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Strom & Gas

Energiepreisbremsen vor Verlängerung: Wie welche Haushalte profitieren

Die Gas- und Strompreisbremse soll bis April 2024 verlängert werden.

Die Gas- und Strompreisbremse soll bis April 2024 verlängert werden. Foto: Reinhardt/Pleul/Charisius/dpa/dpa-tmn

Die Ampel-Regierung hat weitere Maßnahmen zur Entlastung beschlossen. Doch es gibt Kritik: Tatsächlich werden Verbraucher stärker belastet. Der nächste Preisschub ist absehbar.

Von Redaktion Mittwoch, 01.11.2023, 16:00 Uhr

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Berlin. Mit zwei Maßnahmen will die Bundesregierung Haushalte bei den Energiepreisen entlasten. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch zum einen eine gesetzliche Änderung auf den Weg, um mit einem Milliardenzuschuss zu Netzentgelten die Strompreise zu dämpfen.

Zum anderen beschloss das Kabinett eine Verordnung, um die Gas- und Strompreisbremse bis Ende April 2024 zu verlängern. Die EU-Kommission muss dem noch zustimmen.

Ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem Beschluss auf Vorrat. Das Ministerium sei in intensiven Gespräche mit der EU-Kommission, um das Verfahren so schnell wie möglich voranzubringen.

Preisbremsen sollen verlängert werden

Gas- und Strompreisbremse sind bisher bis Ende Dezember 2023 befristet. Die Maßnahmen können durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages bis 30. April 2024 verlängert werden. In der Verordnung heißt es, die Energiekrise sei dank unterschiedlicher Maßnahmen der Bundesregierung abgeflaut, die Lage auf den Energiemärkten habe sich seit dem vergangenen Winter stabilisiert. Es könnten aber nach wie vor unerwartete Risiken entstehen, heißt es mit Blick vor allem auf den andauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Energiepreispremsen: Verpufft die Verlängerung?

Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sagte, die Ampel stelle die Verlängerung der Energiepreisbremse ins Schaufenster und erhöhe im selben Winter die Energiekosten durch vorzeitige Rückkehr zur erhöhten Mehrwertsteuer. Die Steuersenkung auf Gas soll nach Plänen der Regierung drei Monate früher als geplant schon zum Jahreswechsel auslaufen. „Bei vielen Verbrauchern wird die Bremse wohl nicht greifen, die höhere Mehrwertsteuer aber ganz sicher“, sagte Jung. „Unterm Strich ist das damit mehr Preiserhöhung als Preisbremse.“

Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox würden Haushalte im Schnitt kaum von einer Verlängerung der Energiepreisbremsen profitieren, weil zugleich zum Jahreswechsel wieder der volle Mehrwertsteuersatz auf Gas fällig werden soll.

Heizenergie: Höchste Steigerungen bei Strom und Fernwärme

Verbraucher müssen weiterhin viel Geld für Haushaltsenergie aufwenden. Wärme und elektrischer Strom sind deutlich teurer als zu Beginn des Jahres 2020, also noch vor Corona und Ukraine-Krieg, wie aus einem am Freitag veröffentlichten Preisvergleich des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.

Kurzfristig sind zu Beginn der Heizsaison ausgerechnet Strom (+11,1 Prozent) und Fernwärme (+0,3 Prozent) teurer als vor einem Jahr - Energieträger, die besonders für die Heizwende benötigt werden. Alle anderen wie Heizöl, Gas oder feste Brennstoffe waren im September günstiger als vor einem Jahr. Das liegt allerdings allein daran, dass die Preise für Heizöl, Holz und Gas im vergangenen Jahr extreme Höhen erreicht hatten.

Im Langzeitvergleich zeigt sich, dass Gas für die Haushalte aktuell fast doppelt so teuer ist wie zu Beginn des Jahres 2020. Für leichtes Heizöl sind dem Preisindex zufolge sogar 125 Prozent mehr fällig als damals. Brennholz und Pellets sind rund zwei Drittel teurer geworden. Strom und Fernwärme haben die extremen Preissprünge nicht mitgemacht, liegen aber auch jeweils mehr als ein Drittel über dem Vor-Krisen-Niveau.

Musterhaushalt: Gaspreisbremse kann höhere Steuer nicht ausgleichen

Für Unmut bei Verbraucherschützern und Energieunternehmen gleichermaßen sorgt hingegen der im Kabinett bereits beschlossene Plan, den in der Krise abgesenkten Mehrwertsteuersatz auf Gas und Fernwärme bereits zum Jahreswechsel wieder auf 19 Prozent zu setzen. Das soll rund 2,5 Milliarden Euro zusätzlich in den Bundeshaushalt spülen, bewirkt aber gleichzeitig eine kräftige Preiserhöhung mitten in der Heizperiode. Außerdem fließen nach den Ampel-Plänen zusätzliche rund 1,3 Milliarden Euro durch die stärkere CO2-Preis-Erhöhung für Heizen und Tanken in die Staatskasse. Zum Jahreswechsel soll der CO2-Preis von 30 auf 40 Euro steigen.

Die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf Gas sorgt bei einem Musterhaushalt nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 trotz Verlängerung der Gaspreisbremse für eine Mehrbelastung. Demnach würde solch ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Erdgas durch die von der Bundesregierung bis Ende April 2024 geplante Verlängerung der Gaspreisbremse aufs Jahr gerechnet zwar 64 Euro einsparen. Durch die zum Jahreswechsel geplante Wiederanhebung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent läge die Mehrbelastung im Jahr aber bei 264 Euro. Dies mache unterm Strich 200 Euro aus, berichtete Check24.

