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Prozess

TVierfach-Mord in Scheeßel: Juristen fordern lebenslange Haft für Florian G.

Der Angeklagte sitzt im Gerichtssaal vom Landgericht Verden. Der Mann soll vier Menschen aus dem Umfeld seiner damaligen Ehefrau in Westervesede und Brockel erschossen haben.

Der Angeklagte sitzt im Gerichtssaal vom Landgericht Verden. Der Mann soll vier Menschen aus dem Umfeld seiner damaligen Ehefrau in Westervesede und Brockel erschossen haben. Foto: Sina Schuldt/dpa

Nach den brutalen Morden von Scheeßel steht das Urteil in Verden kurz bevor. Die Juristen sind sich über die lebenslange Freiheitsstrafe einig, doch die Frage der besonderen Schwere der Schuld bleibt.

Von Wiebke Bruns Dienstag, 25.02.2025, 17:10 Uhr

Verden. Der Soldat Florian G. ist wegen drei heimtückisch begangener Morde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen, darin waren sich alle Juristen, auch die Verteidiger, am Dienstag in ihren Schlussplädoyers am Landgericht Verden einig. Jedoch nicht bei der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld und das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe festzustellen sind. Das Urteil soll am Freitag, 28. Februar, um 11 Uhr verkündet werden.

Keiner der fünf Juristen stellte in Frage, dass im Fall der in der Nacht zum 1. März 2024 erschossenen 55 Jahre alten Frau und ihrem 30 Jahre alten Sohn aus Westervesede auf Mord zu erkennen sei. Die Staatsanwältin und die beiden Nebenklagevertreter glauben dem 33-Jährigen, dass er am zweiten Tatort in Brockel das dreijährige Mädchen nicht unter einer Decke in den Armen der Mutter gesehen habe, als er die ebenfalls 33-Jährige und mit ihr das Kind erschossen hat. Deshalb handele es sich um einen Mord in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung.

Staatsanwältin geht auf die Vergangenheit ein

In ihrem rund 90-minütigen Plädoyer ging die Staatsanwältin ausführlich auf die Vorgeschichte ein. Die Trennung der Ehefrau des Angeklagten, weil sie eine neue Beziehung mit dem später erschossenen 30-Jährigen eingegangen war. Gemeinsam hatte das Paar die Polizei aufgesucht, weil der Angeklagte den neuen Partner bei der Aushändigung eines Hausverbotes bedroht habe.

Daraus folgte eine Gefährderansprache durch die Polizei zu Hause bei dem Angeklagten. In dieser Situation sei draußen die von ihm verachtete 33-Jährige - es war die beste Freundin seiner Frau - aufgetaucht und habe sich gefreut. „Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, sagte die Staatsanwältin.

Brutale Vorgehensweise und blanker Hass

Wie sich der Angeklagte über diese Menschen geäußert habe, „ist Ausdruck unsagbaren Hasses“. Die Tatvorbereitungen seien „besonders kaltblütig“ gewesen. Angesichts des planvollen Vorgehens könne man „fast von einer Hinrichtung sprechen“ und es schieße ihr das Wort „Berufskiller“ in den Kopf.

Schwer zu ertragen seien auch seine „harten, emotionslosen und empathielosen“ Aussagen. Erst gegenüber einem psychiatrischen Sachverständigen und kurz vor dem Abschluss der Beweisaufnahme in dem Prozess. Dass er wieder „besser essen und besser schlafen könne“, seit die Menschen, die er verantwortlich mache, nicht mehr da sind. „Kaum jemand wird diese behinderten Menschen vermissen“, habe er in einer nach den Taten verschickten Nachricht geschrieben. „Geht es noch despektierlicher?“, so die Staatsanwältin.

Westervesederin hat noch im Bett gelegen

Sie glaubt dem Soldaten nicht, dass die nachts in ihrem Bett erschossene 55-Jährige noch aufgewacht sei und sich aufgerichtet habe. Dagegen spreche, dass ihr Leichnam bis über die Schultern zugedeckt gewesen sei. Und Zweifel an den behaupteten Suizidabsichten des Angeklagten hat sie auch auf Grund seines Verhaltens als er sich wenige Stunden nach der Tat gestellt hatte. „Er hat bei der Festnahme alles getan, um sein Leben zu schützen.“

Soldat ist für seine Verteidigerin nur noch „eine Hülle“

Drei Morde in einer Nacht, ein „erschreckend nüchternes Abarbeiten als militärische Aktion“ sowie die „mehrtägig systematische Planung“ nannte sie als Gründe für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Während sich die Staatsanwältin angesichts der emotionslosen Aussagen des Angeklagten entsetzt zeigte, hatte die Verteidigerin Verständnis. „Für mich ist auch Herr G. gestorben.“ Er sitze neben ihr, aber es sei nur „eine Hülle“. Als nach der Gefährderansprache die Freundin und seine Frau draußen vor dem Fenster gestanden hätten, sei ihm klar gewesen, dass er nun auch seine zweite Familie, die Bundeswehr verloren habe. Die Anzeige habe das Karriereende bedeutet.

Bundeswehr als letzter Anker im Leben von Florian G.

„Da war es vorbei. In dem Moment ist Florian G. gestorben“, so die Verteidigerin. „Die Bundeswehr, sein letzter Anker, war weg. Sein Leben vorbei.“ Dann habe er entschieden, sich zu töten und „fasste den fatalen Entschluss: die beiden Menschen, die er dafür hauptverantwortlich machte, die kommen mit.“ Der Angeklagte schloss sich in seinem „letzten Wort“ nur seiner Verteidigerin an.

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