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TVorwurf: Finanzamt übt bei Grundsteuer-Einspruch Druck aus

Neue Grundsteuerbeträge werden erst von 2025 an erhoben. Mit Erhalt erster Bescheide ist keine Zahlungsaufforderung verbunden.

Neue Grundsteuerbeträge werden erst von 2025 an erhoben. Mit Erhalt erster Bescheide ist keine Zahlungsaufforderung verbunden. Foto: dpa-Bildfunk

Wie viel Grundsteuer fällt im nächsten Jahr an? Das wissen viele Hausbesitzer und Betriebe drei Monate vor Ablauf noch nicht. Post vom Finanzamt gibt es dagegen schon. Die Verbände schäumen.

Von Redaktion Dienstag, 08.10.2024, 05:35 Uhr

Berlin/Landkreis. Eigentümerverband: „Staatsversagen“ bei Grundsteuer-Reform

In wenigen Monaten gilt eine neue Grundsteuer-Berechnung - doch der Großteil der Immobilienbesitzer weiß laut Eigentümerverband Haus und Grund noch immer nicht, wie teuer es wird. Verbandspräsident Kai Warnecke sagte der „Bild am Sonntag“: „Rund 90 Prozent der Haushalte wissen noch nicht, wie viel Grundsteuer sie im nächsten Jahr zahlen müssen. Das ist absurd und echtes Staatsversagen, schließlich hatte der Staat fast sechs Jahre Zeit für die Reform.“

Warnecke warnte, Millionen Haushalte müssten mit deutlich höheren Kosten rechnen. Angesichts der leeren kommunalen Kassen könnten die Kommunen stärker zulangen. Die Zusatzbelastung könne sogar bei mehr als 1000 Euro im Jahr liegen.

Vom Land Niedersachsen heißt es dazu stets, dass die Hebesätze fair geändert würden. Fair bedeutet, dass mit diesen Hebesätzen die Grundsteuer in Summe in der jeweiligen Kommune nicht steigen würde. Die fairen Hebesätze dienen als Empfehlung für Städte und Gemeinden.

Zahlreiche Einsprüche gegen Grundsteuer

Im Streit um die neue Grundsteuer erhalten Eigentümer in Niedersachsen Unterstützung. Das Landesamt für Steuern gab im September eine Allgemeinverfügung zur Vereinfachung von Einspruchsverfahren gegen Bescheide über die Grundsteueräquivalenz- und Grundsteuermessbeträge heraus. Der Bund der Steuerzahler (Bdst) weist jedoch darauf hin, dass Steuerzahler dennoch weiterhin selbst aktiv werden müssen.

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 fasste der Gesetzgeber die Vorschriften über die Grundsteuer neu und räumte den Ländern die Möglichkeit ein, eigene Grundsteuergesetze zu erlassen. Niedersachsen hat von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und mit dem „Flächen-Lage-Modell“ ein eigenes Modell eingeführt.

Auch gegen Bescheide aus Niedersachsen legten zahlreiche Eigentümer Einspruch ein, weil sie Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Flächen-Lage-Modells haben. Beim Finanzgericht Niedersachsen ist hierzu ein Musterverfahren anhängig (Az.: 1K38/24 ).

„In den vergangenen Monaten wandten sich viele Steuerzahler an uns, die Post von ihrem zuständigen Finanzamt mit der Aufforderung erhalten hatten, ihren Einspruch zurückzunehmen. Anderenfalls werde man den Einspruch als unbegründet zurückweisen“, berichtet BdSt-Referentin Claudia Daube. „Diesen Einspruchsführern kommt das Landesamt für Steuern mit der Allgemeinverfügung nun zu Hilfe“.

Allein im Landkreis Stade gibt es 100.000 Grundstücke, die veranlagt werden müssen.

Einspruchverfahren: Was Eigentümer wissen müssen

Mit der Allgemeinverfügung weist das Landesamt für Steuern die Niedersächsischen Finanzämter an, dass bereits anhängige und zukünftige Einspruchsverfahren gegen Bescheide über die Grundsteueräquivalenzbeträge und damit verbundene Einsprüche gegen Bescheide über den Grundsteuermessbetrag bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in dem Verfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht ruhen sollen. Von der Anordnung sind allerdings nur Einsprüche umfasst, die mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes begründet worden sind.

„Mit der Anordnung des Ruhens der individuellen Einspruchsverfahren ist noch keine inhaltliche Entscheidung über den Ausgang dieser Verfahren getroffen. Folge der Allgemeinverfügung ist lediglich, dass individuelle Einspruchsverfahren bis zum Abschluss des Musterprozesses vor dem Niedersächsischen Finanzgericht nicht weiter betrieben werden“, erklärt Daube. Diese Allgemeinverfügung sei sehr zu begrüßen, weil dadurch unnötiger Aufwand sowohl bei den Finanzämtern als auch den Steuerzahlern vermieden wird.

Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine der größten Einnahmequellen. Ihre Höhe hängt nicht nur vom Grundstück und vom Gebäude ab, sondern erheblich vom Wohnort. Denn letztlich bestimmt der kommunale Hebesatz, wie viel man zahlt. Für gleich bewertete Häuser können in der einen Kommune 100, in der anderen rund 1000 Euro Grundsteuer im Jahr fällig werden.

Grundsteuerwert anfechten: Lohnt sich der Aufwand?

Der Bund der Steuerzahler empfiehlt nur jenen Eigentümern aktiv zu werden, die ohnehin bereits entsprechende Dokumente vorliegen haben, aus denen ein geringerer Immobilienwert hervorgeht als im Grundsteuerwertbescheid ausgewiesen. Der Grund: Ein einfaches Immobiliengutachten reicht dafür nicht aus. Vielmehr ist von einem Sachverständigen ein sogenanntes Verkehrswertgutachten einzuholen, das entsprechend teuer sein kann.

Alternativ können laut Bund der Steuerzahler auch Kaufverträge samt Kaufpreis als Nachweis herangezogen werden. Das geht aber nur dann, wenn diese innerhalb eines Jahres vor oder nach dem 1. Januar 2022 geschlossen worden sind.

Zwei Dinge sind für das Vorgehen Voraussetzung: Zum einen darf der Grundsteuerwertbescheid noch nicht bestandskräftig sein. Dafür muss er entweder bereits durch einen Einspruch offengehalten worden sein. Oder der Einspruch muss noch möglich sein - der Zugang des Dokuments darf also höchstens vier Wochen zurückliegen. Zum anderen muss der vom Finanzamt angenommene Grundsteuerwert um mindestens 40 Prozent über dem nachgewiesenen Wert in dem Gutachten oder Kaufvertrag liegen.

Ist der Grundsteuerwertbescheid bereits bestandskräftig, muss die Abweichung laut dem Bund der Steuerzahler mehr als 15.000 Euro betragen, damit das Finanzamt eine Neuberechnung durchführen kann.

Diese Bundesländer machen Grundsteuer-Hebesätze transparent

Wie viel Grundsteuer Hausbesitzer ab dem kommenden Jahr wahrscheinlich zahlen müssen, kann in einigen Bundesländern bereits jetzt aus Transparenzregistern abgeleitet werden. Darauf weist das Ratgeberportal „Finanztip“ hin.

Entscheidender Faktor in der Formel ist der Hebesatz, der sich wegen der Grundsteuerreform fast überall ändert. Im Netz sind inzwischen die sogenannten fairen Hebesätze von Berlin, Bremen, Hamburg, Sachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und dem Saarland zu finden.

In Niedersachsen lässt die Veröffentlichung noch auf sich warten.

  • Formel für Grundsteuer-Berechnung

Zusammen mit dem Grundsteuermessbetrag, den Eigentümer in den Flächenländern bereits erhalten haben sollten, lässt sich die faire Grundsteuer mit dieser Formel berechnen: Grundsteuermessbetrag mal fairer Hebesatz, geteilt durch 100. Beispielrechnung: Beträgt der Grundsteuermessbetrag 122 Euro und der faire Hebesatz 500 Prozent, läge die faire Grundsteuer von nächstem Jahr an bei 610 Euro.

Neue Grundsteuer verunsichert Firmen – IHK warnt vor Anstieg

Die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) warnt ebenfalls vor Unsicherheiten und drohenden Mehrbelastungen durch Grundsteuerreform zum Jahreswechsel. Bisher könne fast keine Kommune endgültige Steuersätze für 2025 nennen, teilte die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) mit. Das habe eine Umfrage der Kammer unter Städten und Gemeinden gezeigt.

„Im Ergebnis können aktuell“, drei Monate vor Inkrafttreten der neuen Grundsteuerreform, „die Hebesätze für das Jahr 2025 in den allermeisten Gemeinden noch nicht benannt werden“, kritisierte IHKN-Präsident Matthias Kohlmann. Das sorge für Unsicherheit in den Betrieben. Hier müsse nun schnell für Transparenz gesorgt werden. Die IHK schlägt vor, nach dem Vorbild anderer Bundesländer ein zentrales Internetportal einzurichten, auf dem die neuen Hebesätze veröffentlicht werden.

IHK befürchtet Steuererhöhung

Zugleich warnte Kohlmann davor, die Reform, die eigentlich aufkommensneutral sein sollte, könnte zum Kostentreiber für Unternehmen und Bürger werden. „Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist eindeutig und lässt befürchten, dass das vonseiten der Regierung formulierte Ziel einer aufkommensneutralen Reform verfehlt wird.“ Laut IHKN hatten 2023 und 2024 jeweils mehr als 20 Prozent der Kommunen in Niedersachsen ihre Hebesätze für die Grundsteuer B erhöht. (dpa/tip)

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