HVV erhöht Preise und schafft Sperrzeit ab – Was Pendler wissen müssen

Ein S-Bahn-Zug hält am Bahnhof Buxtehude. Laut der S-Bahn Hamburg fahren die Zuge auf der neuen S-Bahn-Linie zu 95,6 Prozent pünktlich. Foto: Thomas Sulzyc
Weitere Mehrkosten rollen zum 1. Januar auf Pendler aus dem Kreis Stade zu. Die Linke spricht von einer Bestrafung der Fahrgäste. Die wichtigsten Änderungen im Überblick.
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Hamburg/Landkreis. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) will zum 1. Januar 2025 die Ticketpreise um durchschnittlich 5,2 Prozent erhöhen. Der HVV orientiere sich bei der Preisanpassung an der Inflationsrate der vergangenen drei Jahre, sagte ein Sprecher der Verkehrsbehörde.
Der HVV spricht von einer „moderaten Tarifanpassung“. Die beantragte Preisänderung sei notwendig, weil insbesondere die Personalkosten der Verkehrsunternehmen erneut stark gestiegen seien.
Nicht alle Tickets werden teurer, so kostet eine Ganztageskarte für den Tarifbereich AB / 2 Ringe, also das Stadtgebiet und die nahen Umlandgemeinden, künftig nur 7,80 statt 8,80. Häufig genutzte Fahrkarten wie die Kurzstrecke für den Stadtverkehr oder die Tarifzone AB / 2 Ringe werden nur 10 Cent teurer. Online gekaufte Einzel- und Tageskarten sind weiterhin 7 Prozent billiger.
9 Uhr-Tageskarten werden abgeschafft
Gleichzeitig werden im HVV die 9-Uhr-Tageskarten mit Sperrzeit abgeschafft. Dies solle die Tarife übersichtlicher und somit kundenfreundlicher gestalten, heißt es vom HVV. Im gesamten HVV gibt es künftig dann keine Fahrkarten mit Sperrzeit mehr.
Für alle online gekauften Einzel- und Tageskarten gibt es weiterhin 7 Prozent Rabatt.
Preisänderungen der wichtigsten Fahrkarten
Einzelkarten
- Kurzstrecke/Stadtverkehr: von 2 auf 2,10 Euro (online Buchung: 1,95 Euro)
- Nahbereich: von 2,70 auf 3,10 Euro (online Buchung: 2,88 Euro)
- Hamburg AB/1-2 Ringe: von 3,80 auf 3,90 Euro (online Buchung: 3,63 Euro)
- Ringe A-E (5 Ringe): von 10,20 auf 10,40 Euro (online Buchung: 9,67 Euro)
- Ringe A-F (6 Ringe): von 12,00 auf 12,20 Euro (online Buchung: 11,35 Euro)
- Kind Hamburg AB: von 1,40 auf 1,50 Euro (online Buchung: 1,40 Euro)
Tageskarten
- Tageskarte Hamburg AB: von 8,80 auf 7,80 Euro (online Buchung: 7,25 Euro)
- Gruppenkarte Hamburg AB: von 14,10 auf 15,60 Euro (online Buchung: 14,51 Euro)
- Tageskarte Kind Hamburg AB: von 2,70 auf 2,90 Euro (online Buchung: 2,7 Euro)
Wochen- und Monatskarten im HVV werden um 9 Euro teurer
Um jeweils 9 Euro steigen die Preise für die kaum nachgefragten Wochen- und Monatskarten im HVV. Der Preis der Wochenkarte steigt damit um 31 Prozent von 29 auf 38 Euro. Die Monatskarte fürs Gesamtnetz wird um 13 Prozent teurer: Ihr Preis wird von 69 auf 78 Euro angehoben.
Teurer wird auch das Deutschlandticket, das ab 1. Januar 58 Euro kosten wird. Die Erhöhung von 49 auf 58 Euro für die bundesweit gültige Monatskarte für den Nahverkehr hatten die Verkehrsminister bei einer Sonderkonferenz Ende September beschlossen.
Mehr als 80 Prozent der Wege im HVV werden nach Angaben des Behördensprechers mit dem Deutschlandticket zurückgelegt. Fast 200.000 Hamburger Schüler, das sind rund 94 Prozent, besitzen ein kostenloses Deutschlandticket.
„Kunden bestraft“: Kritik von CDU und Linke
Die CDU-Opposition in der Hamburger Bürgerschaft kritisierte die Verteuerung der Fahrkarten und des Deutschlandtickets. „Diese Maßnahmen steigern die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs keineswegs“, erklärte Faktionschef Dennis Thering. Besonders ältere Hamburger würden durch die Kostensteigerungen stark belastet. Thering bekräftigte die Forderung nach einem vergünstigten Seniorenticket.
„So wird das nichts mit der Mobilitätswende. Wer in Hamburg mehr Autofahrer für den ÖPNV gewinnen will, muss die Preise senken. Und wer die heutigen HVV-Kunden mit Preiserhöhungen bestraft, nimmt in Kauf, sie wieder ins Auto zurückzudrängen. Welch absurde und kurzsichtige Politik“, kritisiert auch Heike Sudmann von der Linken-Fraktion.
