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Lungenkrebs-Risiko Radon: Was tun gegen die unsichtbare Gefahr im Haus?

Häufiges Lüften kann dabei helfen, die Radonkonzentration in einem Gebäude zu verringern.

Häufiges Lüften kann dabei helfen, die Radonkonzentration in einem Gebäude zu verringern. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Es gilt als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs - nach dem Rauchen. Doch anders als Kippenqualm kann man Radon nicht riechen. So finden Sie heraus, ob es Handlungsbedarf in Ihren Wohnräumen gibt.

Von Redaktion Montag, 09.12.2024, 03:55 Uhr

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Salzgitter/Landkreis. Sie können es weder sehen noch riechen – und dennoch kann es in höheren Konzentrationen in der Wohnung sein: Radon, ein radioaktives Edelgas, das im Erdboden vorkommt. Durch Risse im Fundament oder über Kabel- und Rohrschächte kann es in Keller und Wohnräume gelangen.

Das Problem: Atmet man Radon über einen längeren Zeitraum ein, besteht ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Einer aktuellen Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) zufolge könnten über sechs Prozent aller Lungenkrebstodesfälle in Deutschland rechnerisch auf Radon in Wohnungen zurückgehen. Das wären demnach rund 2.800 Fälle pro Jahr.

Nach Empfehlung von Strahlenschützern sollten in Häusern und Wohnungen Radon-Messungen gemacht werden. (Archivfoto)

Nach Empfehlung von Strahlenschützern sollten in Häusern und Wohnungen Radon-Messungen gemacht werden. (Archivfoto) Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Doch es gibt gute Nachrichten: Wie hoch die Radon-Konzentration in den eigenen Wohnräumen ist, lässt sich kostengünstig herausfinden. Und oft reichen laut BfS kleine Maßnahmen aus, um vorhandene Radonbelastung zu senken - und damit das Erkrankungsrisiko. Was Sie dazu wissen sollten.

Wann ist Radon in Gebäuden überhaupt ein Problem?

Radon kommt überall vor - nur eben in unterschiedlicher Konzentration. Zur Einordnung: Der Jahresmittelwert an Radon, dem Menschen in Deutschland in Wohnräumen ausgesetzt sind, beträgt laut BfS durchschnittlich rund 65 Becquerel pro Kubikmeter. Ein Becquerel pro Kubikmeter entspricht dabei einem radioaktiven Zerfall pro Sekunde und Kubikmeter Luft.

Einen Schwellenwert, unterhalb dessen das Edelgas mit Sicherheit kein Gesundheitsrisiko darstellt, gibt es laut BfS nicht. Aber: Das Lungenkrebsrisiko erhöht sich demnach um etwa 16 Prozent, wenn die Radonkonzentration 30 Jahre lang bei 100 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft liegt. Bei 200 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft würde das Risiko für denselben Zeitraum bereits um 32 Prozent steigen.

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Im Strahlenschutzgesetz ist als Referenzwert für eine erhöhte Konzentration von Radon in Innenräumen ein Wert von 300 Becquerel pro Kubikmeter angegeben. Liegt die Konzentration an Arbeitsplätzen im Jahresmittel darüber, müssen Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz ihrer Beschäftigten ergreifen.

Was bedeutet das für Eigentümer und Bewohner privater Gebäude?

Für Wohngebäude hat eine höhere Konzentration allerdings keine unmittelbaren Konsequenzen: Auch wenn dort ein Wert über tausend Becquerel pro Kubikmeter im Jahresmittel gemessen würde, sind Eigentümer oder Bewohner nicht verpflichtet, Ihr Haus zu verlassen oder abdichten zu lassen. „Das muss man dann selbst entscheiden“, sagt der Diplom-Ingenieur Philipp Park, Seminarleiter bei der Ingenieurakademie Bayern. „Ich würde sagen: Wenn ich solche Werte habe, besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf.“

Das Bundesumweltministerium empfiehlt auf seiner Webseite ab einem Wert von 300 Becquerel pro Kubikmeter in einem Wohnraum zu prüfen, „ob Maßnahmen zur Reduzierung der Radonkonzentration umgesetzt werden können“. In viel genutzten Räumen kann es aber auch unterhalb dieses Wertes sinnvoll sein zu prüfen, ob sich die Konzentration durch einfache Maßnahmen senken lässt.

