TPendeln zwischen Krieg und Frieden: So kommt die Hilfe in die Ukraine
Eine kleine russische Drohne aus dem Kriegsgebiet. Grischa Kaflowskij (Mitte) zeigt sie Wilfried Sprekels und Kreissprecher Daniel Beneke (rechts). Foto: Wisser
Die Menschen in der Ukraine brauchen Hilfe, wenn sie den nächsten Kriegswinter überleben sollen. Grischa Kaflowskij sorgt dafür, dass diese Hilfe vor Ort ankommt.
Landkreis. Der Gegensatz zwischen seinem Leben in Kiew und seinen Fahrten in den Landkreis Stade könnte nicht ausgeprägter sein. Immer wieder trifft es die ukrainische Hauptstadt: russische Drohnen und Raketen schlagen dort ein. Häufig werden Wohnhäuser getroffen, die keinerlei militärische Relevanz besitzen.
In Stade und Kehdingen erwarten Hryhorii Kaflovskyi - genannt Grischa - Frieden und Freunde. Der 67 Jahre alte Geschäftsmann aus Kiew ist das Bindeglied für die Hilfslieferungen aus dem Kreis in die Ukraine. In der vergangenen Woche ging die insgesamt neunte Tour in Richtung Kriegsgebiet.
Rettungskräfte arbeiten daran, ein Feuer nach einem russischen Angriff in Kiew zu löschen. Foto: Dan Bashakov/AP/dpa
Diesmal holte Kaflovskij zwei Rettungswagen in Wiepenkathen ab. Beide Fahrzeuge waren vollgepackt mit Hilfsgütern - Verbandsmaterial und Krücken für Kranke und Verwundete sind dabei. „Der Landkreis ist meine zweite Heimat“, sagt Kaflovskij.
Der sowjetische Ex-Offizier wollte kämpfen
Die russische Invasion begann am 22. Februar 2022. Plötzlich kippte der normale Alltag in den Kriegsmodus. 24 Stunden vor der russischen Invasion habe sich in der Ukraine die Erkenntnis verdichtet, dass die angeblichen Manöver an der Grenze tatsächlich in einen Überfall münden würden. „Mein Sohn Sascha und seine Frau haben sich sofort freiwillig gemeldet. Die Kalaschnikows standen im Wohnzimmer.“
Als die russischen Panzer auf Kiew zurollten und im Westen so mancher vermeintliche Experte einen Sieg des Aggressors Putin in wenigen Tagen vorhersagte, wollte Grischa Kaflovskij - Ex-Offizier in der sowjetischen Armee - sich für die Front melden.
Schnelle 1700 Kilometer-Fahrt in die Sicherheit
Die familieninterne Aufteilung war dann eine andere. Sohn Sascha kämpfte. Vater Grischa sammelte drei Enkelkinder ein und fuhr mit ihnen und seiner Frau in Richtung Westen. Der Ukrainer ist Repräsentant einer Schweizer Maschinenbau-Firma für Osteuropa. Deshalb gab es die Überlegung, mit der Familie in die Schweiz zu flüchten.
Raketen-Beschuss
T „Blutiger Terror“: Kehdinger Feuerwehrfahrzeug mitten im Ukraine-Krieg
Nach einigen Telefonaten standen der Landkreis Stade und die Familie von Kurt Jahncke in Assel als Ziel der Flucht fest. Der Geschäftsmann war viele Jahre lang als Repräsentant für den Fruchthändler Jahncke tätig. „Daraus ist eine Freundschaft entstanden“, sagt Kaflovskyi. Die 1700 Kilometer zwischen Kiew und Assel fuhr er fast in einem Stück durch. Er gehörte damit zu den ersten Ukrainern, die den Landkreis erreichten.
Leben mit Raketen- und Drohnenangriffen
Seit dreieinhalb Jahren pendelt Grischa Kaflovskyi zwischen einer Stadt im Krieg und dem friedlichen Landkreis. Der Alltag im Krieg ist inzwischen Routine – so schwer vorstellbar das ist. Es geht um Vorwarnzeichen bei Raketen- und Drohnenangriffen, die immer viele zivile Ziele treffen und Todesopfer fordern.

