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Inklusionstag

TKrebs-Diagnose verändert Leben von NDR-Moderatorin Christina von Saß

Christina von Saß vom NDR-Fernsehen (links) moderierte die Podiumsdiskussion beim Buxtehuder Inklusionstag, wo Barbara Zimmermann als Vizepräsidentin der Hochschule 21 zu den Gästen gehörte.

Christina von Saß vom NDR-Fernsehen (links) moderierte die Podiumsdiskussion beim Buxtehuder Inklusionstag, wo Barbara Zimmermann als Vizepräsidentin der Hochschule 21 zu den Gästen gehörte. Foto: Weselmann

Prominenter Gast beim Buxtehuder Inklusionstag: Warum die „Hallo Niedersachsen“-Moderatorin mit einem sehr persönlichen Blickwinkel durch die Veranstaltung führte.

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Von Fenna Weselmann
Sonntag, 01.12.2024, 14:11 Uhr

Buxtehude. Mehr Unterstützer, mehr Aussteller und mehr Besucher als bei den ersten Ausgaben - der 3. Buxtehuder Inklusionstag am Wochenende war ein Erfolg. Besonderen Anklang fand die Podiumsdiskussion unter dem Motto „Inklusion - nur eine Modeerscheinung?“ mit prominenter Besetzung. NDR-Moderatorin Christina von Saß führte durch die Veranstaltung. Dabei hat das Thema Inklusion für sie seit Kurzem eine sehr persönliche Note.

NDR-Moderatorin geht offen mit ihrer Erkrankung um

Als Christina von Saß vor gut einem Jahr ihr Kommen zusagt, weiß die Fernseh-Journalistin noch nicht, dass sie bald selbst von einer Beeinträchtigung betroffen sein wird. Ende 2023 gibt es dann die Krebsdiagnose. Durch die eigene Erkrankung wird ihr mit Blick auf Inklusion vor allem eines bewusst, „wie sehr alles von der Norm Abweichende in der Gesellschaft als Defizit wahrgenommen wird.

Ich wollte weiter der Mensch sein, der ich vorher war“, sagt die 49-Jährige. Deshalb geht sie offen mit der Erkrankung um. Immer wenn es ihr gut ging, kehrte sie zurück vor die Kamera, moderierte „Hallo Niedersachsen“ phasenweise mit Perücke. „Von unseren Zuschauern kam großer Zuspruch und viele Betroffene haben sich gemeldet, dass es ihnen Mut macht“, erzählt sie.

In Buxtehude ist bei der Inklusion noch viel zu tun

Jetzt liegen die Chemobehandlungen hinter ihr und die Haare sind nachgewachsen. Die Sensibilität für das Thema ist geblieben: „Inklusion heißt, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, und es muss alles getan werden, um das zu ermöglichen und Barrieren abzubauen.“

Für die Statements von Annetraud Grote (links) als Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Niedersachsen gibt es von Publikum und Podiumsgästen gleichermaßen Applaus.

Für die Statements von Annetraud Grote (links) als Beauftragte für Menschen mit Behinderung in Niedersachsen gibt es von Publikum und Podiumsgästen gleichermaßen Applaus. Foto: Weselmann

In der Podiumsdiskussion wird deutlich, warum dabei „noch viel Luft nach oben ist“, wie Jens Nübel als Buxtehudes Beauftragter für Menschen mit Behinderung und Inklusionstag-Initiator zum Auftakt sagt. Politik und Verwaltung müssten dran bleiben, pflichtet ihm Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt bei. „Aber um im Miteinander wirklich weiterzukommen, ist jeder von uns gefordert“, betont sie.