Wie findet man heraus, wie hoch die Radonkonzentration in der Wohnung ist?

Wie viel Radon im Boden, in der Luft und auch in Innenräumen vorkommt, ist laut BfS regional unterschiedlich. Eine erhöhte Radonkonzentration in Wohnungen kommt demnach insbesondere in den Mittelgebirgsregionen und im Alpenvorland vor. Karten zur regionalen Verteilung von Radon gibt es auf der Webseite des BfS.

Wie hoch die Konzentration in Wohnräumen tatsächlich ist, lässt sich aber nur durch Messungen klären - und die sind zum Glück unkompliziert möglich. Man braucht dafür so genannte Kernspurdosimeter. Das sind kleine Plastikbehälter, die keinen Strom benötigen, und in der Wohnung mindestens drei Monate lang ausgelegt werden sollten – am besten aber über einen Zeitraum von zwölf Monaten.

„Wichtig ist, während der Heizperiode im Winterhalbjahr zu messen“, sagt Philipp Park. Denn in den Sommermonaten habe man Fenster häufiger geöffnet als im Winter. Daher fällt die in der warmen Jahreszeit ermittelte Radonkonzentration in der Regel verhältnismäßig niedrig aus.

Solche Kernspurdosimeter sowie eine anschließende Auswertung bieten verschiedene Messlabore an. Das BfS stellt auf seiner Webseite eine Liste mit Anbietern zur Verfügung. Je nach Labor kostet eine Messung demnach zwischen 30 und 50 Euro.

Und wo im Haus stellt man die Dosimeter am besten auf?

Radon kommt aus dem Erdreich. Am besten platziert man ein Dosimeter deshalb im Keller, wo die höchsten Werte zu erwarten sind. Laut BfS idealerweise dort, wo die Ver- und Entsorgungsleitungen für Wasser, Gas und Co. ins Haus kommen.

Über kleine Risse und Fugen kann Radon in Kellerräume gelangen.

Über kleine Risse und Fugen kann Radon in Kellerräume gelangen. Foto: Catherine Waibel/dpa-tmn

Am besten stellt man gleich mehrere Dosimeter im Haus auf. „Fragen Sie sich, wo denn Ihr nächster am Keller liegender, schutzbedürftiger Aufenthaltsraum ist, in dem Sie sich wirklich dauerhaft aufhalten, also nicht nur zum Wäschezusammenlegen“, sagt Park. Sinnvoll kann es etwa sein, die Radonkonzentration in Wohn-, Schlaf- oder Kinderzimmern im Erdgeschoss oder ersten Stock zu messen. „Nach oben hin wird die Konzentration im Regelfall immer weniger. Deshalb macht es im Dachgeschoss nicht unbedingt Sinn, zu messen.“

Was kann man tun, um die Konzentration an Radon zu senken?

Einfach - und sinnvoll: lüften, lüften, lüften. Und zwar am besten quer. Das heißt: Fenster an unterschiedlichen Gebäudeseiten regelmäßig weit öffnen, sodass Durchzug entsteht und die verbrauchte Luft schneller ausgetauscht wird.

Das BfS empfiehlt sogar einen Lüftungsplan, damit man nicht vergisst, regelmäßig das Fenster zu öffnen - etwa in Kombination mit regelmäßigen Weckrufen oder einer Kalenderfunktion für Handy oder Rechner.

Wer geübt im Heimwerken ist, kann Türen zum Keller und Wasser- und Heizungsleitungen selbst abdichten – und so das Radon aussperren. Ritzen, kleine Löcher und Fugen bei Anschlüssen von Rohrdurchführungen lassen sich laut BfS etwa mit dauerelastischen Kittmassen wie Silikon abdichten und Türen mit elastischen Dichtungsprofilen.

