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Faktencheck

Krankschreibung nur gegen Bezahlung? Posting im Internet sorgt für Aufregung

Für gesetzlich Versicherte, die sich vom Arzt krankschreiben lassen, fallen in der Regel keine Kosten an.

Für gesetzlich Versicherte, die sich vom Arzt krankschreiben lassen, fallen in der Regel keine Kosten an. Foto: Jens Büttner/dpa

Spätestens nach drei Tagen braucht es für Arbeitnehmer im Krankheitsfall eine Bescheinigung vom Arzt. In den sozialen Medien gibt es Aufregung um angebliche Änderungen zum 1. Mai. Was stimmt und was nicht.

Von Redaktion Mittwoch, 28.02.2024, 13:34 Uhr

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Erkältungszeit, Grippewelle, Magen-Darm - fast alle Angestellten werden hin und wieder krank und können eine Zeit lang nicht arbeiten. Eine Behauptung, die in sozialen Netzwerken geteilt wird, klingt daher, als gehe sie wirklich jeden und jede an: „es ist offiziell die Krankschreibung wird jetzt kostenpflichtig“ und „vorbei mit 1 woche krank machen und trotzdem geld bekommen“, ist dort zu lesen (Schreibweise im Original).

Eine Stimme sagt dazu: „Ab dem 1.5.2024 sollen alle Krankschreibungen kostenpflichtig werden. Damit soll gewährleistet werden, dass Arbeitnehmer sich nicht unbegründet krankmelden, um sich einen freien Tag zu gönnen, obwohl sie gar nicht krank sind.“ Was ist dran?

Krankschreibung: Was gilt für Arbeitnehmer?

Die Fakten: Bei so einem Posting lohnt es sich meistens, genauer hinzuschauen. Es ist nämlich keine Quelle angegeben. Zudem würde ein Thema, das so viele Menschen in ihrem Alltag betrifft, höchstwahrscheinlich in den Medien und in sozialen Netzwerken heftig diskutiert. Aber über eine Google-Suche ist nichts zu der angeblichen Neuregelung zu finden.

Zunächst zur Krankschreibung, oder wie sie offiziell heißt: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die brauchen Arbeitnehmer spätestens, wenn sie länger als drei Tage krank sind und nicht arbeiten können. So ist es im Paragraf 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes festgeschrieben.

Für gesetzlich Versicherte, die sich von einem Arzt mit Kassenzulassung (Vertragsarzt) krankschreiben lassen, fallen dabei in der Regel keine Kosten an, wie etwa der Verband für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Deutschlands Virchowbund erklärt. Wendet man sich als Selbstzahler an einen Privatarzt, der nicht mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnet, fallen Gebühren an - diese sind in der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) festgelegt. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen fallen in der GOÄ unter Ziffer 70, wie Abrechnungsdienste für Privatärzte erklären, zum Beispiel ein Dienstleister für Schleswig-Holstein und Hamburg.

„Uns liegen bisher keine Informationen vor, dass sich bei der AU etwas ändert“, teilte der GKV-Spitzenverband, in dem die gesetzlichen Krankenkassen organisiert sind, der dpa auf Anfrage mit. AU ist eine Abkürzung für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Und das Bundesgesundheitsministerium stellte auf dpa-Anfrage klar: „Es ist nicht geplant, Krankschreibungen kostenpflichtig zu machen.“


Die Bewertung:
Beide Behauptungen aus dem geteilten Beitrag im Internet sind falsch. Für die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung müssen gesetzlich Versicherte nicht selbst bezahlen. Die sogenannte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bleibt bestehen.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Im bereits genannten Entgeltfortzahlungsgesetz ist in Paragraf 3 festgeschrieben: „Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.“ Für die im Posting genannte Dauer von einer Woche wird das Gehalt also weiter gezahlt, das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Das Bundesarbeitsministerium teilte auf dpa-Anfrage mit: „Änderungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes sind derzeit nicht geplant.“ Auch eine Suche im Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien des Bundestags (DIP), wo unter anderem Dokumente zu Gesetzgebungsverfahren zu finden sind, ergibt keinen Hinweis auf ein Verfahren zur Änderung des Gesetzes.

Der im Reel verwendete Begriff „krank machen“ bedeutet dem Duden zufolge allerdings dasselbe wie „blaumachen“ - also die Krankheit nur vorzutäuschen, um nicht arbeiten zu müssen. Wer dabei erwischt wird, kann arbeitsrechtliche Probleme bis hin zur Kündigung bekommen, wie Anwälte erklären.

Kann mein Arbeitgeber weiter einen gelben Schein verlangen?

Für gesetzlich Krankenversicherte ist jetzt ohnehin alles einfacher: Sind sie krank, kann der Arbeitgeber die Krankmeldung automatisch digital abrufen. Dürfen Arbeitgeber trotzdem noch die alte Papierform verlangen?

„Nein“, sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Arbeitgeber dürfen bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die keinem Minijob nachgehen, keinen gelben Schein mehr verlangen. „Unabhängig davon, müssen Beschäftigte ihrem Arbeitgeber aber weiter melden, wenn sie arbeitsunfähig sind“, sagt Meyer. Also etwa anrufen oder eine E-Mail schreiben und mitteilen, dass und wie lange sie voraussichtlich ausfallen.

Wer in der Praxis noch einen Papierausdruck über die Arbeitsunfähigkeit ausgedruckt bekommt, muss das Dokument trotzdem nicht an den Arbeitgeber weitergeben.

Papierform bleibt weiter relevant

Dennoch ist die Bescheinigung in Papierform bisher nicht Geschichte. „Es gibt viele Bereiche, in denen der sogenannte gelbe Schein noch eine Rolle spielt“, sagt Meyer. Privat Krankenversicherte müssen ihn weiter vorlegen, gleiches gilt für geringfügig Beschäftigte. Auch die Bescheinigungen für das Kinderkrankengeld und Reha-Bescheinigungen gibt es weiter in Papierform. (dpa/tmn)

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