TKleierde für Deicherhöhung: Kehdinger wehren sich gegen Pläne des Landkreises
Der Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms sieht vier Vorrangflächen für Kleiabbau (braun-grau abgebildet) vor. Foto: Landkreis Stade
Der Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms weist 540 Hektar wertvollste Flächen für Kleiabbau aus. Soll mit Kehdinger Erde der Deich bis Hamburg ertüchtigt werden?
Nordkehdingen. Es ist ein emotionales Thema und hat Baljes Alt-Bürgermeister Hermann Bösch auf den Plan gerufen: Im Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) sind 540 Hektar als Vorrangfläche für Kleiabbau ausgewiesen. Das hat Bösch aufhorchen lassen. Schließlich handelt es sich um hochwertige Ackerflächen.
Sie gehören zu den wertvollsten Flächen im Landkreis Stade. Das deckt sich mit der Einschätzung des Umweltberichts im aktuellen RROP-Entwurf. Auf Seite 27 steht: „Die Böden im Marschgebiet entlang der Elbe weisen eine hohe bis äußerst hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit auf.“
„Wenn der Klei weg ist, wächst kein Weizen mehr“
Die Erde dort ist Grundlage der Landwirtschaft in ganz Nordkehdingen. Doch nun soll diese Erde für die Deicherhöhung verwendet werden. „Finger weg von privaten Böden“, sagt der streitbare Bösch. „Wenn der Klei abgetragen wird, wächst danach kein Weizen mehr auf dem Land.“ Seine Familie hat Flächen im möglichen Vorranggebiet direkt vor der Haustür. Junior Sönke baut dort Futter für seine Schweine an.
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Insgesamt vier Flächen sind auf dem Plan im RROP auszumachen: eine bei Wischhafen, in der Nähe der Suedlink-Baustelle, eine in Freiburg, westlich von Landesbrück, sowie zwei Flächen in Balje südlich der L111 und der Kreisstraße 10.
Landwirte sorgen sich ums Futter für ihr Vieh
Auch Henning Gellert wirtschaftet hier. „Wenn der Kleiabbau auf diesen Flächen umgesetzt wird, verlieren wir die Futtergrundlage für unsere 360 Kühe“, sagt er. Auf insgesamt 270 Hektar baut er für die Tiere Futter wie Gras und Mais an sowie Marktfrüchte, etwa Weizen, Gerste und Raps.
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Die Familie Gellert bewirtschaftet auch Flächen im Landschaftsschutzgebiet Kehdinger Marsch. „Die Qualität der Weiden reicht kaum noch, um die Jungrinder aufzuziehen. Die Gänse fressen alles ab“, berichtet Henning Gellert.
100 Hektar seiner besten Flächen liegen in den Bereichen, die nun für die Deicherhöhung ausgebaggert werden sollen. Sie liegen in Hofnähe. „Wenn wir nun woanders was pachten müssten, steigen die Transportkosten“, sagt sein Vater Wolfgang Gellert.
Kleiflächen von 200 auf 540 Hektar ausgeweitet
Im RROP von 2013 wurden weniger als 200 Hektar als Vorbehaltsgebiet für Kleigewinnung festgelegt. Im aktuellen Entwurf heißt es auf Seite 76 des Umweltberichts, dass „nunmehr 540 Hektar zum Vorranggebiet für Kleigewinnung festgelegt wird, um den Anforderungen der Klimafolgenanpassung gerecht zu werden“.
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Dabei geht es um den Deichschutz; darum, die Folgen des Klimawandels - eben Überschwemmungen - zu verhindern. In der Begründung heißt es auf Seite 72: „Der Landkreis benötigt gemäß NLWKN für die nächsten 15 Jahre ca. 2,7 Millionen Kubikmeter Klei für die Erhöhung seiner Hauptdeiche.“
Vor 50 Jahren sei der Deichverband mit 60 bis 70 Hektar Land ausgekommen, um 18 Kilometer Deich vom Oste-Sperrwerk bis zum Freiburger Sperrwerk zu bauen, berichtet Bösch. Jetzt soll der Deich um 1,5 Meter erhöht werden, und fast das Zehnfache an Fläche soll ausgewiesen werden.
Mit Kehdinger Erde den Deich bis Hamburg erhöhen?
„Wieso werden jetzt 540 Hektar benötigt?“, fragt Bösch. „Der Verdacht liegt nahe, dass nicht nur der Nordkehdinger Deich damit ertüchtigt werden soll, sondern womöglich bis Hamburg“, sagt Henning Gellert.
Aus Sicht der Landwirte müssen Alternativen gefunden werden. „Es ist Boden genug da“, sagt Bösch, „der Deichverband bekommt dauernd welchen angeboten, etwa aus dem Fehmarnbelt-Tunnelbau.“
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Die Erde könne auf dem Wasserweg bis zum Oste-Sperrwerk transportiert werden. Grundsätzlich sei es möglich, dass dort Schiffe anlegen. Das Problem ist, dass es bisher keine genehmigten Lagerflächen am Deich gibt, auf denen die Erde trocknen kann. „Aber das kann doch kein Hinderungsgrund sein“, so Bösch. Baljes Bürgermeisterin Rike Feil weist darauf hin, dass das auch für den Kleiaushub gelte, „der muss ja auch gelagert werden“.
Bis 7. Januar sollen Stellungnahmen vorliegen
Sönke Bösch benennt ein weiteres Problem: Zu beachten sei, dass mit dem Auskoffern der vorgeschlagenen Kleiflächen die Entwässerung in Richtung Oste durchbrochen werde und dass der Abbau der ausgewiesenen Kleiflächen für deutlich mehr Verkehr sorge. Es sei mit mehr als 100.000 Fahrten nur für den Kleitransport zwischen Oste und Freiburg zum Deich und zurück zu rechnen, ergänzt Henning Gellert.
„Der Landkreis ist aufgefordert, die Zwischenlagerung zu lösen“, so Gellert. „Wir sind nicht gegen den Deichbau, der ist wichtig für uns, aber es geht um gerechte Lastenverteilung.“
Die Zeit drängt. Bis zum 7. Januar sollen die Stellungnahmen zum RROP-Entwurf im Kreishaus vorliegen. Samtgemeindebürgermeisterin Erika Hatecke ist zuversichtlich. Mit Dr. Roda Verheyen hat sie eine renommierte Anwältin für Planungs- und Umweltrecht als Rechtsbeistand engagiert.

Baljes Bürgermeisterin Rike Feil, Wolfgang Gellert, Hermann Bösch, Sönke Bösch und Henning Gellert (von links) beraten sich über den drohenden Kleiabbau. Foto: Helfferich

Sie sind für die Deicherhöhung, aber nicht mit bester Kleierde: Sönke Bösch, Wolfgang Gellert, Rike Feil, Hermann Bösch und Henning Gellert. Foto: Helfferich
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