Um herauszufinden, ob das ausreicht, sollte man anschließend eine weitere Radonmessung vornehmen. Ist die Konzentration nicht deutlich gesunken oder war die Ausgangskonzentration an Radon in den Wohnräumen von vornherein sehr hoch, rät die Bayerische Ingenieurekammer-Bau dazu, Radonfachpersonen zu engagieren.

Radonfachpersonen sind speziell ausgebildete Architekten, Ingenieure und Baufachleute, die Aufwand und Erfolgsaussichten verschiedener Sanierungsmöglichkeiten abwägen können. Denkbar ist dann etwa der Einbau einer technischen Lüftungsanlage im Keller.

Wer Radonfachpersonen hinzuziehen will, kann sich etwa an den Verein Bau Bildung Sachsen oder das Hessische Radonzentrum wenden.

So hoch ist die Radon-Gefahr im Landkreis Stade

Berechnungen des BfS zufolge liegt die bundesweit durchschnittliche Radon-Konzentration mit Stand von 2023 bei rund 65 Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3). Aus der erstellten Karte lasse sich ablesen, ob der Durchschnittswert in der eigenen Stadt oder Gemeinde über oder unter diesem Mittelwert liege. Regionale Schwankungen reichen demnach von unter 35 im westlichen Niedersachsen bis weit über 150 in vielen Mittelgebirgs- und Gebirgsregionen.

  • Im Landkreis Stade wird laut Karte mehrheitlich eine Radon-Konzentration von 35 bis 55 Becquerel pro Kubikmeter angenommen. Die im Vergleich geringen Werte sagten aber nichts über einen konkreten Einzelfall aus. Deshalb sind auch Besitzer älterer Immobilien im Landkreis aufgerufen, freiwillige Messungen zum Schutz ihrer Gesundheit durchzuführen.
Durchschnittliche Aktivitätskonzentration von Radon deutschlandweit.

Durchschnittliche Aktivitätskonzentration von Radon deutschlandweit. Foto: Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)

Die neue Auswertung zeige regionale Unterschiede wegen der geologischen Beschaffenheit des Bodens und der Siedlungsstruktur. In Bundesländern mit höheren durchschnittlichen Radon-Konzentrationen in Wohnungen ist der Anteil der durch Radon bedingten Lungenkrebstodesfälle höher als in Ländern mit niedrigeren Durchschnittswerten.

Oben stehen dabei Thüringen (10,0 Prozent) und Sachsen (9,5 Prozent). Am niedrigsten liegt die Quote in den Stadtstaaten Berlin (3,2 Prozent, Hamburg und Bremen (jeweils 3,3 Prozent).

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Regionale Unterschiede bei Gaskonzentration

Die Menschen sollten laut BfS-Präsidentin Paulini mögliches Radon in den eigenen vier Wänden messen lassen. Diese Messungen seien einfach und kostengünstig zu haben. „Sind die Radon-Werte zu hoch, ist wirksamer Schutz möglich“, sagte Paulini.

Derzeit steht eine Großkampagne im Weserbergland an, wo Menschen ihre Häuser untersuchen lassen können. Bis Ende des Monats bietet das Land Niedersachsen kostenlose Messungen in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Holzminden an, wie der zuständige Landesbetrieb mitteilte. In der Region gebe es ergiebige Radon-Quellen im Untergrund.

Ein Radonexposimeter wird drei bis zwölf Monate installiert.

Ein Radonexposimeter wird drei bis zwölf Monate installiert. Foto: Uli Deck/dpa

Für die Überprüfung erhalten Haushalte vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) kleine Messgeräte, sogenannte Dosimeter (siehe oben). Die Ergebnisse dieser Messungen werden durch den NLWKN anonymisiert ausgewertet.

Zuletzt gab es eine vergleichbare Messkampagne im Südharz mit mehr als 900 teilnehmenden Haushalten. Demnach war in 84 Prozent der untersuchten Gebäude die Radonbelastung unkritisch. Die Aktion helfe auch dabei, die Radon-Vorkommen in Niedersachsen besser zu erfassen. (dpa/tip)

Häufiges Lüften kann dabei helfen, die Radonkonzentration in einem Gebäude zu verringern.

Häufiges Lüften kann dabei helfen, die Radonkonzentration in einem Gebäude zu verringern. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

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