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TNach dem Boom kommt die Krise: Immer weniger Bauanträge im Kreis Stade

Stade Mineralölwerk Bau Wohnungen

An der Straße Hinterm Teich in Stade-Campe verzögert sich die Bebauung des Geländes des ehemaligen Mineralölwerks. Foto: Strüning

Die Flaute auf dem Bau ist auch in der Region zu spüren. Die Städte Stade und Buxtehude verzeichnen wie auch der Landkreis deutlich weniger Bauanträge. Was jetzt mit bereits bekannten Projekten passiert - wie dem Mineralölgelände in Stade.

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Von Karsten Wisser,
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Von Lars Strüning
Freitag, 20.10.2023, 19:45 Uhr

Landkreis. Vor zwei Jahren sah die Welt noch ganz anders aus. Da wuchsen die Bäume der Investoren in den Himmel und die Bauverwaltungen stöhnten unter der Arbeitslast bei gleichzeitigem Personalmangel. In Stade wurden Ende 2021 fünf Projekte in einem offiziellen Bieterverfahren vergeben, die auf städtischen Grundstücken realisiert werden sollten. Passiert ist hier noch nichts.

Die Zeichen für eine stark schwächelnde Baukonjunktur und für verunsicherte Investoren häufen sich. Auch auf dem aufwendig mit öffentlicher Förderung sanierten, 21.000 Quadratmeter großen Gelände des Mineralölwerks in Stade-Campe auf der anderen Seite der Schienen nahe dem Bahnhof hat der Hochbau noch nicht begonnen. Der Zaun rund um das Gelände steht krumm und schief. Auf den Bauplätzen selbst liegen Bauzubehör und Abfälle. Am Bahndamm ist offenbar durch starken Regen ein steiles Stück der Böschung abgerutscht und wird mit großen Säcken provisorisch gesichert. Eigentlich sollte am alten Mineralölwerk längst gebaut werden.

Jetzt kleine Wohnungen am Mineralölwerk in Stade

Projektentwickler HIT (Hanseatische Immobilien Treuhand) will jetzt mit Hilfe der NBank mehr öffentlich geförderten Wohnraum schaffen. Hintergrund ist eine deutlich verstärkte Förderkulisse durch die öffentliche Hand in Form der NBank, damit der Wohnungsbau nicht gänzlich einbricht. Die Wohnungen sollen neu geschnitten werden, um vor allem kleinere Einheiten zu schaffen. Das soll der hohen Nachfrage nach Wohnraum für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte in Stade gerecht werden.

Die HIT hat dafür bei vier der elf Häuser eine neue Entwurfsplanung erarbeitet. Durch die Umplanungen verzögert sich die weitere Realisierung des Projektes Hinterm Teich.

Die HIT zeichnet auch verantwortlich für ein weiteres Großprojekt in Campe. Auf dem ehemaligen Festplatz sollte an der Salinenstraße ein großer Komplex errichtet werden auf einem 3750 Quadratmeter großen Grundstück. 51 Wohnungen, einen fünfzügigen Kindergarten und ein Café sahen die Planungen vor.

Flächen am alten Festplatz und in Riensförde noch frei

Das Grundstück war ebenso von der Stadt vergeben worden wie weitere Flächen. In Riensförde am Stadtweg plant Bäcker Schrader aus Apensen mit dem Architekten Christoph Frenzel eine Mischung aus Bäcker- und Caféflächen, innovative Büros und 21 Wohnungen.

Frenzel hat mit der Stader Firma Lindemann zudem ein 2400 Quadratmeter großes Areal am Staatsarchiv im Benedixland in Arbeit, drei Häuser mit 37 Wohnungen sind vorgesehen.

Ebenfalls auf dem ehemaligen Festplatz hat die DSW Immobilien aus Stade 21 Wohnungen und Platz für einen Gewerbebetrieb im Entwurf für ein 2100 Quadratmeter großes Gelände.

Den Zuschlag für ein freies, 430 Quadratmeter großes Grundstück in der Stader Hafencity hatte ein Projekt der Kahrs/Heuermann GbR erhalten, wo Architekt Michael Hinck im Schnurweg ein Gebäude mit Rundung für sechs Wohnungen entwarf.

Weil es sich um städtische Grundstücke handelt, sind die Investoren verpflichtet, zumindest 20 Prozent der Einheiten kostengünstig anzubieten. Aber auch die anderen Wohnungen hätten dem angespannten Stader Wohnungsmarkt gutgetan. Denn: Die Umsetzung der Pläne steht noch in den Sternen.

Stadt hat erst eins von fünf Grundstücken verkauft

„Tatsächlich verkauft haben wir bislang das Grundstück am Stadtweg in der Heidesiedlung“, teilt Stephan Voigt als Pressesprecher der Stadt Stade auf TAGEBLATT-Nachfrage mit. Die Baugenehmigung dafür liege seit Juni vor.

