TMauer des Schweigens: Wichtige Zeugen im Stader Clan-Prozess sagen nichts

Der 34-jährige Angeklagte steht zu Prozessbeginn zwischen seinen Anwälten Dinah Busse und Dr. Dirk Meinicke im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Stade. Foto: -/dpa Pool/dpa
Die Verteidiger des wegen Mordes angeklagten Mustafa M. sind überzeugt: Wichtige Zeugen im Stader Clan-Prozess lügen. Und die Polizei geriet auch ins Visier der Juristen.
Stade. Im Stader Clan-Prozess gibt es viele offene Fragen. Jetzt sagte eine Polizistin aus. Sie hatte sich in der Mordkommission unter anderem mit dem kriminellen Vorleben des Opfers beschäftigt. Khaled R. hat ab 2009/2010 wegen Drogenhandels vor Gericht gestanden. Die Richter schickten ihn für fünf Jahre ins Gefängnis.
Im Zuge des Drogenprozesses wurde die ermittelnde Staatsanwältin bedroht - möglicherweise vom Al-Zein-Clan. Der am 22. März 2024 am Salztor in Stade infolge eines Messerstichs in den Kopf verstorbene Khaled R. gehörte einer Seitenlinie dieser arabischstämmigen Familie an. Mehrere Jahre lang konnte die Anklägerin sich lediglich mit Personenschützern auf die Straße trauen. Der Drogenprozess war seinerzeit von Stade nach Celle verlegt worden - in einen Hochsicherheits-Gerichtssaal.
Danach seien keine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mehr nachweisbar gewesen. Das gelte auch für Verstöße gegen das Waffengesetz. Aktenkundig seien später lediglich gefährliche Körperverletzungen und Geldwäsche durch Khaled R. gewesen, sagten die Polizistin sowie Staatsanwältin Dawert.
Während der Befragung der Zeugen kam es zwischen dem Verteidiger von Mustafa M., Dr. Dirk Meinicke, und dem Vorsitzenden Richter Erik Paarmann wiederholt zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch. Meinicke hatte die Polizistin (59) in die Mangel genommen. „Mäßigen Sie Ihren Ton“, forderte Paarmann den Anwalt auf.
Dieser unterstellte der Polizei und der Staatsanwaltschaft erneut, ihn „an der Nase herumzuführen“. Die Mordkommission habe „einseitig ermittelt“ und „Entlastendes“ für seinen Mandanten unter den Teppich gekehrt. Immer wieder ging Meinicke die Zeugin hart an. Letztlich entschuldigte sich der Verteidiger für seinen „erbosten Ton“. Dieser sei „fehl am Platze“, sie sei die falsche Adressatin.
Vorsitzender Richter kritisiert das Auftreten des Verteidigers
Den Beginn des 20. Verhandlungstages bestimmten Nebenkriegsschauplätze. Die Verteidigung biss sich an der Aussagegenehmigung - online einsehbar - und einer Feier der Mordkommission zum Abschluss der Ermittlungen fest. Wer hat bezahlt, was wurde getrunken? Richter Paarmann reagierte verärgert, er bot dem Verteidigerteam eine Sofort-Nachhilfe bei der Internetrecherche an.
Anwälte erheben schweren Vorwurf gegen die Ermittler
Meinicke warf der Polizei erneut vor, letztlich für den Mord verantwortlich zu sein. Nach dem Überfall der Al-Zeins auf KC-Sportswear in der Stader Hökerstraße hätte die Polizei umgehend Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einleiten müssen. Schließlich sei aufseiten der Miris von Schusswaffen bei den Al-Zeins die Rede gewesen, so der Verteidiger.
„Wird knallen“
T Stader Clan-Prozess: Tumult nach Provokationen im Gerichtssaal
Miri und Al-Zein seien polizeibekannte Namen. Es habe natürlich Maßnahmen gegeben, hieß es. Welche, das blieb im Raum stehen. Es gab keine Nachfragen. „Das war auch für uns ganz furchtbar - schließlich ist ein Mensch gestorben“, sagte die Beamtin. Auch zum Motiv gab es nichts Konkretes.
Mauer des Schweigens bei Zeugen aus Döner-Imbiss
Auch das Aussageverhalten der Mitarbeiter eines Döner-Imbisses wurde bei der Befragung der Zeugin erneut beleuchtet. Wie berichtet, versucht das Anwaltsteam, seinen Mandanten vor einer Verurteilung wegen Mordes zu bewahren. Die Anwälte wollen offenbar auf Totschlag - sprich Nothilfe - hinaus.
Bei der Klärung könnten Augenzeugen helfen, die den Messerangriff offenbar aus wenigen Metern Entfernung beobachtet haben. Doch sie erinnern sich angeblich nicht. Bereits während der Ermittlungen der Mordkommission hätten wichtige Zeugen gemauert.

Das Salztor ist abgesperrt: Blick auf einen Tatort der Auseinandersetzung zwischen zwei kriminiellen Clans in Stade im März 2024. Foto: Polizei
„Der, der tot ist, ist vorher auf einen losgegangen“, sagte ein Zeuge laut Akte. Bereits damals hatte Staatsanwältin Dawert - wie am 19. Verhandlungstag - den Zeugen aus dem Döner-Imbiss am Hafen unter anderem „Aussageunwilligkeit“ vorgeworfen. Die Imbiss-Mitarbeiter hätten in einem „besorgniserregenden, strafrechtlich relevanten Maß gemauert“, heißt es in den Akten. Verteidiger Meinicke forderte die Justiz auf, Verfahren wegen Falschaussage gegen die Imbiss-Mitarbeiter einzuleiten: „Diese müssen die Tat gesehen haben.“
Er verwies auf das Überwachungsvideo aus dem Döner-Restaurant. Die Zeugen hätten ersichtlich wahrheitswidrig vor Gericht ausgesagt, sie ständen auf der Seite der Al-Zeins oder seien eingeschüchtert worden. Fakt sei: Die Mitarbeiter unterhielten sich wenige Minuten nach dem Mord detailliert darüber, wie Khaled R. mit einem Messer vor ihren Augen getötet worden sei.
Der Prozess wird am Mittwoch, 26. März, ab 9.30 Uhr fortgesetzt.