TFalsche Ärztin: Gericht schickt Betrügerin in die Psychiatrie

Urteilsverkündung gegen die falsche Ärztin von Debstedt und Meppen. Die junge Frau (links) muss in eine psychiatrische Klinik. Foto: NOZ/Böckermann
Im Fall der sogenannten „falschen Ärztin“ aus dem Krankenhaus Debstedt hat das Landgericht Osnabrück ein Urteil gesprochen. Die Angeklagte hatte zugegeben, zwei Krankenhäuser getäuscht zu haben. Sie muss nun in eine psychiatrische Klinik.
Osnabrück. Mit der Einweisung geht ein zumindest in Teilen überraschender Prozess vorerst zu Ende. Denn obwohl die junge Frau anfänglich angekündigt hatte, reinen Tisch machen zu wollen und einige Täuschungen zugab, geschah das Gegenteil und sie verstrickte sich in immer weitere Lügen. Gutachter und Gericht kamen am Ende zu dem Urteil: Sie konnte nicht anders, weil sie krank und vermindert schuldfähig ist.
Täuschung mit einfachen Mitteln
Mehrfach war im Verlauf der sechs Verhandlungstage deutlich geworden, dass die zur Tatzeit 21-jährige Angeklagte aus Hagen im Kreis Cuxhaven mit relativ einfachen Mitteln ihre Umgebung täuschen und ohne Vorkenntnisse bei Patienten Betäubungen setzen und Wunden nähen konnte. Die gute Nachricht: Der Betrug fiel am Ende doch noch auf. Die schlechte: Es war möglich, weil das Krankenhaussystem es ihr leicht machte.
Die Vorwürfe in Kurzform: Als damals 21-Jährige hatte sich die Angeklagte im Jahr 2022 zunächst im Ameos-Klinikum Debstedt und dann im Ludmillenstift in Meppen als „Ärztin“ einstellen lassen. Die dazu notwendige Approbationsurkunde war gefälscht. Deshalb musste sie sich wegen Urkundenfälschung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen verantworten. Weil sie Gehalt bezog, lautete die Anklage auf Betrug. Und weil sie in Meppen Patienten behandelte, musste sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.
Am sechsten und letzten Prozesstag hielt zunächst der Staatsanwalt ein 45-minütiges Plädoyer – und das fiel dramatisch deutlich aus. Auch abseits der zugegebenen Taten habe sie einen Lebenslauf vorgelegt, bei dem man nicht erkennen könne, was Wahrheit sei und was Lüge.
Zwar habe die Angeklagte die wesentlichen Taten zugegeben, ansonsten aber keinerlei Schuld eingestanden, sondern stattdessen Dritte schwer belastet, etwa ihren Ex-Freund. Dieser habe nicht nur die gefälschte Urkunde besorgt, sondern ihr auch Gewalt angetan. Zudem sei er der eigentliche Treiber des Betruges gewesen, hatte die junge Frau im Prozess behauptet. Aber das alles sei gelogen, meinte der Staatsanwalt und stehe komplett im Gegensatz zu früheren Vernehmungen.
Angeklagte wollte als Ärztin angehimmelt werden
Stattdessen habe die Angeklagte um jeden Preis ohne jegliche Eignung als Ärztin arbeiten wollen, ähnlich der TV-Serie „Greys Anatomie“. Sie habe angehimmelt werden wollen als Medizinerin ohne Rücksicht auf das, was daraus für andere folgen könne. Der Anklagevertreter war sich sicher: „Ohne den aufmerksamen Zeugen hätten sie weitergemacht und dann hätte es irgendwann Tote gegeben.“
Ein Krankenpfleger in Debstedt hatte nach einer Begegnung mit der angeblichen Ärztin Verdacht geschöpft und in der Folge nicht lockergelassen. Allein seiner Hartnäckigkeit war es auch nach Auffassung der Vorsitzenden Richterin zu verdanken, dass der zweite Betrug in Meppen im Oktober 2022 endgültig aufgeflogen war.
