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Verbandsjubiläum

TEuropa und Zukunft: So feiern die Arbeitgeber ihren 75. Geburtstag

Gehört zum Jubiläum dazu: Smalltalk und Schnittchen.

Gehört zum Jubiläum dazu: Smalltalk und Schnittchen. Foto: Liam Lohse/bm-solutions

Der Arbeitgeberverband Stade Elbe Weser besteht seit 75 Jahren. Das Jubiläum wurde stilvoll gefeiert. 270 Gäste wurden mit hochinteressanten Themen konfrontiert: zu Europa und zur Zukunft. Aber was macht so ein Verband eigentlich?

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Von Lars Strüning
Sonntag, 21.04.2024, 12:50 Uhr

Stade. Neun Firmen gründeten den Arbeitgeberverband 1949 in Stade, darunter auch als letztes verbliebenes Unternehmen das Autohaus Spreckelsen. Damals, laut Aufzählung von Stades Bürgermeister Sönke Hartlef mit dabei: die Lederfabrik, die Saline, Gummi-Schmidt, das Noga-Werk, das Mineralölwerk. Sie sind alle Geschichte. Heute zählt der Verband 420 Mitglieder zwischen Elbe und Weser. Sie setzen vor allem auf die rechtliche Beratung des Verbandes.

Haustarif gefällig oder doch arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen? Fortbildung für die Mitarbeitenden oder Hilfe nach der Firmengründung? Die vier Juristen und fünf weiteren Angestellten des Arbeitgeberverbandes (AGV) mit Sitz in Stade stehen den Betrieben zur Seite.

Der Verband macht Politik - im Sinne der Unternehmen

Der AGV macht Politik im Sinne seiner Unternehmen über Pressearbeit oder politische Einwirkungen, klassische Lobbyarbeit eben. Wie gut vernetzt der Verband ist, zeigte sich am Donnerstag, als 270 Gäste aus Wirtschaft, Institutionen, Politik und Gesellschaft zum Gratulieren kamen. Sie mussten Langmut mitbringen.

Der Verband hatte es gut gemeint, drei Referenten eingeladen und drei Grußworte eingeplant. So zog sich die Veranstaltung vom Treffen um 16 Uhr bis zum Ende der Reden um 20.40 Uhr. Dazu gesellten sich Musik vom Jazz-Trio und ein aufwendiges Büfett in der großzügigen Solarhalle im Stader CfK-Valley. Dabei war jeder einzelne Programmpunkt spannend.

Vor allem als Max Thinius ans Mikrofon trat, neonfarbene Joggingschuhe und ein schwarzen Hut mit oranger Krempe tragend. Sein Job: Futurologe - und Optimist. Was es nicht alles gibt, werden sich wohl viele Gäste gedacht haben. Aber der Mann, der in Berlin und in Kopenhagen lebt, ist gut und bot den etwas anderen Ausblick zu einer Jubelfeier.

Die Zukunft: Nicht nur KI und Insekten essen

Sein Credo: Keine Angst vor der Zukunft, keine Angst vor KI, der künstlichen Intelligenz. „Die Zukunft kommt nicht über uns“, sagte er, „denn wir können sie gestalten.“ Der Gestaltungsspielraum, so Thinius süffisant, liege bei 74,46 Prozent.

Wer sich frage, wie er sein Unternehmen zukunftsfähig machen könne, gestehe sich ein, nicht zukunftsfähig zu sein. Sein Ansatz: „Wie kann ich mit meinem Unternehmen oder meiner Kommune die Zukunft anderer positiv gestalten?“ Das ist nicht ganz einfach.

Wer die KI befragt, was für die Deutschen Zukunft heißt, bekommt Folgendes heraus: „Ganz viel neue Technik, Insekten essen und die KI übernimmt meinen Job.“ Typisch deutsche Skepsis.

„Slow future“ und bitte keinen Technikwahn

Thinius plädiert für „slow future“, also langsam die Zukunft anzugehen und nicht Technologien hinterherzuhecheln. So schlecht sei es um die Zukunft nicht bestellt. Immer mehr Firmen verlagerten ihre Produktion nach Europa. Ob Automobilhersteller Hyundai, der Ersatz-Stoßstangen per 3-D-Drucker in Deutschland herstellen lässt, oder Ikea, das seine Möbelproduktion in Zusammenarbeit mit einem großen Verbund von Tischlern erledigt - mit Hilfe von KI.

Apropos Europa: Wenn einer die EU lebt, dann David McAllister, CDU-Abgeordneter in Brüssel aus Bad Bederkesa. Bei aller berechtigten Kritik sagte er: „Die EU ist die beste Idee, die wir je hatten.“ Seine Aufforderung: „Gehen Sie am 9. Juni wählen“, damit radikale Kräfte möglichst wenig Spielraum bekämen.

Dass der Arbeitgeberverband eine gute Idee ist, bezeugten zwei neue Mitglieder: Timo Stephan von der Westal Ingenieursgesellschaft in Dollern und Florian Schult vom Handwerksbetrieb BGS Paulsen Haustechnik in Bremervörde. „Ich bin Handwerker und kein Jurist“, sagte Schult. Der AGV helfe ihm bei rechtlichen Problemen.

Die führenden Köpfe des Arbeitgeberverbandes: Vorsitzender Dr. Michael Schröder (links) und Hauptgeschäftsführer Thomas Falk.

Die führenden Köpfe des Arbeitgeberverbandes: Vorsitzender Dr. Michael Schröder (links) und Hauptgeschäftsführer Thomas Falk. Foto: Liam Lohse/bm-solutions

AGV-Vorsitzender Dr. Michael Schröder aus Bremervörde führte durch den Abend und mühte sich nach der Pause am Büfett, die Gäste wieder auf die Plätze zu bringen. Draußen wurde es dunkel und die Solarhalle wurde stylish in violettes Licht getaucht.

Baurecht verhindert Ansiedlung von neuen Betrieben

Wohlwollend kurz fielen die Grußworte von AGV-Urgestein Bernhard Borgardt, Stades Bürgermeister Sönke Hartlef und Landrat Kai Seefried aus. Borgardt aus Bremervörde war mehr als 30 Jahre Vorsitzender des AGV. Seefried bezeichnete den Verband als Partner und Hartlef kritisierte die Auflagen des Baurechts. Die Bürokratie drohe, die Stadt bei der Ansiedlung von willigen Firmen auszubremsen - ein Lied, das viele Unternehmer mitsingen können.

Neben Arbeitskräftemangel ist die Bürokratie das bedrückendste Thema für die Unternehmen. Darauf wiesen Schröder wie auch IHK-Präsident Matthias Kohlmann hin. Bei allem Respekt vor dem Unternehmertum sagte Kohlmann: „Ohne Arbeitskräfte ist alles nichts.“

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