TDemonstrationszug durch den Landkreis Stade: Landwirte legen den Verkehr lahm

Der Demonstrationszug auf dem Übergang von B73 und A26 in Stade Foto: Vasel
Die Aufmerksamkeit war ihnen sicher: Bei ihrer Demonstration am Montag legten Landwirte aus dem gesamten Landkreis die Hauptverkehrsstraßen in und um Stade bis nach Hamburg lahm. Wie lief der erste Tag der Aktionswoche? Und was sagen die Bauern selbst?
Landkreis. „Welcher Funkkanal?“ Diese letzte Frage musste am Montagmorgen um 6.30 Uhr noch geklärt werden, dann schwangen sich die Landwirte aus der Samtgemeinde Fredenbeck auf die Fahrersitze ihrer Traktoren. Etwa 50 von ihnen brachen noch vor Sonnenaufgang von der Stader Geest auf, um im gesamten Landkreis für Verkehrseinschränkungen zu sorgen.

Der Startschuss in Fredenbeck. Foto: Ahrens
Kreislandwirt Johann Knabbe stimmte die Teilnehmer noch einmal auf die Regeln ein: „Ohne Polizeibegleitung sind wir keine Kolonne.“ Die Traktoren müssen sich daher ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer an Ampeln und Co. halten. Knabbe wies noch einmal darauf hin, Lücken und Gassen für Rettungskräfte freizuhalten sowie auf Einsatzfahrzeuge zu achten. Aber er sagte auch: „Tempo 20, wir haben es nicht eilig.“
Kommentar
T Ohne Landwirte geht es nicht

Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein. Foto: Ahrens
Finkenwerder: Einschränkungen im Pendlerverkehr zu Airbus
Den gleichen Plan wie die Bauern von der Geest verfolgten Hunderte Landwirte aus dem Landkreis. Der große Auftakt ihrer Protestwoche sollte auch diejenigen erreichen, die sonst nur wenige Berührungspunkte mit der Landwirtschaft haben. „Entschuldigung, aber sonst werden wir nicht gehört“, stand auf einigen Plakaten an den Traktoren. „Begrabt ihr die Bauern, begrabt ihr euch“, wurden andere Teilnehmer schon deutlicher.
Die ersten Gruppen sammelten sich um 4 Uhr an Treffpunkten im Alten Land. Es waren vorwiegend Obstbauern, die sich von dort zu besonders früher Stunde auf den Weg nach Hamburg machten. Ihr Plan: Über Finkenwerder bis in die Innenstadt vorzudringen, um dort auf ihre Probleme und Forderungen aufmerksam zu machen. Der erste Teil des Vorhabens scheiterte: Im Vorfeld war lediglich eine Sternfahrt über die B73 ab Neu Wulmstorf Richtung Hamburg angekündigt worden. Die Polizei leitete die Konvois der Altländer dahin um. Im Pendlerverkehr zum Airbus-Werk kam es in den frühen Morgenstunden trotzdem zu Beeinträchtigungen. Bis in die Hamburger Innenstadt schafften es die Obstbauern aus dem Kreis aber auch mit Umleitung.
Der Bauernprotest im Kreis Stade in Bildern
„Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“
Der Auslöser für die lange angekündigten Demonstrationen waren die Sparpläne der Bundesregierung, von denen auch die Landwirte betroffen waren (Kfz-Steuer und Agrardiesel-Subventionen). Die Regierung nahm das zwar teilweise zurück - genügend Grund zum Protestieren sahen die Landwirte dennoch.
„Es ist nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt Claus Schliecker, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau in Niedersachsen. Teilaspekte wie Regelungen zu Pflanzenschutz oder fehlende Wertschätzung für die regionalen Produkte seitens des Lebensmitteleinzelhandels waren den Obstbauern in den vergangenen Jahren immer wieder sauer aufgestoßen.
„Wir fühlen uns von der Politik alleingelassen“, sagt der junge Obstbauer Simon Ecks. Obstbäume stehen 20 Jahre, erst nach 12 Jahren amortisierten sie sich. „Wir brauchen Planbarkeit bei Vorgaben“, sagt der Altländer. Er kritisiert, dass Bund und Land bei Pflanzenschutzauflagen allzu oft ideologisch handelten, statt wissenschaftliche Fakten zu akzeptieren.
Landfrauen zeigen sich mit Menschenkette solidarisch gegenüber den Landwirten
„Uns werden nur Steine in den Weg gelegt“, klagt auch Tim Jantz aus Drochtersen. „Ich bin eigentlich mal Bauer geworden, um mich um Vieh und Acker zu kümmern“, sagt der Hollenbecker Mathias Fitschen vom Kreisbauernverband. Jetzt verbringe er mindestens ein Drittel seiner Arbeitszeit am Schreibtisch. Was die Landwirte an den jüngsten Plänen der Regierung besonders ärgert: „Es wurde von heute auf morgen beschlossen, ohne groß zu fragen oder zu sprechen.“

