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Umfragen

Ein Jahr vor der Bundestagswahl – Wo stehen Niedersachsens Parteien?

„Den Durchmarsch der AfD eindrucksvoll gestoppt“: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil über das Wahlergebnis in Brandenburg. (Archivbild)

„Den Durchmarsch der AfD eindrucksvoll gestoppt“: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil über das Wahlergebnis in Brandenburg. (Archivbild) Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die strauchelnden Ampel-Parteien, die hinter Merz versammelte CDU, die AfD im Aufwind und das neue BSW: In der deutschen Politik ist seit der Niedersachsen-Wahl viel passiert. Wo steht das Land dabei?

Von Christopher Weckwerth, dpa Samstag, 28.09.2024, 06:00 Uhr

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Hannover. In knapp einem Jahr, am 28. September 2025, wird der Bundestag neu gewählt. Der im öffentlichen Meinungsbild angeschlagene Kanzler Olaf Scholz hat angekündigt, dass er erneut für die SPD kandidieren will. Die Union hat sich nach langen Spekulationen auf CDU-Chef Friedrich Merz als Herausforderer geeinigt. Haben Scholz und Merz die Rückendeckung aus Niedersachsen? Und wie wirken sich das Umfragetief der Ampel und das Erstarken von AfD und BSW im Land aus? Ein Überblick.

Wie stark sind die Parteien in Niedersachsen?

Bei der Europawahl im Juni bekam die im Land nicht an der Regierung beteiligte CDU mit 31,4 Prozent in Niedersachsen deutlich mehr Stimmen als die SPD von Ministerpräsident Stephan Weil mit 19,5 Prozent. Die AfD wurde drittstärkste Kraft mit 13,2 Prozent, gefolgt von den Grünen (12,2 Prozent), der FDP (5,3 Prozent) und dem BSW (4,5 Prozent). Die Linke (2,1 Prozent) landete sogar noch hinter der Partei Volt (2,2 Prozent).

In einer aktuellen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey zur Landtagswahl ist das Rennen um die Spitzenposition knapper, doch auch hier liegt die CDU (29,9 Prozent) um ihren Landeschef Sebastian Lechner vor Weils SPD (29,4 Prozent). Die AfD (16,7 Prozent) würde sich noch deutlicher vor den Grünen (9,8 Prozent) positionieren. Die FDP liegt bei 5,1 Prozent, die Linke bei 2,0 Prozent. Das BSW wurde noch nicht gesondert erfasst.

Welche Rolle spielen die AfD und das BSW in Niedersachsen?

Im Vergleich zur Landtagswahl 2022, als sie 11,0 Prozent erreichte, ist die AfD auch zwischen Nordsee und Harz im Aufwind. Eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe hatte die in Niedersachsen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestufte Partei Anfang des Jahres im Land sogar bei 21 Prozent gesehen.

AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann erhofft sich bereits eine Regierungsbeteiligung nach der nächsten Landtagswahl - eine Zusammenarbeit mit der CDU halte er durchaus für möglich, sagte er vor kurzem. Die CDU lehnt aber eine Kooperation mit der AfD kategorisch ab.

Das BSW steckt im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen: Der niedersächsische Landesverband der Wagenknecht-Partei wurde erst Mitte September gegründet. Die Mitgliederzahl lag da landesweit bei gerade einmal 62. Aber: Ministerpräsident Weil sieht das BSW durchaus als Konkurrenz für seine Partei. „Das BSW ist schon ein Stich ins Fleisch der SPD. Darauf müssen wir reagieren“, forderte Weil im Juni im „Stern“.

Wie ist das Verhältnis der Landesverbände zur Ampel?

Regierungschef Weil macht keinen Hehl daraus, dass die Bundesregierung auch ihm zu oft zerstritten erscheint. „Ich wünsche mir eine völlig andere Zusammenarbeit in der Ampel: eine Ampel, in der man miteinander redet und die Pläne danach geschlossen nach außen vertritt“, sagte der SPD-Landeschef im Sommer. Dennoch stellte er sich klar hinter Kanzler Scholz - und nicht etwa hinter seinen langjährigen Innenminister Boris Pistorius, der in den Medien gelegentlich auch als möglicher SPD-Kanzlerkandidat gehandelt wird: „Olaf Scholz ist die Nummer eins in der SPD“, sagte Weil.

Bauchschmerzen mit dem Kurs der Bundesregierung haben einige niedersächsische Grüne derzeit in der Frage der Migrationspolitik. So kritisierte die Grünen-Landtagsabgeordnete Djenabou Diallo-Hartmann kürzlich die Ausweitung der Grenzkontrollen. „Grenzkontrollen widersprechen der europäischen Idee“, sagte sie dem NDR.

Die FDP als dritte Ampel-Partei hatte den Verbleib im Landtag 2022 knapp verpasst. Außerhalb des Parlaments ist ihre Sichtbarkeit in Niedersachsen deutlich zurückgegangen. In Berlin ist der Landesverband aber prominent vertreten: Landeschef Konstantin Kuhle ist FDP-Fraktionsvize im Bundestag. Er ist innerhalb seiner Partei eher ein Verteidiger der Ampel.

CDU-Landeschef Lechner ist mit seiner Bundespartei nicht nur in der Ablehnung der Ampel-Koalition auf Linie. Auch die Antwort der Union auf die K-Frage zur Kanzlerkandidatur hält er für richtig: Friedrich Merz sei „der richtige Mann zur richtigen Zeit für Deutschland und Niedersachsen“, sagte Lechner.

Wie geht es in der Landespolitik weiter?

Die nächste Landtagswahl steht voraussichtlich erst 2027 an. Die seit 2022 regierende rot-grüne Koalition war das Wunschbündnis von SPD und Grünen. Ihre Mehrheit ist mit 81 von 146 Sitzen im Landtag komfortabel, ein vorzeitiger Bruch nicht in Sicht.

Ministerpräsident Weil hatte angekündigt, 2027 nicht noch einmal antreten zu wollen. Gerüchte, dass er sein Amt womöglich sogar vorzeitig innerhalb der SPD weiterreichen könnte, weist er regelmäßig zurück. Vorausgesetzt, seine Gesundheit lasse es zu, wolle er bis zur nächsten Landtagswahl im Amt bleiben, sagte er. Dennoch wird über mögliche Nachfolger spekuliert: Meist fallen dann die Namen von Wirtschaftsminister Olaf Lies und Innenministerin Daniela Behrens.

Die CDU dürfte 2027 mit Fraktions- und Landeschef Lechner ins Rennen um die Staatskanzlei gehen. Er wurde seit der Wahlniederlage 2022 als der neue starke Mann der Partei aufgebaut. AfD-Fraktionschef Wichmann schloss zuletzt nicht aus, dass seine Partei ebenfalls einen Ministerpräsidenten-Kandidaten stellen wird.

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