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Fußball-EM

TDie EM-Hoffnungen sind groß - Bei den Experten sind sie vorsichtig optimistisch

Niclas Füllkrug lässt sich für seinen späten Ausgleich gegen die Schweiz feiern. Die hiesigen Fußballexperten hätten ihn schon früher eingewechselt. Bei Antonio Rüdiger (re.) sahen sie einige Fehler.

Niclas Füllkrug lässt sich für seinen späten Ausgleich gegen die Schweiz feiern. Die hiesigen Fußballexperten hätten ihn schon früher eingewechselt. Bei Antonio Rüdiger (re.) sahen sie einige Fehler. Foto: Christian Charisius/dpa

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich bei der Heim-EM als Gruppensieger für das Achtelfinale qualifiziert. Mit den K.o.-Spielen nimmt die EM nun richtig Fahrt auf. Hat das Nationalteam überzeugt? Was ist noch möglich? Das sagen die Experten.

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Von Tim Scholz,
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Von Jan Bröhan
Donnerstag, 27.06.2024, 05:50 Uhr

Landkreis. Im Achtelfinale wartet nun Dänemark auf das deutsche Nationalteam. Danach könnte die DFB-Mannschaft auf die großen Favoriten Spanien (Viertelfinale) und Frankreich (Halbfinale) treffen. Die Heim-EM hat auf jeden Fall die erhoffte Euphorie in den Gastgeber-Städten erzeugt, die Stimmung in den Fanlagern ist ansteckend.

Der deutschen Nationalmannschaft wird plötzlich viel zugetraut. Ist die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann wirklich so stark? Ist die gute Stimmung berechtigt? Die Fußballexperten aus dem Landkreis haben sich größtenteils auch anstecken lassen, sind aber nur vorsichtig optimistisch und üben auch Kritik.

Björn Stobbe, Trainer der VSV Hedendorf/Neukloster

Björn Stobbe von den VSV Hedendorf/Neukloster.

Björn Stobbe von den VSV Hedendorf/Neukloster. Foto: FuPa

„Wenn ich ehrlich bin, hatte ich lange Zeit keine Lust, mir die Deutschen anzuschauen. Aber unter Nagelsmann ist der Spaß zurückgekehrt“, sagt Stobbe. „Die Jungs spielen wieder mit Herzblut. Ich fühle mich gut unterhalten.“

Das liegt auch an den Auftritten bei der EM, auch wenn sich die DFB-Elf im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz schwer tat. „Die Mannschaft hat oft versucht, mit kurzen Pässen und direktem Spiel durch die Mitte zu kommen.“ Das sei aber gegen aggressiv verteidigende Mannschaften nicht immer das beste Mittel. „Ich denke, man muss einen guten Mix finden und auch mehr über die Flügel kommen“, sagt Stobbe.

Wie es für Deutschland weitergeht: „Jeder Gegner in der K.o.-Runde ist eine harte Nuss. Dänemark ist genauso anspruchsvoll wie Spanien oder Frankreich.“ Und der Titelfavorit: „Man wird mich vielleicht auslachen, aber seit Dienstag ist Österreich mein absoluter Geheimfavorit. Österreich gegen Deutschland wäre doch ein Traumfinale.“

Filippo Callerame, Trainer des Deinster SV

Filippo Callerame vom Deinster SV.

Filippo Callerame vom Deinster SV. Foto: FuPa

Callerame ist von den bisherigen Leistungen der Deutschen überzeugt. „Gerade wenn die Mannschaft wie gegen Schottland und Ungarn freie Räume hat, sieht das spielerisch gut aus“, sagt er. Gegen die Schweiz habe man aber gesehen, was passiere, wenn man Kroos, Gündogan und Musiala wenig Raum gebe: „Dann hat Deutschland Probleme im Spielaufbau.“ Dass die DFB-Elf Gruppensieger geworden ist, überrascht ihn nicht.

Nun werde sich gegen die Topteams zeigen, was die Mannschaft drauf habe. Gespannt blickt Callerame daher auf den Turnierbaum. Sollte Deutschland im Viertelfinale auf Spanien treffen, rechnet er mit dem Aus. Ohnehin seien die spielstarken Spanier sein Titelfavorit. „Frankreich, Italien und England waren dagegen total enttäuschend“, sagt Calleramo, dessen Eltern aus Italien stammen. „Italiens Spiel nach vorne ist viel zu behäbig.“

Und was hält er von den Österreichern? „Sie haben mit Ralf Rangnick einen sehr guten Trainer und im Moment einen sehr guten Lauf“, sagt Callerame. „Österreich zählt für mich zu den Favoriten.“

Niels Gramkow, sportlicher Leiter des VfL Güldenstern Stade

Niels Gramkow vom VfL Güldenstern Stade.

Niels Gramkow vom VfL Güldenstern Stade. Foto: FuPa

„Nach den letzten beiden Testspielen habe ich Bock auf die EM bekommen“, sagt Gramkow, und mittlerweile sei auch eine gewisse Euphorie entstanden. Ihn habe die DFB-Mannschaft in der Gruppenphase „fußballerisch relativ“ überzeugt. Allgemein seien die Siege übertrieben gut bewertet worden, und das Remis gegen die Schweiz eher zu kritisch, befindet Gramkow.

Es sei zwar eine Floskel, aber nur mit einer 100-prozentigen Einstellung könnten die Deutschen nun gegen Dänemark bestehen. „Wenn sie dann mit einer guten Leistung überzeugend gewinnen - dann ist danach viel möglich“, so Gramkow. Er habe das Gefühl, dass die Lücke zu den Großen wie Spanien und Frankreich nicht mehr so groß ist. „Nagelsmann macht gute Arbeit“, urteilt Gramkow.