Stockende Verkehrswende: Länder prüfen Kürzungen im ÖPNV
Immer mehr Menschen fahren mit Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs - doch anstatt diesen auszubauen, prüfen einige Länder derzeit wegen fehlender Gelder eine Reduzierung des Angebots. Mancherorts ist das sogar schon beschlossene Sache. In Schleswig-Holstein etwa fallen zum Fahrplanwechsel im Dezember auf zahlreichen Regionalzuglinien Verstärkerzüge und Verbindungen in Randzeiten sowie am Wochenende weg.
Auch in anderen Ländern werden Angebotsreduzierungen auf der Schiene konkreter. „Niedersachsen hat eine Prüfung angekündigt und nach unserem Kenntnisstand drohen Abbestellungen auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen“, teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf Anfrage mit. Die Planungen bezögen sich dabei auf das kommende Jahr, also den Fahrplanwechsel im Dezember 2025.
„Es geht nicht nur um Abbestellungen von bereits laufenden Verkehren, sondern auch um nicht mehr finanzierbare Mehrbestellungen“, erklärte der VDV. Es gehe also auch um Verstärkerzüge, die wegen des hohen Fahrgastwachstums bereits geplant waren, „aber noch auf einer Kostenbasis kalkuliert wurden, die angesichts der extrem gestiegenen Kosten jetzt nicht mehr realisierbar sind“.
Einnahmen decken die Kostensteigerungen nicht ab
Der Grund für die Reduzierung ist überall derselbe: Es fehlt an Geld, um die steigenden Kosten für den Betrieb zu decken. Die Personalkosten für die Unternehmen sind dem Verband zufolge zwischen 2019 und 2021 um rund 13 Prozent gestiegen, der Materialaufwand etwa für Reparatur und Instandhaltung, aber auch für Betriebsstoffe und Energie sogar um fast 40 Prozent. Seither ist die Inflation zwar wieder zurückgegangen. Doch die Kosten bleiben hoch.
Für den Regionalverkehr auf der Schiene sind die Länder verantwortlich. Finanziert wird er aus den Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf sowie vom Bund über die sogenannten Regionalisierungsmittel. Allein im vergangenen Jahr beliefen sich diese Bundesmittel inklusive Sonderzahlungen auf rund 12,4 Milliarden Euro.
Bis 2031 soll dieser Topf für die Länder pro Jahr um drei Prozent wachsen. „Doch die tatsächlichen Kostensteigerungen liegen deutlich darüber“, hieß es vom VDV. Aus Sicht der Branche müssten die Regionalisierungsmittel jedes Jahr um rund drei Milliarden Euro zunehmen, um allein das bestehende Angebot zu sichern. Derzeit laufen erneut Haushaltsverhandlungen des Bundes, auch über diese Frage.
Nachfrage stark gestiegen - ÖPNV stößt öfter an Grenzen
Länder und Branche fordern schon lange eine auskömmliche Finanzierung. Zum einen ist der Sektor eine tragende Säule für die Verkehrswende und damit für die Klimaziele des Bundes. Zum anderen ist die Nachfrage seit dem Einbruch in der Corona-Krise wieder stark gestiegen. Das liegt vor allem am Deutschlandticket.
Allein im ersten Halbjahr waren rund 5,6 Milliarden Menschen mit Bussen und Bahnen im Nah- und Regionalverkehrs unterwegs, wie das Statistische Bundesamt vor einigen Wochen mitteilte. Das waren rund sechs Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Schon 2023 lag das Plus im Vorjahresvergleich bei acht Prozent.
Die hohe Nachfrage bringt den ÖPNV an reisestarken Wochenenden schon jetzt häufig an seine Kapazitätsgrenzen und darüber hinaus. Wer etwa schon mal an einem sonnigen Samstag per Zug und mit dem Fahrrad ins Berliner Umland gereist ist, kennt das Problem. Eine Reduzierung des Angebots würde je nach Umfang die Situation weiter verschärfen.
Tickets werden nächstes Jahr wieder vielerorts teurer
Die Länder behelfen sich derzeit vor allem mit höheren Fahrpreisen. Im kommenden Jahr werden Busse und Bahnen vielerorts erneut teurer. In Berlin und Brandenburg wurde kürzlich eine durchschnittliche Erhöhung der Ticketpreise um rund 7,5 Prozent bekannt. Auch Hessen, Bremen, München und die großen NRW-Verkehrsverbünde haben bereits Preissteigerungen ab Januar angekündigt.
„Überdeckt werden die Abbestell-Szenarien derzeit noch von einem Rückfluss an Mitteln von den Verkehrsunternehmen im Schienenpersonennahverkehr an die Aufgabenträger aus den Vertragsstrafen“, teilte der VDV weiter mit. Diese sogenannten Pönalen werden fällig, wenn Verkehrsunternehmen die mit den Ländern und Aufgabenträgern vereinbarten Leistungen bei Pünktlichkeit oder Ausfällen nicht einhalten konnten.
Hierbei soll es sich dem VDV zufolge um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag handeln. „Das verschafft den Aufgabenträgern wieder etwas Puffer und zögert Abbestellungen hinaus, aber das ist nur ein temporäres Phänomen.“ Es ist aus dieser Sicht eine Frage der Zeit, bis weitere Länder Angebotsreduzierungen ankündigen müssen, wenn die Finanzierung nicht nachhaltig gesichert wird. (pm/dpa)