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Justiz

TDubioser Autoverkauf in Stade eskaliert und endet vor dem Landgericht

Einer der vor dem Landgericht Stade Angeklagten kaufte einen 750er BMW, der kurz nach dem Deal einen Motorschaden erlitt.

Einer der vor dem Landgericht Stade Angeklagten kaufte einen 750er BMW, der kurz nach dem Deal einen Motorschaden erlitt. Foto: Friso Gentsch/dpa

Besonders schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung und räuberischer Angriff: Die Vorwürfe gegen die vier Angeklagten waren nicht ohne. Das Urteil fiel dennoch milde aus.

Von Franziska Felsch Freitag, 20.06.2025, 05:50 Uhr

Stade. Der Grund, warum die vier Angeklagten - eine Frau und drei Männer im Alter von 24, 32, 35 und 37 Jahren - mit Geldstrafen davonkamen: Für die Vorwürfe - gemeinschaftliche besonders schwere räuberische Erpressung, Freiheitsberaubung und räuberischer Angriff - fehlten letztendlich die Beweise.

Fakt ist: Der Verkäufer, einer der Zeugen, inserierte einen 750er BMW im Internet. Auf seine Anzeige meldete sich einer der Angeklagten. Man traf sich am 22. Dezember 2022 um 23.30 Uhr an der Bremervörder Straße in Stade. Der Käufer handelte den Preis von 11.700 Euro auf 9500 Euro runter. Dafür gab es aber keinen Vertrag und keine Bestätigung, dass das Fahrzeug ohne Mängel sei - was ihm laut der Vorsitzenden der 3. Großen Strafkammer am Landgericht Stade, Richterin Kröger, hätte verdächtig vorkommen müssen.

Auf dem Weg nach Bremen blieb der BMW wegen Motorschadens liegen und musste abgeschleppt werden. Der Käufer versuchte daraufhin mehrmals, den Verkäufer über die in der Anzeige angegebene Handynummer zu erreichen - vergeblich. Darum griffen die vier Angeklagten - alle miteinander verwandt - zu einer List, wie es die Staatsanwaltschaft formulierte. Unter dem Vorwand, einen Pkw kaufen zu wollen, vereinbarten sie mit dem Verkäufer einen Termin spätabends am 24. Dezember auf einem Parkplatz. Dort ging es dann lautstark zur Sache.

Geschädigte haben keine Anzeige erstattet

„Wir wissen, dass das Gespräch nicht ruhig, sondern aggressiv war, sonst hätten Anwohner nicht die Polizei gerufen“, so Richterin Kröger. Die Wut sei verständlich, ihre Mandanten waren betrogen worden, erklärten die Anwälte. „Was aber nicht dazu führen darf, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen“, entgegnete die Richterin. Wie die Angeklagten aber letztendlich versuchten, die Kaufsumme zurückzubekommen, konnte im Prozess nicht geklärt werden. Die Gelegenheit, Anzeige zu erstatten, hatten sie jedenfalls nicht genutzt.

Am ersten Verhandlungstag hieß es: Zwei der Angeklagten, die am Heiligabend am Treffpunkt geblieben sind, sollen mit dem Mann und dessen Lebensgefährtin in Streit geraten sein. Die Streife, die von einem Anwohner gerufen worden war, rückte unverrichteter Dinge wieder ab, weil die Gruppe einstimmig aussagte, es sei keine Hilfe erforderlich. Als die Beamten weg waren, hätten die Angeklagten das Portemonnaie und die Handys des Verkäufers einkassiert und ihn mit dem Tod bedroht. Auch war davon die Rede, dass Zeugen entführt und zur Beschaffung von Geld genötigt worden waren.

Verteidiger: „Räuberpistolen“ und „erfundene Geschichten“

In den Augen der Anwälte gab es hier viele Ungereimtheiten. Sie sprachen von „abenteuerlichen, widersprüchlichen Aussagen der Zeugen“ und plädierten für Freispruch. Von „Räuberpistolen“ und „erfundenen Geschichten“ war die Rede und von unverschämtem Verhalten in den Verhandlungen, was dazu führe, dass man den Zeugen nicht glauben könne.

„Es gibt Dinge, die kann man so oder so sehen“, begründete die Vorsitzende der 3. Großen Strafkammer das Urteil, das auf „versuchte Nötigung“ lautete. Gemeint war damit das gemeinsame Auftreten der Angeklagten, das schon Angst erzeugen könne. Drohungen konnten teilweise durch einen Chatverlauf sichergestellt werden.

Sollte der Verkäufer entführt werden?

Ob der gefundene Baseballschläger wirklich eingesetzt worden war, dafür fehlten die Beweise. Ebenso wie für eine Bedrohung mit der Faust. Und welche Rolle spielte der Transporter, der auf dem Parkplatz stand? Sollte der Verkäufer damit wirklich entführt werden? All das gehört zu den Ungereimtheiten des Falls.

Ins Gefängnis müssen die vier Angeklagten, von denen zwei Vorstrafen haben, nicht. Ihnen wurden - bezogen auf ihre finanziellen Verhältnisse - unterschiedlich hohe Geldstrafen auferlegt sowie die Kosten des Verfahrens.

„Ich hoffe, Sie haben verstanden, dass Sie sehr, sehr knapp an einer Freiheitsstrafe vorbeigekommen sind“, mahnte Richterin Kröger, die die Taten „verwerflich“ fand. Und: „Denken Sie mal darüber nach, ob es sich wirklich lohnt, für 9500 Euro mehrere Jahre Gefängnis zu riskieren, was zur Folge hätte, dass Ihre Kinder in staatliche Obhut gekommen wären.“

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