Sören Behrmann, Sportdirektor der SV Drochtersen/Assel

Sören Behrmann von der SV Drochtersen/Assel.

Sören Behrmann von der SV Drochtersen/Assel. Foto: FuPa

Durch das Public Viewing im Kehdinger Stadion war er schnell im Fußball-Fieber bei der EM, sagt Behrmann. Die Nationalmannschaft hat mit den ersten beiden „guten Spielen“ dazu beigetragen.

Dass den Deutschen in dem „sehr schwierigen Spiel“ gegen die Schweiz noch der Lucky Punch gelungen ist, sei „sehr wichtig“ gewesen, sagt Behrmann. Was ihn störte: Torschütze Füllkrug hätte frühzeitiger eingewechselt werden müssen, weil Haverts gar nicht im Spiel gewesen sei.

Seine Cousine lebt in Dänemark, daher weiß Behrmann, wie groß auch dort die Euphorie ist. Die Dänen seien sehr optimistisch vor dem Duell mit Deutschland. „Ich hoffe aber, dass für Deutschland noch viel möglich ist - auch gegen Spanien“, sagt Behrmann. Das Team harmoniere. Das Halbfinale müsse mindestens das Ziel sein.

Oliver Ioannou, Trainer der Regionalliga-Mannschaft von D/A

Oliver Ioannou von der SV Drochtersen/Assel.

Oliver Ioannou von der SV Drochtersen/Assel. Foto: FuPa

Die Vorfreude auf die EM war bei Ioannou immer da, weil er viel internationalen Fußball verfolgen kann. „Und die Euphorie im Land ist auch da, das ist schön anzuschauen“, sagt er. Die Auftritte der Nationalmannschaft hat er „überwiegend positiv“ betrachtet - aber nicht euphorisch. „Wie verwundbar sie ist, hat man gegen die Schweiz gesehen“, sagt Ioannou.

Hätte die Schweiz mehr Qualität im Umschaltspiel gehabt, hätte Deutschland verloren. „Dann wäre die Stimmung nun eine ganz andere“, so der D/A-Trainer. Der Warnschuss sei aber gut gewesen, denn ab sofort werde jedes Spiel ganz eng. So auch gegen Dänemark. „Das ist eine eingespielte Einheit mit individueller Klasse“, denkt Ioannou. Sollte Deutschland ausscheiden - „dann ist die EM hin“.

Ioannou hätte sich zwei, drei Auswechslungen in der Startelf beim DFB gegen die Schweiz gewünscht. Die Spanier haben mit ihrer Rotation alle Spieler mitgenommen und insgesamt „einen super Eindruck hinterlassen“. Ioannous Hoffnung: Den Deutschen könnte es gut tun, wenn sie gegen Gegner spielen, die selbst das Spiel machen wollen.

Bernhard Augustin, ehemaliger DFB-Stützpunktkoordinator aus Stade

Bernhard Augustin, ehemaliger DFB-Stützpunktkoordinator aus Stade.

Bernhard Augustin, ehemaliger DFB-Stützpunktkoordinator aus Stade. Foto: privat

Augustin ist etwas zwiespältig, was die EM fußballtechnisch betrifft. Turnierbedingt seien ihn viele Gruppenspiele zu taktisch geprägt gewesen. „Ich habe aber auch interessante Spiele gesehen, die Spaß gemacht haben.“ Bei den Deutschen seien gute Aktionen dabei gewesen. Aber: „Wir sind zu konteranfällig“, sagt Augustin. Rüdiger habe gegen die Schweiz auch zu viele Fehler gemacht.

Alle Achtung habe er vor den Spaniern mit ihren jungen, dynamischen Spielern. Frankreich sei bisher bedächtig. „Aber wenn sie Gas geben, sieht man, wie stark sie sind.“ Vor dem Achtelfinale gegen Dänemark sei nicht zu unterschätzen, wie viel internationale Klasse in dem Team stecke.

„Das Halbfinale ist Pflicht“, sagt Augustin. „Mit den Spaniern müssen wir uns messen, das sollte ein 50:50-Spiel sein.“

Nico Matern, neuer Trainer des TuS Harsefeld

Nico Matern vom TuS Harsefeld.

Nico Matern vom TuS Harsefeld. Foto: FuPa

„Ich war nicht in EM-Stimmung“, sagt er. Dann kam das Eröffnungsspiel und mittlerweile freue er sich über fast jedes Spiel. „Ich gucke viel.“ Die bisherigen Deutschland-Auftritte beurteilt Matern nüchtern. Gegen die Schotten sei es zu leicht gewesen. Gegen Ungarn hätte Deutschland auch in Rückstand geraten können. Gegen die Schweiz habe man gesehen, dass es an Durchschlagskraft fehlt. Das Spielsystem müsse variantenreicher werden.

Matern glaubt aber, dass Deutschland gegen Dänemark relativ souverän gewinnt. Gegen Spanien ist er gespannt, ob die jungen, gelobten Überflieger auch in so einem K.o.-Spiel auf dem Punkt da sind.

Insgesamt habe er weiterhin ein so gutes Gefühl wie vor der EM und glaubt weiter an seine Finalprognose. „Ich glaube, dass es Deutschland ins Finale schafft“, sagt Matern. Gegner wird für ihn weiterhin England sein, trotz der bisher schlechten Darbietungen.

Die Fans von Dänemark sind vor dem Achtelfinale gegen deutschland optimistisch.

Die Fans von Dänemark sind vor dem Achtelfinale gegen deutschland optimistisch. Foto: Sven Hoppe/dpa

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