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Gericht

Prozess gegen Flughafen-Geiselnehmer aus Buxtehude geht dem Ende entgegen

Der Angeklagte (vorn) und seine Rechtsanwältin Anna Carlotta Bloch sitzen kurz vor Beginn der Verhandlung in einem Gerichtssaal des Strafjustizgebäudes in Hamburg.

Der Angeklagte (vorn) und seine Rechtsanwältin Anna Carlotta Bloch sitzen kurz vor Beginn der Verhandlung in einem Gerichtssaal des Strafjustizgebäudes in Hamburg. Foto: Ulrich Perrey/dpa

Der 35-Jährige hat vor dem Hamburger Gericht ein weitgehendes Geständnis abgelegt. Seine Stader Ex-Frau und viele weitere Zeugen haben ausgesagt. Jetzt sollen die Prozessbeteiligten ihr Resümee ziehen.

Von dpa Freitag, 14.06.2024, 07:00 Uhr

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Hamburg. Die Strafkammer am Landgericht will am Freitag (9.30 Uhr) die Beweisaufnahme im Prozess gegen den Flughafen-Geiselnehmer schließen. Dann sollen der Staatsanwalt, die Nebenklagevertreterin und die Verteidigerin ihre Plädoyers halten. Schließlich bekommt der 35-Jährige aus Buxtehude die Gelegenheit zu einem letzten Wort. Das Urteil soll nach Angaben des Vorsitzenden Richters am 25. Juni verkündet werden.

Psychiaterin: 35-Jähriger ist voll schuldfähig

Der Angeklagte ist nach Einschätzung einer psychiatrischen Gutachterin voll schuldfähig. Der 35-Jährige habe keine Psychose, keine affektive Erkrankung wie etwa eine Depression und auch keine Persönlichkeitsstörung, sagte die Sachverständige am Mittwoch im Prozess am Landgericht Hamburg.

Er habe allerdings eine auffällige Persönlichkeitsstruktur, sei narzisstisch, egozentrisch, respektlos und überheblich. Dass das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter seiner Ex-Frau zugesprochen wurde, habe ihn massiv gekränkt.

„An der gesamten Situation sind alle anderen schuld“, glaube der Angeklagte. Während der Geiselnahme auf dem Flughafen habe ihm die ganze Welt zugeschaut und gesehen, was er wolle.

Ex-Frau des Geiselnehmers berichtet von häuslicher Gewalt

In der vergangenen Woche hatte die Ex-Frau aus Stade den Angeklagten vor Gericht als aufbrausend und aggressiv beschrieben. Schon vor der Geiselnahme am 4. November vergangenen Jahres, mit der der Türke die Ausreise mit der gemeinsamen Tochter in einem Flugzeug in die Türkei erzwingen wollte, habe er das Kind als Druckmittel gegen sie eingesetzt, sagte die 39-Jährige bei der Verhandlung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg, der sie per Video zugeschaltet war.

Sie habe den Angeklagten 2017 im Internet kennengelernt. Kurze Zeit später hätten sie in Istanbul geheiratet. Später sei ihr Mann zu ihr nach Hamburg gekommen, zunächst mit einem Touristenvisum.

Angeklagter „drehte manchmal durch“

„Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass er manchmal durchdrehte.“ Auch „die häusliche Gewalt hat zugenommen“, sagte die 39-Jährige. Das gemeinsame Kind sei dennoch gewünscht gewesen, auch um den Aufenthalt des Vaters in Deutschland zu erleichtern.

Nach der Geburt der Tochter hätten die Streitigkeiten zugenommen. Dennoch habe sie die Beziehung zunächst noch aufrechterhalten.

Gemeinsam habe man sich für den Umzug in eine größere Wohnung in Stade (Niedersachsen) entschieden. „Ich wollte die Familie nicht kaputt machen“, sagte die Frau. „Ich wollte, dass meine Tochter mit ihrem Vater aufwächst, und habe deshalb alles ausgehalten.“

Vater entführte Kind schon zuvor

Immer wieder habe der Angeklagte damit gedroht, ihr das Kind wegzunehmen, sagte die 39-Jährige. „Ich habe Dir das Kind gegeben, ich kann es Dir auch wieder wegnehmen“, soll er gesagt haben. Schließlich sei er dann mit dem Kind heimlich in die Türkei ausgereist. Obwohl ihr ein türkisches Gericht das vorläufige Sorgerecht zuerkannt habe, habe ihr Mann das Kind zunächst nicht herausgegeben. Erst nach Wochen sei es ihr gelungen, die Tochter wieder an sich zu nehmen und zurück nach Deutschland zu bringen.

Im November vergangenen Jahres habe der 35-Jährige sich dann mit einem Trick Zugang zu ihrer Wohnung in Stade verschafft, sie mit einer Waffe bedroht und das Kind in seine Gewalt gebracht. „Ich hätte vorsichtiger sein müssen“, sagte die Frau unter Tränen.

Buxtehuder droht, sich und sein Kind in die Luft zu sprengen

Anschließend war der Mann mit der damals vierjährigen Tochter zum Hamburger Flughafen gefahren, hatte mit einem Mietauto mehrere Schranken durchbrochen und war bis aufs Flugfeld vorgedrungen. Er warf zwei Brandsätze, schoss dreimal in die Luft und drohte, sich und das Kind mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu sprengen. Erst nach 18 Stunden gab der 35-Jährige auf und konnte festgenommen werden.

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