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TMutmacher: Wie ein Polizist Kinder gegen Gewalt wappnet

Konfliktlösung will gelernt sein: Spielerisch zeigt Jens Mollenhauer, wie das Entschuldigen und Vertragen gelingt.

Konfliktlösung will gelernt sein: Spielerisch zeigt Jens Mollenhauer, wie das Entschuldigen und Vertragen gelingt. Foto: Weselmann

Wo Jens Mollenhauer in den Unterricht kommt, wird es emotional. Das ist in der Buxtehuder Grundschule Harburger Straße nicht anders. Denn genau um die großen Gefühle geht es.

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Von Fenna Weselmann
Samstag, 05.04.2025, 15:50 Uhr

Buxtehude. Jedes Jahr ist der pensionierte Polizist hier im Einsatz, um die Schüler der 1. und 3. Klassen für das Thema Gewalt zu sensibilisieren und ihnen gute Wege aus Konfliktsituationen zu zeigen. Als ehemaliger Leiter der bundesweit einzigartigen Jugendschutzeinheit der Polizei Hamburg hat Jens Mollenhauer einen Koffer voll Lösungen im Gepäck.

Buxtehuder Grundschüler lernen, was Gewalt bedeutet

Spielerisch vermittelt Mollenhauer den Buxtehuder Grundschülern, wie sie richtig reagieren. Was ist Gewalt? Wie kann ich mir selbst oder anderen helfen? Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es bei einer Auseinandersetzung? All diese Fragen nimmt er in den Fokus - und liefert klare Antworten.

Mollenhauer erklärt den Kindern, dass es unterschiedliche Arten von Gewalt gibt: Herzgewalt, Sachengewalt und Körpergewalt. Er macht klar, dass es nicht erst beim Hauen anfängt. Auslachen oder drohen können genauso wehtun, und das mutwillige Zerstören von fremdem Eigentum ist kein Spaß.

Die Grundschüler haben sichtlich Spaß, mit Jens Mollenhauers Handpuppen auf Tuchfühlung zu gehen.

Die Grundschüler haben sichtlich Spaß, mit Jens Mollenhauers Handpuppen auf Tuchfühlung zu gehen. Foto: Weselmann

Damit seine Tipps nicht theoretisch bleiben, nutzt Mollenhauer das Rollenspiel. Dafür zaubert er knuffige Helfer aus seinem Koffer. Die Handpuppen bringen die spielerische Leichtigkeit in das ernste Thema und animieren, das richtige Verhalten gleich praktisch zu erproben.

Der Streitrabe bringt Spaß in ein ernstes Thema

In der Klasse 1B kommt der Streitrabe ins Spiel. Die Kinder dürfen selbst entscheiden, ob sie tierisch geärgert werden wollen. Wer seine Federtasche offen lässt, muss die Augen schließen und riskiert die Opferrolle. Einigen ist das suspekt. Sie schauen lieber zu - mit einem gewollten Lerneffekt. Mollenhauer erklärt, dass es nicht feige, sondern mutig ist, Nein zu sagen.

„Es wird schrecklich“, ruft der Polizist mit einem Lachen. Er lässt den gefiederten Freund durch das Klassenzimmer flattern und ein Radiergummi aus Charlottes Federtasche mopsen. So wird Tischnachbarin Josie als Zuschauende mit einem Mal zur wichtigen Zeugin. Aber der Rabe streitet alles ab und will das Diebesgut nicht rausrücken. Also, was ist zu tun?

Richtiges Handeln in gefährlichen Situationen: Als der Streitrabe die Schere in den Schnabel nimmt, wird es ernst.

Richtiges Handeln in gefährlichen Situationen: Als der Streitrabe die Schere in den Schnabel nimmt, wird es ernst. Foto: Weselmann

Weil ihr Zureden wirkungslos bleibt, gehen die beiden Mädchen zum Lehrer. So wird klar, wann Hilfe zu holen ist. „Es braucht keine lange Erklärung, ihr müsst euch nur drei Wörter merken: Wir brauchen Hilfe“, sagt Mollenhauer. Das gilt einmal mehr im nächsten Fall. Plötzlich hat der Rabe eine spitze Schere im Schnabel. Bei der Gefahr heißt es Abstand halten, damit die Situation nicht weiter eskaliert.

