Hausärzte: Reform beschlossen – Das ändert sich

Für Hausärzte fallen - wie schon bei Kinderärzten - sonst übliche Obergrenzen bei der Vergütung weg. Foto: Monika Skolimowska/ZB/dpa
Für Patienten sind Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Anlaufstellen. Doch die Zukunft des Praxisnetzes ist ungewiss. Diese neuen Anreize sollen helfen.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Berlin/Landkreis. Hausarztpraxen bekommen bessere Bedingungen, um die Patientenversorgung vor Ort stärker abzusichern. Der Bundesrat billigte ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz, das finanzielle Anreize und Vereinfachungen dafür festlegt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte: „Einen Termin beim Hausarzt zu bekommen, wird endlich wieder deutlich einfacher – insbesondere für gesetzlich Versicherte.“ In der Länderkammer beraten wird nun auch über eine Initiative gegen Benachteiligungen von Kassenpatienten.
Lauterbach sagte, das Gesetz werde die ambulante Versorgung grundlegend verbessern. „Wenn leicht chronisch Kranke nicht mehr alle drei Monate für die Quartalspauschale des Arztes in die Praxis einbestellt werden müssen, wenn zusätzliche Patienten abgerechnet werden können, wird auch wieder mehr Zeit sein für neue Patienten.“ Hausärzte könnten ihre Lotsenfunktion besser wahrnehmen. „Das senkt die Kosten, überflüssige Facharzttermine fallen weg.“
5.000 Hausarztsitze vakant
Großes Ziel ist, angesichts von bundesweit 5.000 unbesetzten Hausarztsitzen den Beruf attraktiver zu machen und das Praxisnetz zu erhalten - vor allem auf dem Land und in ärmeren Vierteln von Großstädten. Dazu hatten sich SPD und Grüne mit ihrem früheren Ampel-Partner FDP noch auf wichtige Punkte eines Gesetzes verständigt, das nach dem Koalitionsbruch zu versanden drohte.
Vergütung
Für Hausärzte fallen - wie schon bei Kinderärzten - sonst übliche Deckelungen der Vergütung weg. Das heißt, dass sie Mehrarbeit sicher honoriert bekommen, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist. „Jede Leistung wird bezahlt“, lautet das Motto. Das soll es für Hausärzte attraktiver machen, mehr Patienten anzunehmen. Die gesetzlichen Kassen schätzen die jährlichen Mehrkosten auf 400 Millionen Euro, bezweifeln aber konkrete Versorgungs-Verbesserungen.
Neue Pauschalen I
Praxen erhalten künftig eine „Versorgungspauschale“ für Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen und wenig Betreuungsbedarf. Das soll Einbestellungen in jedem Quartal nur aus Abrechnungsgründen vermeiden und größere Freiräume schaffen. Hausärzte können stattdessen eine bis zu ein Jahr umfassende Pauschale abrechnen.
Mediziner-Mangel
T Praxis-Eröffnung geplatzt – Bürokratie hinterlässt enttäuschten Landarzt
Neue Pauschalen II
Eine extra „Vorhaltepauschale“ können Praxen bekommen, die besonders in der Versorgung engagiert sind - je mehr von bestimmten Kriterien sie erfüllen, desto mehr zusätzliches Honorar winkt. Dabei geht es zum Beispiel um Haus- und Pflegeheimbesuche oder „bedarfsgerechte“ Sprechzeiten etwa abends.
Ärztliche Versorgung
Allgemeinmediziner berichtet: Was die Arbeit als Hausarzt ausmacht
Vorstoß gegen Ungleichbehandlung
In den Bundesrat eingebracht wurde eine Initiative Niedersachsens. Eine Zwei-Klassen-Medizin sei für Millionen gesetzlich Versicherte frustrierende Realität, sagte Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Tag für Tag erlebten sie, dass Privatversicherte schnell Termine bekämen, während sie oft wochenlang warten müssten. Die neue Bundesregierung soll daher aufgefordert werden zu prüfen, wie ein „gleichberechtigter Zugang“ gesichert werden kann - etwa mit einer verpflichtenden Mindestquote oder finanziellen Anreizen für Termine für Kassenpatienten. Über den Vorstoß beraten nun die Bundesrats-Ausschüsse.
„Pille danach“
Das von der Länderkammer gebilligte Gesetz regelt auch einige andere Punkte. Schon jetzt haben Frauen einen Anspruch auf eine Notfall-Verhütung mit einer „Pille danach“ auf Kassenkosten, wenn es Hinweise auf sexuellen Missbrauch oder eine Vergewaltigung gibt - allerdings bisher nur bis zum 22. Geburtstag. Diese Altersgrenze fällt jetzt weg.
Praktische Wirkung umstritten
Die gesetzlichen Krankenkassen bezweifeln große Effekte. „Ob sich auch für die Patientinnen und Patienten etwas verbessert, steht in den Sternen“, sagte die stellvertretende Chefin des Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis. Das Gesetz sei so aufgebaut, dass Hausärzte garantiert 400 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich bekämen, selbst wenn es keinen einzigen zusätzlichen Termin gebe. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßte dagegen, dass mit dem Wegfall der Vergütungslimits Praxisschließungen in den kommenden Jahren verhindert würden. Etwa in Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg würden viele Praxen erleichtert aufatmen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, monierte, es bleibe das Geheimnis von Lauterbach, wie der Wegfall der Honorar-Limits zu mehr Terminen führen solle. Zum Steuern brauche es Zulassungsbegrenzungen in lukrativen Ballungszentren und Anreize für Praxen in strukturarmen Regionen. Zweifelhaft sei auch, dass chronisch Kranke wegen der neuen Jahrespauschale seltener Praxen aufsuchen. Diese Patienten hätten verschiedenste Symptome. „Mehrmals im Jahr ärztlichen Rat einzuholen, liegt somit auf der Hand.“