TFamilien-Tragödie bei Zugunglück: Freundin mit emotionalem Aufruf

Nach dem schrecklichen Zugunfall: Menschen im Landkreis Cuxhaven nehmen Anteil am Schicksal der Familie. Foto: Seelbach
Eine 35-jährige Mutter wird in Mulsum aus dem Leben gerissen, eine Familie für immer verändert: Die Anteilnahme für die Familie und die schwer verletzten Kinder ist überwältigend.
Mulsum/Cuxhaven. Jeder verarbeitet einen Verlust anders. Anika Rüsch hilft es, aktiv zu werden, sich in die Arbeit zu stürzen. Die Mitarbeiterin der Elbe-Weser-Welten Bremerhaven startet einen Aufruf, als ihre Freundin tödlich verunglückt.
Was vor wenigen Tagen in Mulsum im Landkreis Cuxhaven passiert ist, dazu findet Anika Rüsch kaum Worte. Sachlich festzuhalten ist: An einem unbeschrankten Bahnübergang in Mulsum hat es einen Zusammenstoß von Zug und Auto gegeben. Die 35-jährige Fahrerin stirbt. Zwei ihrer drei Mädchen sitzen mit im Auto, sie werden schwer verletzt und von den Rettern in Kliniken geflogen.
Die junge Mutter war Anika Rüschs Freundin. „Sie war so eine wunderbare junge Frau, Tochter, Schwester, eine treue Freundin und vor allem eine liebevolle Mutter, die viel zu früh und völlig unerwartet bei einem tragischen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen wurde“, formuliert es Rüsch, selbst Mutter.
Die Mutter sei den drei Mädchen viel zu früh entrissen worden und die Zukunft der Familie habe sich in einem Moment dramatisch verändert, schreibt Rüsch in ihrem Aufruf.