Annetraud Grote wünscht sich einfach „Normalität“

Was das konkret heißt, zeigt die Gesprächsrunde mit Annetraud Grote als Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Landrat Kai Seefried, Professorin Barbara Zimmermann (Vizepräsidentin der Hochschule 21) und dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Harburg-Buxtehude, Andreas Sommer. Für Barbara Zimmermann liegt der Schlüssel in einer kompetenzorientierten Sichtweise. „Die Barriere fängt in den Köpfen an“, sagt auch Annetraud Grote. „Ich empfinde mein Leben in keiner Weise als defizitär“, macht sie als Betroffene klar und erklärt, warum Inklusion eben kein Seitenthema ist: „93 Prozent der Behinderungen entstehen erst im Laufe des Lebens.“

Prominenter Podiumsgast beim 3. Buxtehuder Inklusionstag: die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen des Landes Niedersachsen, Annetraut Grote.

Prominenter Podiumsgast beim 3. Buxtehuder Inklusionstag: die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen des Landes Niedersachsen, Annetraut Grote. Foto: Weselmann

Deshalb brauche es eine Bewusstseinsbildung, dass Inklusion einen gesellschaftlichen Vorteil für alle bedeute, so Kai Seefried. „Es ist normal, verschieden zu sein“ - so wie er es mit den Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hält, wünscht sich auch die Landesbauftragte schlicht „die Herstellung von Normalität“.

Das gilt nicht zuletzt in der Arbeitswelt, sprich für die Einstellung von Menschen mit Behinderung. „Nicht mal das Land Niedersachsen erfüllt die fünf Prozent“, legt sie den Finger in die Wunde. Sparkassen-Chef Andreas Sommer betont, dass gesetzliche Vorgaben einen Rahmen schaffen, es am Ende aber eine Haltungsfrage bleibe - so wie bei der Umsetzung von Barrierefreiheit im Sparkassen-Neubau.

Die Barrierefreiheit an den Schulen ist katastrophal

Was Grote von der Politik erwartet? „In Einzelgesprächen erlebe ich viel Verständnis, aber wenn es strukturell etwas zu verändern und das Portemonnaie aufzumachen gilt, ist noch viel gefordert. Dafür braucht es mutige Entscheidungen“, so Grote. Da kann Jens Nübel nur zustimmen. Beim Kita-Neubau hätte er sich bei der Umsetzung mehr gewünscht. „Ich werde einbezogen, aber das Ergebnis sieht dann eben doch anders aus“, sagt er.

Katastrophal nennt Nübel die Barrierefreiheit an Buxtehuder Schulen. Laut Gesetz sind alle niedersächsischen Schulen inklusiv. Die Realität sieht anders aus. Das ärgert genauso Veranstaltungsbesucher und Schulelternratssprecher Marc Höper. „Ein Unternehmen kann ich mir aussuchen, aber bei der Schule habe ich keine Wahl“, sagt er.

Jens Nübel hat manche Baustelle im Fokus. Barrierefreie Kinderspielplätze gehören dazu. Da blicke er neidvoll auf andere Gemeinden wie Harsefeld.

Aktion für einen barrierfreien Zugang: Elisa, Mattis und Carla bauen zusammen mit ihrem Papa Christian Marquardt und Hedwig Sarrazin Rampen aus Legosteinen.

Aktion für einen barrierfreien Zugang: Elisa, Mattis und Carla bauen zusammen mit ihrem Papa Christian Marquardt und Hedwig Sarrazin Rampen aus Legosteinen. Foto: Weselmann

Nübel freut sich über den gelungenen Inklusionstag mit Infoständen und Aktionen. In Buxtehude zeigten alle Institutionen, die mit Menschen mit Behinderung zu tun haben, großes Engagement. Und Betroffene wie die Familie Marquardt können auch Positives berichten.

Tochter Carla ist taub und trägt ein Cochlea-Implantat. Ihre Grundschulklasse ist darauf eingestellt und technisch entsprechend ausgestattet. Jenseits dessen wünschen sich Christian und Corinna Marquardt aber mehr Transparenz und Austausch, damit Inklusion in den Augen aller Eltern eine Selbstverständlichkeit wird.

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