Der Konvoi der Landwirte von der Geest fasste geschätzte 100 Fahrzeuge. Foto: Ahrens
In Harsefeld und Ahlerstedt machten sich die Landwirte etwas später, um 8.30 Uhr, auf zum Protest. „Wir wollten allen Landwirten mit Vieh zumindest die Chance geben, mitzumachen“, sagt Fitschen. Die Chance wurde rege genutzt: Gut 100 Traktoren bildeten eine kilometerlange Schlange durch den Ort, bevor es in Neukloster auf die B73 bis Rade ging. Unterstützung gab es auf Höhe des Roten Platzes in Harsefeld von den Landfrauen. Mit einer Menschenkette zeigten sie sich den Landwirten gegenüber solidarisch. Unter ihnen: CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter. „Wenn sich junge Leute überlegen, ob sie die Höfe, die seit über 100 Jahren existieren, übernehmen, ist die Landwirtschaft am Ende“, sagt sie deutlich.
„Ampeln an Galgen, das verurteilen wir“
Butter bedauert, dass „Trittbrettfahrer“ den Protest der Landwirte für sich instrumentalisieren. Die teilnehmenden Landwirte hatten sich im Vorfeld und auch im Verlauf der Demo immer wieder von rechten Randalen und Übergriffen distanziert. „Landwirtschaft ist bunt“ stand in Regenbogenfarben an vielen Traktoren. „Es ist kein Gewinn für die Sache, wenn Randale gemacht wird“, sagt Mathias Fitschen. „Ampeln an Galgen, das verurteilen wir. Rechtsradikale dulden wir nicht in unseren Reihen“, sagt auch Schliecker, „wir stehen für Demokratie und Argumente.“

Die Landfrauen bildeten in Harsefeld eine Menschenkette. Foto: Ahrens
Aufmerksamkeit für ihr Anliegen war den Landwirten am Montag sicher: In und um die Hansestadt Stade ging es zeitweise nicht vor und nicht zurück. Auch die B73 war, vor allem Richtung Hamburg, von massiven Beeinträchtigungen betroffen. Bis zum Abend blockierten die Protestierenden den Kreisel bei McDonald’s in Stade und damit auch die A-26-Auffahrt. Die Zufahrt auf die Kreuzung von B73 und B74 war in den Morgenstunden durch Traktoren versperrt, es staute sich über Stunden bis Wiepenkathen zurück. Auch die Elbfähre Wischhafen wurde blockiert, am Nachmittag konzentrierten sich die Bauern schließlich auf einen B-73-Abschnitt Richtung Himmelpforten. Auch durch die Buxtehuder und Stader Innenstadt fuhren Konvois.
Es waren aber nicht nur Traktoren, die für Einschränkungen auf den Straßen sorgten. Auch unzählige regionale Unternehmen hatten sich mit den Bauern solidarisiert und dem Protestzug angeschlossen. Bürger versorgten die Demonstranten mit Waffeln und Kuchen. „Letztendlich betrifft uns das ja alle“, kommentiert Christian Lammers. Er und elf seiner Mitarbeiter hatten sich mit Fahrzeugen des Unternehmens „Estrich Lammers“ einer Kolonne angeschlossen.

An der Kreuzung der Bundesstraßen staute es sich über den ganzen Tag. Foto: Ahrens
Frank Jagla nahm mit den Mitarbeitern seiner Rohr- und Kanalreinigungsfirma ebenfalls teil, nur Notdienste wurden am Montag erledigt. Weitere Betriebe aus unterschiedlichsten Gewerken bremsten den Verkehr aus - und betonten als Gründe, dass auch sie unzufrieden mit der politischen und bürokratischen Entwicklung seien. Dazu zählt auch Pferdetrainerin Sarah Munter aus Engelschoff: „Jeder sollte sich fragen, ob er Schweinefleisch aus China oder Äpfel aus Neuseeland oder regionale Produkte essen will.“ Wer die Landwirtschaft schädige, verstärkte die ohnehin schon zu große Abhängigkeit von Importen. Es gelte, den deutschen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. „Wir produzieren nur 20 Prozent unseres Obstes selbst, soll es noch weniger werden?“, fragt Claus Schliecker rhetorisch.
„Es beteiligen sich alle Gewerke, weil einfach eine grundlegende Unzufriedenheit herrscht, nicht nur wegen Diesel oder Kfz-Steuer“, sagt Landwirt Steffen Tipke. Es sei ein Zeichen von Zusammenhalt und zeige, dass alle im gleichen Boot sitzen - und nun ihren Unmut gemeinsam zum Ausdruck bringen.

Steffen Tipke freute sich über den Zusammenhalt der Gewerke am Protesttag. Foto: Ahrens

Am Nachmittag fuhren Landwirte auch durch Buxtehude und protestierten in der Innenstadt. Foto: Sulzyc

„Wir fühlen uns von der Politik alleingelassen“, sagt der junge Obstbauer Simon Ecks. Foto: Vasel