Haushalte mit einem Grundversorgungstarif, der häufig oberhalb der Preisbremse liege, würden von der Verlängerung der Preisbremse etwas mehr profitieren und hätten im Jahresschnitt Mehrkosten von 176 Euro.

Beim Strom gab es keine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes wegen der Energiekrise. Eine Verlängerung der Preisbremse würde laut Check24 bei einem Musterhaushalt (5000 Kilowattstunden Jahresverbrauch) zu einer Entlastung von 18 Euro im gesamten Jahr führen. Haushalte in der Strom-Grundversorgung würden im Jahr im Schnitt um 46 Euro entlastet.

Von der Verlängerung der Preisbremsen profitierten weiter vor allem Kundinnen und Kunden in Grundversorgungstarifen, erklärte Check24-Manager Steffen Suttner.

Energieversorger müssen Tarife anpassen

Statt Preisbremsen-Ende und Mehrwertsteuer-Änderung synchron abwickeln zu können, stehen die Versorger nun möglicherweise wieder vor ähnlichen Problemen wie vor einem Jahr. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wartet auf klare Ansagen, um Tarife und Abschläge neu zu berechnen und die Kunden über die neuen Preise zu informieren. „Die Bundesregierung muss endlich anerkennen, dass die Unternehmen Zeit brauchen, um ihre IT-Systeme umzustellen. Dies ist schon bei der Einführung der Preisbremsen Ende 2022 massiv unterschätzt worden. Das Chaos vom letzten Jahr muss unbedingt verhindert werden“, mahnt BDEW-Chefin Kerstin Andreae.

Einig sind sich Verbraucherschützer und Versorger auch, dass der Strompreis in Deutschland sinken muss, wenn die Energiewende gelingen soll. „Die Haushalte brauchen bald viel mehr Strom, wenn sie Elektroautos und Wärmepumpen einsetzen“, sagt Engelke. „Daher muss der Strompreis perspektivisch runter.“ Der naheliegende Ansatzpunkt sei die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Mindestmaß, was rund 2 Cent pro Kilowattstunde bringen würde. Auch bei den Netzentgelten - neben der Beschaffung größter Posten im Strompreis - gebe es Gestaltungsmöglichkeiten.

Verbände bezweifeln fristgerechte Umsetzung

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sowie der Verband kommunaler Unternehmen sehen eine fristgerechte und flächendeckende Umsetzung der längeren Energiepreisbremsen durch Stadtwerke und Energieversorger zum 1. Januar 2024 akut gefährdet. Es fehle eine Genehmigung der EU-Kommission, die Zustimmung des Bundestags könne bis Mitte Dezember dauern. Damit blieben Versorgern und Stadtwerken nur zwei Wochen über Weihnachten Zeit, um Abrechnungssysteme anzupassen und Kunden zu informieren.

Zuschuss zu Netzentgelten

Konkret geht es um einen Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. Aus diesem Fonds werden auch die Energiepreisbremsen finanziert. Durch den Zuschuss würden die Netzentgelte stabilisiert, das dämpfe den Strompreis und komme allen Verbrauchern zugute, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Laut Ministerium steht der Zuschuss unter Vorbehalt der haushaltsrechtlichen Berücksichtigung im Zuge des parlamentarischen Verfahrens zum Bundeshaushalt 2024.

Die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und TransnetBW hatten im Oktober mitgeteilt, dass die bundeseinheitliche Nutzungsgebühr für die Stromübertragung im Überland-Transportnetz im kommenden Jahr leicht steigen soll. Miteinberechnet wurde bereits der erwartete Zuschuss des Bundes.

Heizsaison startet: Anbieterwechsel kann sich lohnen

Noch schnell den Vertrag checken, bevor es mit der Heizsaison so richtig losgeht. Das empfiehlt das Ratgeberportal Finanztip vor allem Gas-Kundinnen und Gas-Kunden, die in der Grundversorgung stecken. Denn inzwischen seien weit günstigere Tarife zu haben, mit der eine Familie mehrere Hundert Euro sparen könne.

Laut Finanztip-Untersuchungen liegt der Gaspreis in der Grundversorgung aktuell im Schnitt bei rund 14,3 Cent je Kilowattstunde. Wer ein wenig vergleicht, könne die Kilowattstunde Gas aber auch zu rund 9,2 Cent (jeweils inklusive Grundpreis) beziehen. Zwar zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher - der Preisbremse sei Dank - bis Ende des Jahres höchstens 12 Cent je Kilowattstunde Gas. Doch selbst unter der Annahme, dass die Preisbremse bis ins Frühjahr verlängert wird, könnten Gaskunden, die zügig wechseln, deutlich günstiger heizen.

Grundversorgung punktet mit kurzer Kündigungsfrist

In der Grundversorgung beträgt die Kündigungsfrist laut Bundesnetzagentur zwei Wochen. Wer aus einem teureren Sondervertrag wechseln möchte, der nach dem 1. März 2022 geschlossen wurde, kann diesen mit einer Frist von maximal einem Monat kündigen. Bei älteren Sonderverträgen darf die Kündigungsfrist nicht mehr als drei Monate bis zum Ablauf der ursprünglichen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer betragen.

Für den Preisvergleich bieten sich einschlägige Vergleichsportale im Netz an. Aber auch der Austausch mit Nachbarn, der Familie oder Freunden kann der Verbraucherzentrale Bayern zufolge sinnvoll sein. Der Grund: Nicht alle Anbieter sind bei den Portalen gelistet. Insbesondere lokale Anbieter fallen dort oft aus dem Vergleich heraus. (dpa)

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