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Schnellabschuss

TNeue Wolfsgebiete: Im Kreis Stade bleibt wohl alles beim Alten – Scharfe Kritik

In Niedersachsen gibt es aktuell 50 Wolfsrudel. Die Tendenz ist weiter stark steigend.

In Niedersachsen gibt es aktuell 50 Wolfsrudel. Die Tendenz ist weiter stark steigend. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Zwei bestätige Wolfsrudel, eine Serie von Nutztierrissen, die bundesweit Schlagzeilen machte – und dennoch wäre der Landkreis derzeit kein offizielles Risikogebiet. Die Gründe und die Reaktion von Landrat Seefried.

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Von Karsten Wisser
Mittwoch, 14.02.2024, 09:15 Uhr

Landkreis. Auffällige Wölfe sollen in festgelegten Wolfsgebieten schnell und unbürokratisch geschossen werden können. 1000 Meter rund um den Tatort des Wolfsangriffs soll 21 Tage lange ohne vorherigen DNA-Vergleich auf Wölfe mit Abschussgenehmigung angelegt werden dürfen.

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer und seine Landwirtschaftskollegin Miriam Staudte (beide Grüne) haben das neue Schnellabschuss-Konzept vorgestellt. Eine Verordnung soll in den kommenden Wochen folgen.

Aber es gibt Zweifel, ob der Schnellabschuss juristisch durchsetzbar und praktikabel ist. Dabei drängt die Zeit. Die neue Weidesaison beginnt Ende April/Anfang Mai.

Der Kreis Stade erfüllt die bekannten Kriterien nicht

Damit das neue Vorgehen angewandt werden darf, gibt es spezielle Voraussetzungen. Diese erfüllt der Landkreis Stade nicht. Vier Nutztierrisse mit dem Überwinden des Herdenschutzes in neun Monaten oder drei Nutztierrisse mit dem Überwinden des Herdenschutzes in sechs Monaten sind als Voraussetzungen genannt worden.

Es gab zwar im vergangenen Spätsommer im Landkreis eine Vielzahl von toten Nutztieren. In der Regel verfügten die Weiden aber nicht über einen formal ausreichenden Herdenschutz. Das gilt für alle Angriffe auf Schafe und damit auch den Vorfall bei Gräpel.

55 tote Schafe verändern die Diskussion in der Republik

In Gräpel an der Oste sind Ende August 55 Schafe getötet worden. Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland war dies das größte Schadensergebnis und löste bundesweit eine Debatte aus. Zählen würde der Angriff auf Rinder in Wiepenkathen im September. Eine Rinderherde erfüllt alleine schon das Kriterium des ausreichenden Herdenschutzes. Gerade an Deichen sind Schafe schwer zu schützen, weil dort feste Zäune fehlen.

„Das ist weit weg von einer praktikablen Lösung“, sagt Landrat Kai Seefried (CDU) mit einem Blick auf die bisher bekannten Fakten. Dass das Land die Wolfsgebiete, sogenannte „Graue Gebiete“ festlegen wird, sei dabei noch akzeptabel. Die bisher genannten Voraussetzungen sind aus Seefrieds Sicht aber nicht praktikabel.

Landrat: Schutz der Deiche hat höchste Priorität

„Mindestens die Deichregionen müssten automatisch ‚Graue Gebiete‘ werden“, sagt der Landrat. Der Küstenschutz habe absolute Priorität. Der dritte Punkt ist die 1000-Meter-Radius-Regel. Sie sei ebenfalls kaum praktikabel. Sogenannte Wolfsschützer könnten solche Aktionen zum Beispiel leicht blockieren.

„Nach jetzigem Stand gelten für uns die alten Regeln und von denen wissen wir, dass sie nicht funktionieren“, so Seefried. „Dafür werden die Menschen zu Recht kein Verständnis haben.“

Die geltende Rechtslage lässt sich am Beispiel Gräpel und Wiepenkathen erklären. Der Wolf, der die Schafsherde bei Gräpel angegriffen hatte, ist durch einen DNA-Abgleich auch für die beiden toten Rinder in Wiepenkathen als Angreifer identifiziert worden. Für eine Abschussgenehmigung reichte das aufgrund des fehlenden Herdenschutzes in Gräpel nicht aus.

Jäger sehen fehlenden Elterntierschutz sehr kritisch

Gerade viele Jäger kritisieren die Pläne zum Schnellabschuss auch aus einem ganz anderen Grund. In den Plänen gibt es bisher keinen Elterntierschutz. Dieser ist unabhängig von Jagd- und Schonzeiten eine der wichtigsten Bestimmungen im Jagdrecht. „Die Erhaltung des Elterntierschutzes ist nicht gewährleistet“, sagt Helmut Dammann-Tamke, Präsident des Deutschen Jagdverbands und wohnhaft in Ohrensen.

Neben moralischen Bedenken gibt es auch ganz handfeste Gründe, keine Elterntiere zu schießen.

Wenn eines der an der Versorgung des Nachwuchses beteiligten Tiere geschossen wird, führt das dazu, dass das zweite Elterntier in eine Art Panikmodus wechselt und die Angriffe auf Nutztiere steigen. Das ist im Kreis Cuxhaven vor einigen Jahren passiert. Der fehlende Elternschutz könne zudem ein Grund sein, dass die neue Verordnung eine juristische Überprüfung nicht übersteht, so Dammann-Tamke.

Im Kreis Stade gibt es jetzt zwei offiziell bestätigte Wolfsrudel. Das vermutete Rudel in Drochtersen ist seit Dienstag amtlich. Neue DNA-Ergebnisse gaben zuletzt den Ausschlag. Aktuell läuft jetzt noch die Suche nach einem dritten Rudel.

Jetzt wird ein Wolfsrudel im Raum Harsefeld gesucht

Der vermutete Wolfsverbund trägt neuerdings den Arbeitstitel Harsefeld, bisher wurde er als „mögliches Rudel Wiegersen“ bezeichnet. Es gab in diesem Bereich der Stader Geest viele Sichtungen. „Wir wollen mit der Namensänderung den Fokus von einer einzelnen Gemeinde wegnehmen“, sagt Raoul Reding, Wolfsbeauftragter der Landesjägerschaft Niedersachsen.

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