Den Erstklässlern gefällt der ungewöhnliche Unterricht. „Das macht Spaß“, sind Juna, Paul und Mathilda ganz einer Meinung. Und Emma findet super, „dass man alles genau lernt“.

Der pensionierte Polizist zückt die Knuddel-Kelle

Die Schüler üben nicht nur das Helfen und Vertragen. Sie lernen, warum es wichtig ist, über Emotionen zu sprechen, und wie man das eigene „Feuer im Bauch“ - so nennt der Polizist das Wutgefühl - löschen kann. Während seine Puppen wie Geschwister zanken, macht Mollenhauer deutlich: Wenn ein Stopp nicht hilft, ist „cool bleiben“ und „weggehen“ kein Zeichen von Schwäche sondern Stärke.

Die Grundschüler haben sichtlich Spaß, mit Jens Mollenhauers Handpuppen auf Tuchfühlung zu gehen.

Die Grundschüler haben sichtlich Spaß, mit Jens Mollenhauers Handpuppen auf Tuchfühlung zu gehen. Foto: Weselmann

Mollenhauer sensibilisiert die Kinder noch in anderer Hinsicht. Dafür zückt er eine Polizeikelle. Die gibt er in Papierform für zu Hause mit. Auf der roten Seite steht „Knuddeln verboten“. „Ihr dürft selbst bestimmen, wann ihr geknuddelt werden möchtet“, betont er. Und das „Knuddeln erlaubt“ auf der grünen Seite soll Eltern wachrütteln, die lieber auf ihr Handy schauen statt Zeit zu schenken.

Knuddel-Kelle in Sachen Selbstbestimmung: Jens Mollenhauer erklärt den Kindern, dass niemand sie gegen ihren Willen knuddeln oder küssen darf.

Knuddel-Kelle in Sachen Selbstbestimmung: Jens Mollenhauer erklärt den Kindern, dass niemand sie gegen ihren Willen knuddeln oder küssen darf. Foto: Weselmann

Elternrezept: Zeit, Zärtlichkeit und Zuneigung

Mancher Schüler merkt, dass zu Hause nicht alles richtig läuft. Mollenhauer weiß, dass er in Familien einiges durcheinanderwirbelt. Mit Absicht. Wichtiger Aspekt seiner Arbeit: Die Eltern müssen mit ins Boot. Zu jedem Schulbesuch gehört deshalb ein Elternabend. Doch es gibt einen Haken.

„Diejenigen, die kommen müssten, tun es nicht“, so seine Erfahrung. Dabei spielt das Verhalten von Eltern als Vorbild eine entscheidende Rolle im Miteinander. Mollenhauers Grundrezept für die Erwachsenen ist einfach: „Zeit, Zärtlichkeit und Zuneigung.“ „Sie müssen sich mit der Welt ihrer Kinder auseinandersetzen“, fordert er mit Blick auf die Digitalisierung.

Von der Jugendgang in den Polizeidienst

Schulen und Kitas reißen sich um ihn. Dank der Stiftung des Buxtehuder Lions Clubs konnte die Grundschule das Angebot auch dieses Jahr wieder ermöglichen. Jens Mollenhauer ist so gefragt, dass er seit der Pensionierung nun Vollzeit als Trainer unterwegs ist.

Jens Mollenhauer und Schulleiterin Alla Martschenko mit den Projekt-Unterstützern Thomas Butter und Christian Plötzky.

Jens Mollenhauer und Schulleiterin Alla Martschenko mit den Projekt-Unterstützern Thomas Butter und Christian Plötzky. Foto: Weselmann

Sein Engagement liegt in der eigenen Geschichte begründet. Er hatte selbst Feuer im Bauch und war Teil einer Jugendgang. Gelöscht wurde es durch die Begegnung mit Marshall B. Rosenberg. Der amerikanische Psychologe und Begründer der gewaltfreien Kommunikation brachte ihn auf einen neuen Weg, mit 40 Jahren Polizeidienst, fast ebenso langem Einsatz für Gewaltprävention und Zivilcourage sowie Buchveröffentlichungen zum Thema.

www.jensmollenhauer.de

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