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Antisemitismus

TFlaggen-Angriffe im Kreis: Stadt Stade reagiert – Demo in Buxtehude

Das kaputte kleine Fenster im Stader Rathaus - dahinter weht über der Fußgängerzone die Flagge Israels.

Das kaputte kleine Fenster im Stader Rathaus - dahinter weht über der Fußgängerzone die Flagge Israels. Foto: Strüning

Landrat Kai Seefried fordert die Rathäuser dazu auf, die Israel-Flagge zu hissen - allerdings nur tagsüber. Zu groß ist die Sorge vor weiteren Angriffen wie in Stade und Drochtersen. In Buxtehude ist eine Solidaritätskundgebung für Israel geplant. Kommt es zur Konfrontation?

Von Redaktion Sonntag, 15.10.2023, 12:53 Uhr

In Drochtersen vollendeten Israel-Hasser, was ihnen in Stade nicht gelang: Unbekannte haben in der Nacht zum Donnerstag die Israel-Flagge vor dem Rathaus in Drochtersen gestohlen. „Der oder die Täter haben das Seil der Flagge am Mast durchgeschnitten, dann die Fahne heruntergelassen und diese dann gestohlen“, berichtet der Pressesprecher der Stader Polizei, Rainer Bohmbach, auf TAGEBLATT-Nachfrage.

Flaggen-Frevel ist in Deutschland eine Straftat

Die Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten ist dem deutschen Gesetz zufolge eine Straftat und nicht nur Sachbeschädigung.

Auch in Stade hatten Täter versucht, die Israel-Flagge zu stehlen. Am Mittwochabend hatten laut Polizei mehrere Personen, etwa 16 bis 20 Jahre alt, das historische Rathaus in Stade gestürmt. Im Obergeschoss des Gebäudes hatten die Täter eine kleine Scheibe eingeschlagen. Von dort aus hätten sie versucht, mit einem mechanischen Greifarm die Israel-Flagge zu erreichen. Eine größere Gruppe von etwa zwölf Personen beobachtete die Tat von der Fußgängerzone aus und filmte das Geschehen per Smartphone.

Reinigungskraft schließt sich im Standesamt ein

Im Inneren bemerkten Reinigungskraft und Hausmeister die Eindringlinge. „Unser Hausmeister hat sehr besonnen reagiert“, sagte Stades Bürgermeister Sönke Hartlef. Die Reinigungsfrau schloss sich im Standesamt ein, der Hausmeister hielt sich zurück und alarmierte die Polizei. Es habe zehn Minuten gedauert, bis die Einsatzkräfte das Rathaus erreicht hätten. Weil sie mit Martinshorn angerückt seien, flüchteten die Täter in verschiedene Richtungen, berichtet Hartlef weiter.

Die Täter schnappten sich eine große Leiter aus einem Nebenraum und einen Besen. Mit dem Besenstil sollen sie eine kleine Scheibe der historischen Fensterfront zur Fahne eingeschlagen haben. Von draußen habe die Gruppe versucht, per Leiter an die Flagge zu kommen. Der Versuch, die Fahne herunterreißen, scheiterte jedoch. Eine sofortige Fahndung nach den Angreifern blieb erfolglos. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch und gemeinschädlicher Sachbeschädigung übernommen.

Rüstet die Stadt jetzt das Stader Rathaus auf?

Bürgermeister Hartlef ist schockiert. „Das schreckliche Leid, das die Hamas über die Menschen in Israel bringt, ist mit nichts zu rechtfertigen.“ Er verurteile das Eindringen ins Rathaus auf das Schärfste und hoffe, dass die Polizei die Täter ermittelt. Inwieweit die Stadt auf den Vorfall reagiert, sei noch offen. Eventuell könnten im Inneren Kameras installiert werden. Hartlef: „Ich befürchte, das war nicht der letzte Versuch.“

Landrat Kai Seefried zeigte sich angesichts der antisemitischen Vorfälle ebenfalls besorgt – und findet deutliche Worte. „Den Versuch, die im Stader Rathaus gehisste Israel-Flagge zu entfernen, sowie die Beschädigung von einem Mast vor dem Rathaus in Drochtersen und die Entwendung der Israel-Flagge verurteile ich auf das Schärfste“, erklärte Landrat Kai Seefried in einer ersten Reaktion.

Der CDU-Politiker rief alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis auf, ebenfalls eine Israel-Flagge an ihren Rathäusern zu hissen. „Angesichts der Vorfälle allerdings auch verbunden mit der Empfehlung, diese Flaggen nachts wieder abzunehmen, um weitere Angriffe zu vermeiden“, heißt es aus der Behörde. Auch in Stade werde die Flagge nicht mehr nachts gehisst werden, sagte ein Sprecher der Stadt.

Wer Hinweise zu den Vorfällen in Stade und Drochtersen geben kann, wendet sich an die Polizei Stade unter 04141/ 102215. Weitere Angriffe dieser Art hat es im Kreis Stade laut Polizeisprecher Bohmbach bisher nicht gegeben.

Kundgebung pro Israel am Sonnabend in Buxtehude

Eine breite bürgerliche Front veranstaltet am Sonnabend von 11 Uhr an eine Solidaritätskundgebung mit Israel am Hase-und-Igel-Brunnen in der Buxtehuder Innenstadt. Veranstalter ist der Stadtjugendring Buxtehude. Er wird aus der Stadt unterstützt von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Freien Evangelischen Gemeinde, der Jungen Union und der CDU, den Jungsozialisten und der SPD, der Grünen Jugend und den Grünen sowie von den Jungen Liberalen und der FDP.

„Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei der Bevölkerung Israels und den Israelis, die gegen die Hamas kämpfen müssen, die vor den immer noch stattfindenden Angriffen in Schutzbunker fliehen müssen oder die Angehörige verloren haben“, heißt es in der Ankündigung. Der Angriff auf Israel zeige die Gefahr, unter der israelische Bürgerinnen und Bürger leben. „Wir stehen an der Seite Israels!“, so die Veranstalter.

Flaggenschändungen in ganz Deutschland

Deutschlandweit nehmen antisemitische Straftaten nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel stark zu. In mehreren Städten griff die Polizei deswegen am Rande von Solidaritätsdemonstrationen für Israel und bei pro-palästinensischen Kundgebungen ein.

In verschiedenen Städten gab es zudem abgerissene Israel-Flaggen oder Versuche, diese zu entfernen. In Leverkusen etwa rissen Unbekannte eine israelische Flagge ab, die wegen der Hamas-Angriffe auf Halbmast hing. Einige Hundert Meter entfernt fand eine Passantin am Mittwochnachmittag eine Flagge mit Brandspuren, wie die Polizei in Köln mitteilte.

In Stralsund wurde eine Flagge einer Kirchengemeinde gestohlen, in Schwerin hatte ein Unbekannter vor dem Innenministerium eine israelische Flagge heruntergerissen. In Mainz fanden Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Reste einer angezündeten Flagge, die an einem Mast vor der Stadtverwaltung hing.

In Niedersachsen sind die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen erhöht worden. Die Polizei wird nach Angaben von Innenministerin Daniela Behrens (SPD) bei Versammlungen konsequent gegen jede Form der Befürwortung kriegerischer Handlungen durch die Hamas sowie das Zeigen verbotener Symbole einschreiten.

Für diesen Freitag gibt es einen Mobilisierungsaufruf der islamistischen Hamas. Es wird mit Versammlungen und möglichen weiteren Attacken gerechnet. (mit dpa)

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