TDiskussion um die Angst auf dem Pferdemarkt und die Mittel dagegen

Trinker an ihrem Stammplatz unter den Kastanien am Zeughaus. Foto: Anping Richter
Der Bericht über den „Angstraum Pferdemarkt“ hat ein starkes Echo ausgelöst. Viele Leser bestätigen: Das Gefühl der Unsicherheit hat zugenommen. Hier ein Blick auf offen gebliebene Fragen und Verbesserungsvorschläge.
Stade. Das Wort „Angstraum“ bezeichnet in der Soziologie einen Ort im öffentlichen Raum, an dem viele Menschen sich nicht sicher fühlen, oft wegen als bedrohlich wahrgenommener Personengruppen. Was den Pferdemarkt angeht, hat die SPD dieses Wort offenbar treffend gewählt, wie der großen Mehrheit der Zuschriften und Kommentare in den sozialen Medien zum TAGEBLATT-Bericht zu entnehmen ist.
So äußert Anna Lewe auf Facebook: „Sicher fühlt man sich da schon lange nicht mehr.“ Sie meide Stadt und Bahnhof, sofern es ihr möglich sei. Cathrin Ahlf sagt, sie fühle sich unwohl, wenn sie vom Parkhaus zum Pferdemarkt laufe. Das gelte auch für ihre Kinder, und zwar schon am Nachmittag. Es gibt auch andere Stimmen: Heinrich von Stade hat nicht den Eindruck, es sei gefährlicher geworden: „Auch als ich in Stade aufwuchs, gab es Gewalt und Kriminalität.“ Aus seiner Sicht nehmen irrationale Ängste zu: „Geben wir uns ihnen hin, wird unsere Welt/Freiheit immer kleiner und enger.“
Melli Aldag entgegnet, der Eindruck ändere sich schnell, wenn man real überfallen werde: „Pauschalisieren halte ich nicht für angebracht. Das kommt einer Ohrfeige gleich für alle, deren Ängste durch reale Erfahrungen bedingt sind.“ Susanne Merdanaj sagt: „Ich finde es traurig, dass man sich gerade als Frau nicht mehr abends sicher fühlt an den besagten Orten.“
Differenzierter Blick auf die Probleme statt Populismus
Auf Anmerkungen, dass Menschen nichtdeutscher Herkunft als bedrohlich wahrgenommen werden, antwortet Jan Gericke auf Facebook: „Es geht um einen differenzierten Blick auf die Probleme und nicht um populistisches Draufhauen auf Menschen mit Migrationsgeschichte. Diese Gruppen bestehen oftmals aus jungen Männern mit geringem Bildungshintergrund - und ja, diese Gruppe ist unter Geflüchteten stark überrepräsentiert, aber eben nicht allein.
Die Trinkerszene am Pferdemarkt gehört zum Beispiel nicht dazu.“ Viele wünschen sich Überwachungskameras. Doch wie die Polizei erklärt, gibt es für deren Einsatz im öffentlichen Raum hohe Hürden. Zulässig ist er nur an Kriminalitäts-Hotspots. Das ist der Pferdemarkt der Statistik nach nicht. Heinrich von Stade sieht das ohnehin kritisch: „Überwachung erhöht nicht die Sicherheit, Überwachung erhöht die Überwachung. Das alles zum Preis der vielen negativen Folgen durch die Beobachtung, wie zum Beispiel Verhaltensänderung, -anpassung und weniger Zivilcourage.“ Hannah Oltmann erinnert daran, dass Kameras ausgewertet und überwacht werden müssen. Sie zieht Polizei vor Ort vor, denn dann sei Hilfe präsent.

Kleine Flaschen mit 40-prozentigem Magenbitter stehen und liegen am Stammplatz der Trinker vor dem Zeughaus häufig herum. Foto: Anping Richter
Mehr Polizeipräsenz gewünscht
Der Ruf nach mehr Polizeipräsenz ist vielfach zu lesen. Polizeipressesprecher Rainer Bohmbach merkt an, dass die Personalkapazitäten begrenzt sind: „Wenn wir den Freiraum haben, fahren wir mehr Streife und versuchen, besonders in der kritischen Zeit von 18 bis 20 Uhr mehr Präsenz vor Ort zu zeigen.“ Leser Hans-Joachim Rösler schreibt dazu: Die Statistik zu bemühen sei unredlich, da ganz sicher sehr viele Pöbeleien, Bedrohungen und so weiter nicht angezeigt würden. Die Stader Polizei sei aus seiner Sicht eine „Anrufpolizei“ und nicht ausreichend im Stadtbild präsent: „Die fahren mit geschlossenen Fenstern Streife.“ Rösler war bis 2007 Vorsitzender des Aktuellen Stade und Mitglied des Kriminalpräventionsrats Stade (KPRS). „Gibt es den überhaupt noch?“, fragt er. Ja, sagt Stephan Voigt, Pressesprecher der Hansestadt Stade, auf Nachfrage. Der KPRS habe sich vor einigen Jahren neu konstituiert, wegen Corona aber längere Zeit nicht getroffen. Zurzeit werde in Workshops daran gearbeitet, sich inhaltlich neu aufzustellen.
Stader Innenstadt
T Angstraum Pferdemarkt: Was ist dran an der gefühlten Unsicherheit?
Vor- und Nachteile eines Alkoholverbots
Eine Verbotszone für Alkohol schlägt Jan Gericke vor. Tobias Archut findet das ungerecht, wenn es nicht für Kneipen und Restaurants und somit nur für die gilt, die sich diese nicht leisten können, nämlich für Arme: „Entweder hat jeder das Recht, in der Innenstadt Alkohol zu trinken oder keiner.“ Jan Gericke schlägt auch vor, die App SafeNow zu nutzen, die es für den Hamburger Hauptbahnhof gibt: Statt zu telefonieren können Nutzer per Button auf dem Smartphone einen Hilferuf auslösen. Der Alarm erreicht direkt das Sicherheitspersonal. Wie einige befragte Geschäftsleute am Pferdemarkt bemängelt Gericke den Zustand des Zeughauses, das „seit Jahren mit abplatzender Farbe“ verfalle. Es gehört der Sparkasse Stade-Altes Land. Abteilungsleiter Henrik Klinger sagt auf Nachfrage: „Der Zustand der Außenfassade ist uns bewusst und eine Sanierungsmaßnahme in Planung. Dabei sind Aspekte des Denkmalschutzes zu berücksichtigen.“