Die Angeklagte hatte zunächst in Debstedt in der Anästhesie gearbeitet und hätte dabei laut Staatsanwalt früher oder später betäubende Medikamente in ihrer Dosierung berechnen müssen. Aber das habe sie intellektuell gar nicht gekonnt. „Was haben sie sich dabei gedacht? Vielleicht nichts.“
Staatsanwalt sieht einen Skandal
Und obwohl sie in Debstedt schon früh gespiegelt bekommen habe, dass sie als Ärztin unfähig sei, habe sie sich nur fünf Tage nach ihrer dortigen Kündigung in Meppen beworben und weitergemacht. Und hierin sah der Staatsanwalt einen Skandal neben dem Betrug: „Dass es gelungen ist, gleich in zwei Kliniken mit einem gefälschten Zeugnis als Ärztin anzufangen, ist unglaublich.“ Dabei wolle er den handelnden Personen in den Kliniken kein persönliches Fehlverhalten vorwerfen, sondern es gehe um völlig übertriebenen Datenschutz.
„Es kann doch nicht sein, dass man in Deutschland nicht zentral abfragen kann, ob jemand tatsächlich Medizin studiert hat oder nicht. Hier steht das Wohl der Patienten doch wohl in keinem Verhältnis zu angeblich schutzwürdigen persönlichen Daten“.
Der Staatsanwalt zog im Fall der „falschen Ärztin“ Parallelen zum Fall Nils Högel. Der Krankenpfleger hatte in mehreren Krankenhäusern mehr als 80 Menschen getötet. Das hatte die Angeklagte zwar ausdrücklich nicht vor, aber die Ähnlichkeiten in der Persönlichkeitsstruktur seien unverkennbar.
Auf Grundlage der Zeugenbefragungen und des nicht öffentlich vorgetragenen Gutachtens eines forensischen Psychiaters gelangte der Anklagevertreter zu der Überzeugung, dass sie Angeklagte unter einer mittelgradigen bis schweren Persönlichkeitsstörung leide. Als „pathologische Lügnerin“ und Narzisstin sei sie offensichtlich nicht in der Lage, ihr falsches Handeln zu erkennen.
Bevölkerung vor der Angeklagten schützen
Und obwohl sie unbedingt als Ärztin arbeiten wolle – immerhin habe sie sich trotz des Strafverfahrens gegen sie mit gefälschten Zeugnissen an einer Uni als Medizinstudentin eingeschlichen – dürfe gerade das nicht geschehen. Die Bevölkerung müsse vor der Angeklagten geschützt und ihr geholfen werden, weshalb er beantrage, sie sofort in einer forensischen Klinik unterzubringen. Das sei zeitlich unbefristet. Eine Gefängnisstrafe sei angesichts der krankhaften Neigung nicht sinnvoll.
Der Verteidiger der Angeklagten war mit seinem Plädoyer nach fünf Minuten fertig. Er hob das Geständnis seiner Mandantin hervor und sah die Fälschung jener Zeugnisse, die für die Hochschulzulassung eingereicht worden waren, nicht als erwiesen an. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik sei nicht angebracht, sondern eine Haftstrafe von einem bis eineinhalb Jahren auf Bewährung inklusive einer Therapie. Die Angeklagte selbst sagte: „Ich entschuldige mich und schließe mich an“.
Richter folgen der Staatsanwaltschaft
Die Richter der großen Strafkammer aber folgten der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang. Es gehe jetzt darum, die Allgemeinheit vor der Angeklagten zu schützen, denn es stehe fest, dass sie ansonsten immer wieder versuchen werde, als Ärztin zu arbeiten, sagte die Vorsitzende Richterin. „Und irgendwann gäbe es dann Tote, weil sie in keiner Weise geeignet oder qualifiziert wären, als Medizinerin tätig zu sein.“ Es gehe auch darum, der Angeklagten zu helfen. Ansonsten gehe sie irgendwann über Leichen.
Die Angeklagte muss das erschlichene Gehalt zurückzahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (yvo)