Bei den anderen Grundstücken könne die Stadt nur sagen, dass die verantwortlichen Unternehmen aktuell Anpassungen ihrer bisherigen Planungen vornähmen. Darüber hinaus wolle die Stadtverwaltung die Bieter in Kürze anschreiben, „um über das weitere Vorgehen in den Austausch zu kommen“.

Dass die Investoren zögerlich sind, zeigt die sinkende Zahl an Bauanträgen. In der Stadt Stade seien sie 2023 „drastisch zurückgegangen“. Voigt: „Teilweise wurden Bauanträge sogar wieder zurückgenommen.“ Genaue Zahlen lägen noch nicht vor.

30 Prozent weniger Bauanträge im Landkreis

Beim Landkreis ist die Tendenz beim Wohnungsbau ebenfalls sehr deutlich fallend. 2019 und 2020 trudelten hier jeweils mehr als 300 Bauanträge ein aus der Region (ohne die Städte), fast ausschließlich zu Einzel-, Doppel- oder Reihenhäusern. 2022 waren es nur noch 156, dieses Jahr werden es wohl um die 130 werden. Das teilt die Pressestelle mit.

Dazu gesellen sich in diesem Jahr etwa 550 Bauanträge, in den Vorjahren waren es im Schnitt mehr als 900. Allein von 2022 auf 2023 fiel die Zahl der Bauanträge um 30 Prozent. Erhöhte Baukosten und gestiegene Zinsen dürften dafür verantwortlich sein, heißt es in der Antwort des Landkreises auf die entsprechende TAGEBLATT-Nachfrage. Das ist auch die vorherrschende Meinung beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden.

Der Landkreis und die Städte liegen im bundesweiten Trend. Im August habe sich der Rückgang der Baugenehmigungen ungebremst fortgesetzt, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. 19.300 Wohnungen seien bundesweit bewilligt worden, fast ein Drittel (31,6 Prozent) weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Folge: Es wird immer schwerer, in Deutschland eine passende Wohnung zu finden.

So ist die aktuelle Lage in Buxtehude

In Buxtehude sind die Zahlen vergleichbar: Es gibt einen spürbaren Rückgang bei den Baugenehmigungen. Hier ist diese Entwicklung am deutlichsten abzulesen am Neubaugebiet Giselbertstraße. Die Stadt verkaufte ihre Flächen in mehreren Losen in einem aufwendigen Verfahren und mit der Vorgabe, dass 30 Prozent des Wohnraums dem preisgedämpften Wohnen zugutekommen sollen. Gebremst hat das den Boom nicht - bis die Krise kam.

Das Haus an der Ecke Stader Straße / An der Rennbahn sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr abgerissen werden.

Das Haus an der Ecke Stader Straße / An der Rennbahn sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr abgerissen werden. Foto: Fenna Weselmann

Die explodierenden Baukosten und die steigenden Zinsen bei sinkender Nachfrage haben diejenigen, die in der Goldgräberstimmung der vergangenen Jahre Grundstücke zu astronomischen Summen gekauft haben, in Schwierigkeiten gestürzt. „Es gab viele neue Marktteilnehmer, die davon ausgegangen sind, dass es immer nur weiter nach oben geht“, sagt Sven Geertz, Geschäftsführer der HBI.

Giselbertstraße: Grundstücke zurückgegeben

Im Neubaugebiet zogen sich zwei Bauherren trotz weit fortgeschrittener Planungen zurück. Bei einem weiteren Grundstück passiert nichts, obwohl dies anders verabredet war. Derzeit geht es nach TAGEBLATT-Informationen darum, ob der Kauf rückabgewickelt werden soll. Bei einem der zurückgegebenen Grundstücke hatte die Stadt das Glück, dass die HBI als Zweitplatzierte der Ausschreibung einsprang, nachdem der Sieger sich zurückgezogen hatte. Deshalb wird dort bald gebaut.

Während viele Wohnungen im Neubaugebiet an der Giselbertstraße in Buxtehude fertig bezogen sind, ist bei anderen Grundstücken noch offen, wann sie bebaut werden.

Während viele Wohnungen im Neubaugebiet an der Giselbertstraße in Buxtehude fertig bezogen sind, ist bei anderen Grundstücken noch offen, wann sie bebaut werden. Foto: Martin Elsen

Das Neubaugebiet in Buxtehude steht aber nur exemplarisch für mehrere Projekte, die aufgrund der Lage am Bau derzeit nicht umgesetzt werden. Ein sichtbares und bekanntes Projekt ist das Haus an der Ecke Stader Straße / An der Rennbahn mit dem kleinen Türmchen. Eigentlich sollte das Gebäude mit angrenzendem Flachbau schon abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden sein. Auch hier passiert nichts.

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