Zahlreiche Menschen halten sich während eines russischen Drohnenangriffs auf Kiew in einer U-Bahn-Station auf, die als Schutzraum genutzt wird. Foto: Dan Bashakov/AP/dpa
Die russischen Angriffe auf das Energienetz der Ukraine nehmen weiter zu. In Kiew haben Bewohner teils nur wenige Stunden am Tag Strom und Wasser. Der Ukraine droht ein harter Winter.

Die Drohne mit Details. Sie soll aus einem russischen Kommandoposten stammen. Mit dem Glasfaserkabel wird die Drohne gesteuert. Foto: Wisser
Das Sterben an der Front ist für Grischa Kaflovskyi Realität. Vor wenigen Wochen ist sein Neffe gefallen. Sohn Sascha ist nach drei Jahren an der Front aus gesundheitlichen Gründen aus dem Militär ausgeschieden. Er gehörte die meiste Zeit zu einer Drohneneinheit der Armee.
Erster Hilfskonvoi fünf Wochen nach Kriegsbeginn
Im Landkreis traf Grischa Kaflovskyi auf große Hilfsbereitschaft. Der erste Hilfskonvoi mit humanitärer Hilfe startete Ende März 2022 – fünf Wochen nach Kriegsbeginn. Er begleitet die Hilfstransporte und kümmert sich in der Ukraine zusammen mit örtlichen Hilfsfonds um die Verteilung.

Die gespendeten Rettungswagen sind randvoll mit Hilfsgütern gepackt. Schwerpunkt der Hilfe aus dem Landkreis sind Feuerwehren, Rettungsdienste und Krankenhäuser. Foto: Wisser
„Ich habe den Eindruck, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen hier nicht nachlässt“, sagt der Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle des Landkreises Stade, Wilfried Sprekels. Er hat mehrere große Ukraine-Hilfskonvois geleitet. Die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Wiepenkathen ist Sammel- und Startpunkt für die Fahrten. „Ich bin allen, die unsere Hilfsaktion unterstützen, unglaublich dankbar“, sagt Kaflovsky.
Gebrauchte Rettungswagen für die Ukraine
Die Fahrten laufen nach zwei verschiedenen Mustern ab. Die großen Konvois werden von Freiwilligen aus dem Kreis bis an die polnische Grenze gebracht und dort an Fahrer aus der Ukraine übergeben.

Landrat Kai Seefried (links) ist Schirmherr der Hilfskonvois für die Ukraine. Grischa Kaflovskyi bedankt sich bei Seefried und Wilfried Sprekels (rechts). Foto: privat
Kleine Konvois werden von ukrainischen Fahrern von Stade direkt ins Kriegsgebiet gefahren. So sind die Rettungswagen in den vergangenen Woche überführt worden. Gekauft wurden die aus Spendengeldern.
Die Ukraine kämpft auch für unsere Freiheit in Europa.
Kai Seefried, Landrat
„Wir stehen weiterhin fest an der Seite der Opfer dieses furchtbaren Krieges“, sagt Landrat Kai Seefried (CDU). „Die Ukraine kämpft auch für unsere Freiheit in Europa.“ Mit den jüngst übergebenen Spenden im Wert von rund 80 000 Euro könnten vor Ort im Kriegsgebiet ganz konkret Menschenleben gerettet werden.
Spendenkonten
Spenden können unter dem Stichwort „Ukraine-Hilfe Landkreis Stade“ auf folgende Konten eingezahlt werden:
DRK-Kreisverband Stade Flüchtlingshilfe gGmbH, IBAN: DE 91 2419 1015 1009 3346 00
Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. – Regionalverband Bremen-Verden, IBAN: DE 16 3702 0500 0004 3107 18.

Alles hilft weiter: Gebrauchte und gespendete Krücken auf dem Weg ins Kriegsgebiet. Foto: Wisser
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Eine kleine russische Drohne aus dem Kriegsgebiet. Grischa Kaflowskij (Mitte) zeigt sie Wilfried Sprekels und Kreissprecher Daniel Beneke (rechts). Foto: Wisser