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TNach Wolfsattacke auf Bauernhof: So viele Risse gibt es im Landkreis

Geschockt und betroffen: Robert, Jost und Henry Offermann (von links). Wölfe sind auf den Hof der Familie Offermann gekommen und haben eine Färse gerissen.

Geschockt und betroffen: Robert, Jost und Henry Offermann (von links). Wölfe sind auf den Hof der Familie Offermann gekommen und haben eine Färse gerissen. Foto: Wisser

Das ist für viele Landwirte besorgniserregend: Es gibt den Verdacht, dass Wölfe in einen Stall eingedrungen sind. Außerdem gibt es einen ersten Nutztierriss in Buxtehude.

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Von Karsten Wisser
Sonntag, 01.06.2025, 11:54 Uhr

Landkreis. Der jüngste Wolfsangriff in Hagenah hat aus Sicht vieler Tierhalter zwei besorgniserregende Komponenten. Mehrere Wölfe hatten in den frühen Morgenstunden am Sonnabend ein aufgestalltes Holstein-Rind in der Nähe des Stalls getötet. Der betroffene Landwirt hatte das Geschehen bei seiner ersten morgendlichen Kontrollrunde entdeckt.

Die getötete Färse wog rund 400 Kilo

Zum einen sind die Nähe zur Hofstelle und der Verdacht, dass die Wölfe in den Kuhstall eingedrungen sein könnten, beunruhigend. Zum anderen ist es eher eine Ausnahme, dass sich Wölfe an Tiere dieser Größenordnung herantrauen. Die getötete Färse wog um die 400 Kilogramm.

Im Landkreis Stade gab es in diesem Jahr mit dem Angriff in Hagenah fünf bestätigte Wolfsangriffe auf Nutztiere. Bei den anderen vier Wolfsattacken waren Schafe die Beute. In drei dieser vier Fälle gab es laut Rissgutachter der Landwirtschaftskammer keinen ausreichenden Herdenschutz. Das heißt, die Zäune haben die Mindestvoraussetzungen der für Niedersachsen gültigen Richtlinie Wolf nicht erfüllt.

Erster bestätigter Wolfsangriff in Buxtehude

Bei zwei Angriffen in Nordkehdingen im April und im März wurde als Verursacher die Wolfsfähe GW4580f per DNA-Test identifiziert. Neu: Erstmals gab es auch innerhalb der Buxtehuder Stadtgrenzen einen bestätigten Wolfsangriff auf Schafe.

Die Umweltkarte Niedersachsen zeigt alle gemeldeten Nutztierrisse in Niedersachsen. Dieser Ausschnitt zeigt alle Risse seit 2023. Rote Vierecke stehen für Angriffe auf Rinder, grüne Vierecke für Schafe.

Die Umweltkarte Niedersachsen zeigt alle gemeldeten Nutztierrisse in Niedersachsen. Dieser Ausschnitt zeigt alle Risse seit 2023. Rote Vierecke stehen für Angriffe auf Rinder, grüne Vierecke für Schafe. Foto: Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz

Seit mindestens 2023 gibt es im Bereich Buchholz, Hollenstedt, Moisburg und Neu Wulmstorf eine Vielzahl an Schafsrissen. Dazu passt der Vorfall mit einem toten Schaf im April im Süden Buxtehudes.

Die Wölfe im Landkreis Stade

„Wir wissen um die schwierige Situation für Landwirte und Schäfer und drängen seit Jahren auf klare Regeln zur schnellen Entnahme von Problemwölfen“, sagt Landrat Kai Seefried in einer ersten Reaktion auf den neuen Angriff in Hagenah. So habe der Kreistag ein regional-differenziertes Bestandsmanagement gefordert. Hoffnung gibt dem Landrat die Absenkung des Schutzstatus‘ des Wolfes auf europäischer Ebene.

Landrat fordert rechtlichen Rahmen für Abschüsse

„Bundes- und Landesregierung müssen auf dieser Grundlage jetzt schnellstens einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Abschussgenehmigungen nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis ermöglicht“, so Kai Seefried.

Landrat Kai Seefried informiert sich auf Hahnöfersand über einen Wolfsangriff auf Deichschafe.

