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TLandwirte bauen ab und ziehen Bilanz: Die Tops und Flops des Stader Protestcamps

Letzter Tag im Protestcamp: Die Landwirte haben sich zur Abschlussrunde mit der Polizei um die Feuertonne versammelt.

Letzter Tag im Protestcamp: Die Landwirte haben sich zur Abschlussrunde mit der Polizei um die Feuertonne versammelt. Foto: Anping Richter

Es gibt schönere Orte zum Campen als den Platz Am Sande im Februar. Doch darum ging es den Bauern nicht, die drei Wochen in Stade ausgeharrt haben. Mittwoch haben sie abgebaut und Bilanz gezogen. Hier fünf Tops und drei Flops des Protestcamps.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 14.02.2024, 21:06 Uhr

Landkreis. Das Ziel war ehrgeizig: „Wir bleiben, bis Olaf Scholz persönlich kommt“, hatten die Landwirte verkündet, als sie am 24. Januar aufbauten. Andernfalls wollten sie drei Wochen rund um die Uhr ausharren. In einem Brief hatten sie den Bundeskanzler eingeladen und zehn agrarpolitische Forderungen formuliert. Aber ...

Flop 1: Der Kanzler ist nicht gekommen

Die Landwirte, die aus dem Umfeld von Land schafft Verbindung (LsV) kommen, wirken nicht wirklich überrascht, dass Scholz nicht kam. Aber sie sind enttäuscht, dass er ihren Brief noch immer nicht beantwortet hat.

Top 1: Die Medienwirksamkeit
Die mediale Wirkung war trotzdem gut, sagt Camp-Teilnehmer Frank von Bargen. Da sie in Stade und nicht vor dem Bundestag in Berlin campierten, hätte er mit überschaubarer Resonanz gerechnet. Doch über die ungewöhnliche Aktion wurde viel berichtet. Ein Erfolg war das auch für LsV. Die Bewegung setzt sich bewusst von den politisch gemäßigteren Bauernverbänden (Landvolk) ab, von denen sie sich nicht wirklich repräsentiert sieht und sucht den direkten Kontakt zu Bevölkerung und Politik.

Flop 2: Und wer füttert die Tiere?
Die erste Panne gab‘s schon am ersten Morgen: Um 5.30 Uhr kam die erwartete Ablösung nicht. Die Landwirte merkten bald, dass sie nicht ausreichend bedacht hatten, dass fast alle Tiere im Stall haben, die früh am Morgen gefüttert werden müssen. Die Lösung war schnell gefunden: Sympathisierende Nicht-Landwirte übernahmen öfters mal die Frühschicht.

Top 2: Verbundenheit
Von vielen Bürgern gab es nicht nur mündlich Zuspruch, sie brachten auch Kaffee oder Brötchen vorbei. Die Verbindung untereinander ist im Camp so gewachsen, dass die Teilnehmer Abschiedsschmerz spüren: „Was machen wir jetzt bloß? Wir werden uns vermissen“, sagt Sina Bernhard. Die 20-Jährige gehört zum Kern der Truppe und war fast die ganze Zeit vor Ort. Mit dabei: Ihre kleine Tochter Elia Elva, die mit acht Wochen ins Camp kam und es im Alter von elf Wochen verlässt. „Unser Demo-Baby“, sagen die Camp-Teilnehmer liebevoll.

Flop 3: Agrardiesel

Dass die Bundesregierung die Erstattung der Energiesteuer auf Agrardiesel abschaffen will, bezeichnen die Landwirte von LsV als „den Tropfen, der das Fass zum Platzen gebracht hat“. Die Abschaffung soll nun zwar stufenweise erfolgen, aber mehr haben sie nicht herausgeholt. Bisher, sagt Horst Meyer vom LsV-Orga-Team Elbe-Weser-Nord. Warum er die Hoffnung nicht aufgegeben hat: Die CDU hat diese Forderung der Landwirte übernommen und angekündigt, ihre Zustimmung zum Wachstumschancengesetz davon abhängig zu machen.

Top 3: Imagepflege
Das Camp war eine Möglichkeit, zu zeigen, dass Landwirte nicht nur mit Treckern protestieren können, sagt Horst Meyer: „Wir beherrschen auch die leise Klaviatur.“ Das Feuertonnen-Format funktioniert gut, findet Mario Breuer: „Wenn zehn oder 20 Landwirte mit Politikern sprechen, geht das besser als wenn es 100 sind.“ Viele Besucher hätten einiges über die Produktion von Lebensmitteln und die globale Konkurrenz gelernt. Bei Familien seien die Trettrecker-Fahrten für Kinder an einem Sonntag gut angekommen.

Hier wird dem Bundestagsabgeordneten Stephan Wenzel und der Landtagsabgeordneten Eva Viehoff, beide Grüne (2. und 3. von rechts), das Fass gezeigt, das der Agrardiesel-Tropfen zum Überlaufen brachte.

Hier wird dem Bundestagsabgeordneten Stephan Wenzel und der Landtagsabgeordneten Eva Viehoff, beide Grüne (2. und 3. von rechts), das Fass gezeigt, das der Agrardiesel-Tropfen zum Überlaufen brachte. Foto: Horst Meyer/LsV

Top 4: Agrarpolitische Lobbyarbeit
Die Landtagsabgeordnete Corinna Lange und der Bundestagsabgeordnete Daniel Schneider von der SPD kamen und nahmen den Brief an Olaf Scholz mit. Die CDU-Landtagsabgeordneten Birgit Butter und Melanie Reinecke brachten ihren Generalsekretär Marco Mohrmann mit, und auch der Bundestagsabgeordnete Enak Ferlemann (CDU) machte seine Aufwartung. Stephan Wenzel (Grüne), Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kam nicht. Er bekam aber Besuch: Das Protestcamp-Team fuhr nach Himmelpforten, wo er bei den Grünen zu Gast war.

„Zehn Minuten Redezeit sollten wir bekommen, 45 Minuten sind es geworden“, berichtet Mario Breuer. Wenzel habe einen weiteren Gesprächstermin zugesagt. Am kommenden Freitag soll es noch ein Treffen mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Gero Hocker geben. Landrat Kai Seefried besuchte das Camp gleich drei Mal und hatte Kaffee und Kuchen dabei. Und die AfD? „Nicht, dass wir wüssten.“

Top 5: Die Aktivisten haben Erfahrung gewonnen

Die Polizei war zum Abschluss eingeladen und befand, es sei gut gelaufen - abgesehen von „zwei kleinen Ruhestörungen“. Auch Seefried lobte den friedlichen Protest. Geregnet hat es viel, aber das Camp wurde von der Kaffeemaschine bis zum Grill nach und nach immer besser ausgestattet. Für die Zukunft denken die Landwirte darüber nach, auch mal im Sommer Präsenz zu zeigen - zum Beispiel auf dem Wochenmarkt.

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