TKuriosum an Nordseeküste: Illegale Radfahrer am Deich

So wünschen es sich Einheimische und Urlauber: Radfahren mit freiem Blick auf das Wattenmeer an der Wurster Nordseeküste. Foto: Leuschner
Sattgrüne Wiesen und die unendliche Weite: Idyllischer kann ein (Rad-)Wanderweg kaum sein. Doch bislang galten Urlauber dort, gesetzlich gesehen, als Störenfriede.
Cuxhaven. Über Jahre hinweg hatten sich Einheimische und Urlauber über das strikte Fahrverbot auf den Deichverteidigungswegen des Deichverbandes Land Wursten geärgert und immer wieder darüber hinweggesetzt.
Um die illegalen Touren zu verhindern, reagierte der Deichverband Land Wursten in der Vergangenheit sogar mit baulichen Maßnahmen. So wurde ein neuer befahrbarer Abschnitt, ein sogenannter Treibselräumweg, mit Längsrillen versehen, die für Radfahrer und Inlineskater äußerst unkomfortabel sind. Bürger sprachen von einem „Schildbürgerstreich“.
Was viele nicht wussten oder wahrhaben wollten: Die asphaltierten oder zementierten Wege im Außendeichbereich waren nie für Radfahrer oder zum Wandern gedacht, auch wenn dieser Abschnitt mit den letzten Kilometern des Weser-Radweges quasi zusammenfällt. Im Niedersächsischen Deichgesetz steht ausdrücklich, dass die Nutzung solcher Deichinfrastruktur nicht erlaubt ist.

Mit solchen Rillen im Beton versuchte der Deichverband Land Wursten in der Vergangenheit, Fahrradfahrer und Inlineskater vom Benutzen der vor dem Hauptdeich gelegenen Deichverteidigungswege abzuhalten. Foto: Leuschner
Deichverband ist Herr über „befahrbares Deckwerk“
Der Deichverband ist verantwortlich für die Hochwasserbollwerke und deren Infrastruktur, zu denen auch das „befahrbare Deckwerk“ vor den Deichen gehört. Darüber soll schweres Baumaterial für Reparaturarbeiten am Ufer oder für Deicherhöhungen transportiert werden. Außerdem wird darüber Schwemmgut (Treibsel) abgefahren, das bei Sturmfluten ans Ufer gespült wird.
Allerdings gibt es aus Sicht des Deichverbandes Land Wursten keinen Grund, Erholungssuchenden die Nutzung zu verbieten. „Die fahren uns an dieser Stelle ja nichts kaputt“, sagt Oberdeichgräfe Günter Veldmann.

Ob vor, über oder hinter dem Wurster Seedeich: Verbotsschilder entlang der Wege sollen entsprechend geändert werden. Foto: Leuschner
Gleichzeitig verwies der Deichverband immer wieder auf konkurrierende Interessenlagen, denen er gerecht werden müsse. So spielt der Naturschutzaspekt - etwa zwischen Wremen und Imsum - eine besondere Rolle. Ein weiteres Problem war die Verkehrssicherungspflicht. Der Deichverband dürfe sich aufgrund seiner Beitragsstruktur nicht gegen Unfallschäden von Radlern versichern, erklärt Veldmann.
Von Naturschutz bis Tourismus: Verschiedene Interessen
Bereits vor Jahren war eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Kreis-Dezernentin Babette Bammann eingerichtet worden, in der sich verschiedene Interessengruppen von der Gemeinde bis zur Nationalparkverwaltung um eine Lösung bemühten. Dabei ging es auch um die von Veldmann angesprochenen Problemlagen.
„Lange hat‘s gedauert - jetzt kann am Deich geradelt und spaziert werden“, teilt die Kreisverwaltung jetzt mit und verweist auf eine Vereinbarung, die vor wenigen Tagen unterzeichnet wurde.
Unterschrieben haben diesen „Verkehrssicherungs- und Genehmigungsvertrag“ neben der Kreisverwaltung auch die Deichverbände Land Wursten und Oberstader Marsch sowie die Anrainergemeinden Hagen, Loxstedt, Geestland und Wurster Nordseeküste.
Vereinbarung gilt fürs Cuxland - an Wurster Küste und Weser
Die Vereinbarung betrifft den Bereich der beiden Deichverbände Osterstader Marsch und Wurster Nordseeküste entlang von Weser und Wattenmeer: von der Ortsgrenze Bremen-Nord bis zur südlichen Ortsgrenze Bremerhaven und von der nördlichen Ortsgrenze Bremerhaven bis Cuxhaven.
Geregelt wird, wie Radfahrer und Fußgänger die Wege am, auf und vor dem Deich benutzen dürfen. „An dem gemeinsamen Vertrag wurde lange und genau gefeilt, um die unterschiedlichen Interessenlagen aller zu berücksichtigen und eine Benutzung so zu gestalten, dass sie für alle verträglich ist“, betont Kreisrätin Babette Bammann.
Im Detail wurde vereinbart:
- Die Verkehrssicherungspflicht wird von den Gemeinden übernommen.
- Die Gebietskörperschaften informieren über Schilder und Informationstafeln am Beginn der Wege.
- Die Wege werden jeden Monat vom Deichverband gesichtet.
- Viermal im Jahr werden die Wege im Rahmen einer Deichbegehung vom Deichverband kontrolliert.
- Während der Sturmflutsaison von Oktober bis März werden die Kontrollen bedarfsweise verdichtet und bei Schäden oder Unpassierbarkeit eines Weges dieser gesperrt.
Vereinbarung gilt ab sofort - Verbotsschilder werden geändert
Für den Deichverband bedeute die Vereinbarung keinen Mehraufwand. „Diese Kontrollen und Sichtungen finden ohnehin regelmäßig statt“, sagt Oberdeichgräfe Veldmann.
Die Vereinbarung gilt ab sofort; entsprechende Verbotsschilder sollen demnächst geändert werden.
Für Veldmann ist es die richtige Entscheidung: Die Treibselräumwege seien für den Schwerlastverkehr ausgelegt, deshalb sollten sie für Einheimische und Gäste mit Fahrrad, abgesehen von Ausnahmen während der Sturmflutzeit, nicht gesperrt sein.