Landrat Kai Seefried informiert sich auf Hahnöfersand über einen Wolfsangriff auf Deichschafe. Foto: Beneke

Der Schock war dem betroffenen Landwirt Henry Offermann nach dem Vorfall deutlich anzumerken. Er war am Sonnabend frühmorgens um 4.30 Uhr bei seiner ersten Fütterrunde mit einem kleinen Trecker unterwegs, als er in der Morgendämmerung 30 bis 40 Meter vom Laufstall entfernt Bewegungen und eine wohl liegende und strampelnde Kuh sah. Er näherte sich der unheimlichen Szene zu Fuß.

Zehn Meter: Auge in Auge mit drei Wölfen

Rund zehn Meter entfernt von der Kuh konnte er das Geschehen erst richtig einordnen. Wölfe fraßen am offenbar noch lebenden Tier. „Ich habe zuerst gebrüllt“, schildert Henry Offermann die Szene. Das habe aber nichts genutzt. Da er kein Handy dabei hatte und angesichts der Raubtiere Angst bekam, lief er auf den Hof zurück, um seine Söhne Robert und Jost zu wecken.

Als Jost Offermann aus Sicherheitsgründen im Auto als Erster bei der Holstein-Färse ankam, standen die Wölfe immer noch um das Rind herum. „Die waren ein bis zwei Meter vom Tier weg und sind erst abgehauen, als die anderen auftauchten“, erzählt Jost Offermann.

Das getötete Rind stand zusammen mit vielen anderen Kühen im großen Laufstall.

Das getötete Rind stand zusammen mit vielen anderen Kühen im großen Laufstall. Foto: Wisser

Landwirt filmt Wolfsbegegnung

Er konnte die flüchtenden Tiere mit seiner Handykamera filmen. Zu erkennen sind drei oder vier Wölfe. Das Ergebnis der offiziellen Rissbegutachtung lag am Wochenende noch nicht vor.

Hinweis: Das Video zeigt auch detaillierte Aufnahmen der gerissenen Färse.

Drei Wölfe reißen Kuh in Hagenah

Das getötete Rind stand zusammen mit vielen anderen Kühen im großen Laufstall. Die Wölfe ließen sich nur schwer vertreiben.

Henry Offermann spricht von einem großen und zwei etwas kleineren Wölfen. Zuletzt hatten die Söhne die Tiere um 1 Uhr nachts nach der Rückkehr von einer Veranstaltung kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt sollen alle Tiere im Stall gewesen sein.

Sind die Wölfe in den Stall eingedrungen?

Auf dem Hof der Familie gibt es 500 Milchkühe und deren Nachwuchs. Die getötete Färse stand mit vielen anderen Tieren in einem Laufstall. Auch andere Rinder waren ausgebrochen.

Die Familie befürchtet, dass die Rinder von den Wölfen aus dem Laufstall gehetzt wurden. Das getötete Rind hatte die Familie vor einer Woche für 3100 Euro hinzugekauft.

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Der Hof liegt rund einen Kilometer vom Hohen Moor entfernt. Dort war das erste Wolfsrudel im Landkreis Stade 2023 nachgewiesen worden. Allerdings konnte das Rudel schon seit Monaten nicht mehr beobachtet werden. Auch das zweite Rudel im Kreis in Drochtersen gilt als verschollen.

Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken

Die Beschreibung, was in Hagenah passiert ist, hat in den sozialen Netzwerken eine emotionale Debatte ausgelöst. Wolfsschützer haben die betroffene Familie verbal attackiert. Sie fordern im Grunde, dass jede Wiese und jeder Hof zu einem Hochsicherheitstrakt ausgebaut werden muss. Aus dieser Gruppe gibt es regelmäßig Anzeigen gegen betroffene Tierhalter. Aufnahmen aus den sozialen Netzwerken lassen auch vermuten, dass mindestens eine Person schon am Hof der betroffenen Familie war. Auf der anderen Seite stehen die, die den Wolf wieder ausrotten wollen und illegale Abschüsse fordern.

Landwirt Henry Offermann ist trotz des Erlebten sachlicher. „Die Wölfe sollen nicht wieder ausgerottet werden, aber wir brauchen einen vernünftigen Umgang mit Wildtieren“, sagt er.

Der Text wurde um 15.19 Uhr durch eine Karte mit Rissen in der Region Buxtehude/Buchholz und einigen zusätzlichen Informationen aktualisiert.

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