstraßen staute es sich über den ganzen Tag.

An der Kreuzung der Bundesstraßen staute es sich über den ganzen Tag. Foto: Ahrens

Frank Jagla nahm mit den Mitarbeitern seiner Rohr- und Kanalreinigungsfirma ebenfalls teil, nur Notdienste wurden am Montag erledigt. Weitere Betriebe aus unterschiedlichsten Gewerken bremsten den Verkehr aus - und betonten als Gründe, dass auch sie unzufrieden mit der politischen und bürokratischen Entwicklung seien. Dazu zählt auch Pferdetrainerin Sarah Munter aus Engelschoff: „Jeder sollte sich fragen, ob er Schweinefleisch aus China oder Äpfel aus Neuseeland oder regionale Produkte essen will.“ Wer die Landwirtschaft schädige, verstärkte die ohnehin schon zu große Abhängigkeit von Importen. Es gelte, den deutschen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. „Wir produzieren nur 20 Prozent unseres Obstes selbst, soll es noch weniger werden?“, fragt Claus Schliecker rhetorisch.

„Es beteiligen sich alle Gewerke, weil einfach eine grundlegende Unzufriedenheit herrscht, nicht nur wegen Diesel oder Kfz-Steuer“, sagt Landwirt Steffen Tipke. Es sei ein Zeichen von Zusammenhalt und zeige, dass alle im gleichen Boot sitzen - und nun ihren Unmut gemeinsam zum Ausdruck bringen.

Steffen Tipke freute sich über den Zusammenhalt der Gewerke am Protesttag.

Steffen Tipke freute sich über den Zusammenhalt der Gewerke am Protesttag. Foto: Ahrens

Am Nachmittag fuhren Landwirte auch durch Buxtehude und protestierten in der Innenstadt.

Am Nachmittag fuhren Landwirte auch durch Buxtehude und protestierten in der Innenstadt. Foto: Sulzyc

„Wir fühlen uns von der Politik alleingelassen“, sagt der junge Obstbauer Simon Ecks.

„Wir fühlen uns von der Politik alleingelassen“, sagt der junge Obstbauer Simon Ecks. Foto: Vasel

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