Der EVB-Zug in Richtung Cuxhaven erfasste das Auto. Foto: Overschmidt
Was die Familie jetzt benötigt, ist Ruhe und auch Geld
Der Vater der Kinder und das älteste Mädchen (12) waren nicht im Auto. Die Mädchen (7) und (3) wurden schwer verletzt, der Zustand ist wohl weiter kritisch. Mehr wird auch von der Polizei auf Rücksichtnahme auf die Familie nicht bekanntgegeben.
Das sieht auch Anika Rüsch so und wird aktiv: „Was die Familie jetzt benötigt, ist Ruhe und Geld“, stellt die tatkräftige Freundin, die gerne und gut Dinge organisiert, fest.
Und ruft bereits einen Tag nach dem schrecklichen Ereignis über soziale Medien auf, für die Familie über eine Paypal-Aktion Geld zu spenden. Für alles, was da noch kommt, „die können das gut gebrauchen“, sagt Anika Rüsch.
Die verstorbene Freundin sei immer für andere da gewesen
Ihre Freundin sei so eine starke, herzliche und immer hilfsbereite Person gewesen, die ihr Leben ihren Liebsten gewidmet hat. „Nun möchten wir für ihre Familie da sein, so wie sie immer für andere da war“, sagt Anika Rüsch, die auch in der Iben-Stiftung engagiert ist.
Die Reaktionen sind überwältigend. Schon in den ersten Stunden trudeln Spenden ein. „Jeder gibt, was er kann“, sagt Rüsch, von 2 bis 250 Euro sei alles dabei gewesen.
Der Arbeitgeber der dreifachen Mutter spendet ebenso wie der Inhaber einer Döner-Bude. Längst geht der Aufruf weit über die Gemeinde Wurster Nordseeküste hinaus. Menschen teilen den Aufruf, auch ein bekannter TikToker steigt ein und innerhalb von 24 Stunden werden die ersten 9.000 Euro gespendet.
„Diese Anteilnahme hätte ich nicht erwartet“, sagt Rüsch. Aber natürlich sei die Familie in der Gemeinde Wurster Nordseeküste verankert gewesen und viele Bekannte bestürzt und betroffen.
Das sei ein wahres Zeichen der Menschlichkeit
„Mit jeder Spende, jedem aufmunternden Wort und jedem Zeichen des Mitgefühls spürt die Familie, dass sie nicht alleine ist“, sagt die Organisatorin, die Kontakt zur Elpida-Stiftung geknüpft hat. Bis Montagmittag waren mehr als 14.000 Euro von 485 Spendern eingegangen.
Anika Rüsch möchte Danke sagen: „Ihr schenkt der Familie der drei Mädchen, die ihre Mutter verloren haben, ein Stückchen Hoffnung in einer Zeit, in der vieles ungewiss erscheint. Es ist ein Trost, zu wissen, dass so viele Menschen sie begleiten.“ Das sei ein wahres Zeichen der Menschlichkeit, sagt die Frau aus der Gemeinde Wurster Nordseeküste.
Weitere Angaben zur Unfallursache kann die Polizei noch nicht machen.
Richtiges Verhalten an unbeschrankten Bahnübergängen
„Klar ist: Jeder Unfall ist einer zu viel. Die Bedeutung des Andreaskreuzes und der Sicherungsanlagen sind vielen Verkehrsteilnehmern nicht oder nicht richtig bekannt“, mahnt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Zudem würden Leichtsinn und Ungeduld manch Einen zu riskanten Aktionen verleiten - was schlicht lebensgefährlich ist.
Während auf der Strecke zwischen Cuxhaven und Hamburg laut der Regionalverkehre Start Deutschland GmbH alle Übergänge technisch gesichert sind, gibt es auf der Strecke zwischen Cuxhaven und Bremerhaven noch mehrere unbeschrankte Bahnübergänge, die lediglich mit einem Andreaskreuz ausgestattet sind. Die Bahnsprecherin ergänzt, dass auf der 37 Kilometer langen Strecke zwischen Cuxhaven und Bremerhaven insgesamt 15 technisch gesicherte und 22 nicht technisch gesicherte Bahnübergänge die Straße und die Schiene kreuzen.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man sich einem unbeschrankten Bahnübergang nähert?
Andrea Stein, Pressesprecherin der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb), betont die zentrale Rolle des Andreaskreuzes an unbeschrankten Übergängen: „Es dient als Warnsignal und zeigt an, dass Schienenfahrzeuge immer Vorfahrt haben.“ Autofahrer sollten ihre Geschwindigkeit verringern und sich dem Bahnübergang besonders vorsichtig nähern. Beim Hören eines Signals - etwa dem Pfeifen eines Zuges - müssen sie unbedingt anhalten. Stein ergänzt: „Unsere Züge geben beim Annähern an unbeschrankte Übergänge stets zwei lange Pfeiftöne ab. Diese Signale sind vorgeschrieben, werden überwacht und aufgezeichnet.“
Warum ist besondere Vorsicht erforderlich?
Auch Stephan Hertz, Pressesprecher der Polizei Cuxhaven, unterstreicht, dass beim Nähern an unbeschrankte Bahnübergänge größte Vorsicht geboten ist. „Man sollte sich solchen Übergängen immer langsam nähern, im Zweifelsfall sogar im Schritttempo“, erklärt Hertz. Vor dem Überqueren muss sichergestellt werden, dass die Strecke in beide Richtungen gut einsehbar ist. Bei eingeschränkter Sicht durch Hindernisse, Dunkelheit oder Nebel ist besondere Achtsamkeit geboten. Sobald die Sicht frei ist, sollte der Übergang zügig, aber kontrolliert überquert werden.
Welche Vorschriften gelten an unbeschrankten Übergängen?
Neben dem Vorrang für Schienenfahrzeuge, den das Andreaskreuz anzeigt, legt die Straßenverkehrsordnung weitere Vorschriften fest. So gilt ein Halteverbot bis zu 10 Meter vor dem Andreaskreuz. Auch Parkverbote sind zu beachten: Innerorts ist das Parken fünf Meter vor und hinter dem Kreuz untersagt, außerorts beträgt der Abstand 50 Meter. Darüber hinaus besteht im Bereich des Übergangs ein Überholverbot. (cn/vk)

Klare Vorschriften der Straßenverkehrsordnung sind entscheidend für die Sicherheit an unbeschrankten Übergängen. Foto: Thissen/dpa