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Cold Case

TMysteriöse Kopfschussmorde: Ermittler nehmen Serienmörder Wichmann in den Fokus

Kurt-Werner Wichmann war nicht nur ein Autonarr, er war auch immer Besitzer von Hunden.

Kurt-Werner Wichmann war nicht nur ein Autonarr, er war auch immer Besitzer von Hunden. Foto: Privat

Bärbel Barnkow und Ingrid Remmers werden im September 1991 mit derselben Waffe erschossen. Vom mutmaßlichen Serienmörder Kurt-Werner Wichmann? Die Staatsanwaltschaft Bremen kündigt Überraschendes an.

Von Christian Döscher Sonntag, 14.12.2025, 05:50 Uhr

Bremen. Aktuell kümmert sich in Bremerhaven ein Beamter neben seiner normalen Arbeit um die sogenannten Kopfschussmorde an Bärbel Barnkow und Ingrid Remmers. Das wird sich jetzt ändern, kündigt die Staatsanwaltschaft Bremen auf Nachfrage der „Nordsee-Zeitung“ an.

Zwei Morde binnen weniger Stunden

Die Krankenschwester Bärbel Barnkow (45) wird am 4. September 1991 zusammengesunken auf dem Beifahrersitz ihres Autos gefunden, jemand hat ihr in den Kopf geschossen, sie lebt noch. 40 Stunden später verliert sie den Überlebenskampf im Krankenhaus. Fast zeitgleich in der Nacht auf den 5. September stirbt eine Frau in Bremen, Ingrid Remmers (42). Auch sie wird in ihrem Auto gefunden, auch sie getötet von einem einzigen Schuss in den Kopf. Mit derselben Waffe wie Bärbel Barnkow, einer belgischen Pistole des Herstellers FN, Kaliber 7,65. Beide Morde müssen demnach vom selben Täter innerhalb weniger Stunden begangen worden sein.

Cold Cases werden wieder aufgenommen

Die Bremerhavener Kripo hält jahrelang einen polizeibekannten und mehrfach vorbestraften Autodieb für den Täter. Die Kollegen in Bremen nehmen später den Ehemann von Ingrid Remmers ins Visier. Zwischendurch soll ein libanesischer Terrorist für die Schüsse verantwortlich gewesen sein. Die Kinder von Bärbel Barnkow, Frank Barnkow und Susanne König, verlangen mehrmals Akteneinsicht. Im September 2023 erneuern sie ihre Forderung über den Hamburger Anwalt Mirko Laudon, beide Morde noch einmal ganz von vorn neu zu untersuchen. Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch nahen Angehörigen zustehen, hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt.

Pensionierter Hauptkommissar schärft Blick auf Serienmörder Wichmann

Schon mehrmals hat der inzwischen pensionierte Kriminalhauptkommissar Klaus Harjes versucht, den Blick auf den mutmaßlichen Serienmörder Kurt-Werner Wichmann zu lenken. Zuletzt in einem 21-seitigen Papier an die Staatsanwaltschaft Bremen im August 2021. Wichmann steht im Verdacht, mindestens fünf Menschen getötet zu haben. So wird im Herbst 2017 die Leiche von Birgit Meier unter Wichmanns Garage gefunden. Sie ist 1989 verschwunden. Im selben Jahr werden zwei Paare in der Göhrde, einem Waldgebiet bei Lüneburg, per Kopfschuss getötet. Wichmanns DNA findet sich auf dem Fahrersitz eines Autos der Göhrde-Opfer. Er nimmt sich in Untersuchungshaft 1993 das Leben.

Harjes fordert, „alle Spurenträger vor dem Hintergrund einer möglichen Täterschaft Wichmanns auszuwerten“. Neben der DNA von Wichmann werden in den Fahrzeugen der Göhrde-Morde an den Sitzpolstern Hundehaare gesichert. Auch an der im Auto von Ingrid Remmers gefundenen Decke und an den Sitzpolstern des Autos von Bärbel Barnkow werden Hundehaare nachgewiesen.

Nach dem Bericht aus dem Oktober 2025 werden Staatsanwaltschaft und Polizei gebeten, vertiefende Fragen zu dem Fall zu beantworten, dazu gehören unter anderem folgende:

  • Die Staatsanwaltschaft Bremen hat die Polizei mit einer Suche nach verschwundenen Akten beauftragt. Ist diese Suche abgeschlossen und erfolgreich gewesen?
  • Auch zwei Asservate gelten als verschwunden, die beiden Jacken. Wird danach weiterhin gesucht? Ist angedacht, vielleicht Beamte, die damals mit dem Fall beschäftigt waren, in Rechtsinstituten danach suchen zu lassen? Die würden die Jacken ja wahrscheinlich am ehesten wiedererkennen.
  • Sind alle sonstigen Asservate in dem Doppelmord noch vorhanden? Unter anderem auch die Hundehaare.
  • Neben der DNA von Wichmann wurden in den Fahrzeugen der Göhrde-Morde an den Sitzpolstern Hundehaare gesichert. Wichmann hat unter anderem einen Schäferhund mit Namen „Rex“ gehabt. Hundehaare spielen auch in den beiden genannten Fällen Barnkow/Remmers eine Rolle. Auch an der im Auto von Ingrid Remmers gefundenen Decke und an den Sitzpolstern des Autos von Bärbel Barnkow wurden Hundehaare nachgewiesen. Vermutlich stammen die Haare – so ein BKA-Mann damals – von einem großen Tier. Ausdrücklich schließt der Beamte des Bundeskriminalamtes einen Schäferhund als Spurenleger nicht aus. Die Opfer besaßen keine Hunde, Wichmann allerdings gilt als ständiger Hundebesitzer. Gibt es dazu Erkenntnisse? Wie sehen die aus? Wurden die Hundehaare aus den Fällen Barnkow/Remmers mit der Hunde-DNA aus den Göhrde-Morden verglichen? Wenn nicht, warum nicht?
  • Alles, was man über den Auffindeort von Ingrid Remmers weiß, muss der Täter ja im Auto gewesen sein. Der Täter kann gar nicht verhindert haben, dass er automatisch Hautschuppen im Auto hinterlassen hat. Auch an der Decke, mit der der Kopf von Remmers abgedeckt wurde, dürften Täterspuren sein. Man hat damals bei den Göhrde-Morden positive Erfahrungen mit den sogenannten Spurensicherungsfolien gemacht. Gibt es in den Fällen Barnkow/Remmers auch solche Folien? Wurden die auch auf DNA von Kurt-Werner Wichmann untersucht?

Künftig werden sich zusätzlich drei Beamte um die Kopfschussmorde kümmern

Frank Passade, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, spricht von „berechtigten Fragen“. Man werde diese auch beantworten, aber noch nicht jetzt. Erst müssten die Akten studiert werden, auch, ob sie vollständig sind. „Fehlt etwas? Und wenn ja, was?“ Neue Kollegen müssten sich erst mal in den Fall einarbeiten. Basis könne nur eine vollständige Akte sein. Dann werde man priorisieren.

Und dann kommt die Neuigkeit: Sein Chef, der Leitende Oberstaatsanwalt Janhenning Kuhn, habe verfügt, dass sich künftig bis zu vier Kriminalbeamte aus Bremen und Bremerhaven um die beiden Fälle kümmern. Aktuell ist es nur noch ein Beamter aus Bremerhaven, ein zweiter ist mittlerweile im Ruhestand.

Bei alleine 50 bis 60 Cold-Case-Fällen in Bremen, so Passade, hätten diese Fälle auch aufgrund von Personalmangels „nicht so im Fokus gestanden, wie sie es eigentlich verdient gehabt hätten“. Er persönlich sei von der neuen Entwicklung „positiv angetan“, er sehe jetzt „Licht am Horizont“. Kuhn habe sich selbstverständlich vorab mit den jeweiligen Polizeiführungen abgesprochen.

Wichmann im Visier – DNA-Abgleich soll Klarheit bringen

Wie sieht der Direktor der Bremerhavener Ortspolizeibehörde, Volker Ortgies, die neue Entwicklung? Mit dem Hinweis „laufende Ermittlungsverfahren unterliegen der Hoheit der Staatsanwaltschaft“ lehnt Pressesprecherin Nadine Laue ein Statement ab – und bittet auch von weiteren Presseanfragen abzusehen. Rechtsexperten betonen, dass eine Staatsanwaltschaft Ermittlungen anordnen kann, aber nicht organisatorisch in die Arbeit der Polizei eingreifen könne. Das heißt, zur „Kräftegestellung“ der Polizei dürfe man schon eine Aussage des Polizeidirektors erwarten können.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, Frank Passade, macht klar, bei einer Priorisierung der neuen Ermittlungen „liegen Sachen auf der Hand“. Man werde versuchen, über einen DNA-Abgleich einen Täter zu identifizieren oder auch auszuschließen. Das werde man aber „ergebnisoffen“ tun und nicht „scheuklappenmäßig“ nur eine Person ins Visier nehmen. „Wichmann ist eine Option.“

Hinweise über neues Portal eingegangen

Ohne die Initiative einer privaten Ermittlungsgruppe wären die Morde an Birgit Meier und an zwei Paaren in der Göhrde nie aufgeklärt worden. Das Team um den früheren Chef des Landeskriminalamtes Hamburg, Reinhard Chedor, untersucht seit Jahren die Verdachtsfälle um den mutmaßlichen Serienmörder Kurt-Werner Wichmann weiter und hat nun die Internetseite https://mordserie.de ins Leben gerufen, um zentral Hinweise aus der Bevölkerung entgegennehmen zu können. Seit Start der Seite sind schon viele interessante neue Anhaltspunkte eingegangen.

Auch nach 34 Jahren sind die Morde an Bärbel Barnkow und Ingrid Remmers nicht aufgeklärt worden.

Auch nach 34 Jahren sind die Morde an Bärbel Barnkow und Ingrid Remmers nicht aufgeklärt worden. Foto: NZ

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