TSPD schreibt CDU offenen Brief: Ein vergiftetes Friedensangebot

Die SPD-Spitze im Kreis: Corinna Lange und Kai Koeser. Foto: Strüning (Archiv)
Ein offener Brief der SPD im Kreis Stade an die CDU kommt als Friedensangebot daher, enthält aber jede Menge politischen Sprengstoff. Anlass ist der Merz-Vorstoß zur Migration im Bundestag.
Stade. „Die Geschehnisse in Berlin und die Rhetorik rund um die Abstimmung – auch hier vor Ort – lassen uns ratlos zurück“, schreiben die beiden Unterbezirksvorsitzenden der SPD, Corinna Lange und Kai Koeser, an die „liebe Melanie“. Melanie Reinecke ist Kreisvorsitzende der CDU. Der Brief richtet sich aber auch an alle CDU-Mitglieder und wurde öffentlich gemacht. Der SPD im Landkreis Stade sei es wichtig, zu einer Gesprächsbasis zurückzufinden, heißt es dort. Die nachfolgenden Zeilen haben allerdings die Kraft, weiteres Porzellan zu zerschlagen.
„Erschrocken über Vorwürfe und Rhetorik aus Euren Reihen“
Der Brief selbst beginnt dann mit: „Mit großer Irritation und Sorge blicken wir auf die Geschehnisse der letzten Tage. Wir teilen Euer Entsetzen und Eure Empörung über Drohungen gegen Amtsträger:innen und Mitarbeiter:innen der CDU und verurteilen diese ausdrücklich.“ Gleichzeitig zeigen sich die Sozialdemokraten erschrocken „über Vorwürfe und Rhetorik aus Euren Reihen uns gegenüber – insbesondere in den Sozialen Medien“. Welche konkret gemeint sind, wird nicht angesprochen.
Merz‘ Vorstoß im Bundestag sei eine Initiative ohne jede politische Wirksamkeit, ohne Aussicht auf echte Umsetzung, aber mit maximaler Symbolkraft gewesen – leider in die falsche Richtung, meinen die SPD-Chefs. Dieser Entschließungsantrag sei zum Scheitern verurteilt gewesen, weil er nicht darauf ausgerichtet war, reale Lösungen herbeizuführen. Damit betreibe Friedrich Merz Symbolpolitik ohne Wirkung.
Will die SPD einen Keil in die CDU treiben?
Genau das habe Melanie Reinecke mit Verweis auf Konrad Adenauer in einem grundsätzlichen Post in den sozialen Medien abgelehnt. Da drängt sich für politische Beobachter die Frage auf: Will sich die SPD der CDU in der Region nähern, indem ein Keil zwischen Kreis- und Bundesvorsitzenden getrieben wird?
Denn weiter heißt es Richtung Reinecke: „Du sprichst von einer demokratischen Abstimmung – aber was sagt es über den Inhalt und Geist eines Antrages aus, wenn dieser ohne die Unterstützung von Demokratiefeinden gar nicht durchsetzbar gewesen wäre?“ Die CDU-Bundestagsfraktion habe sich nicht mit den demokratischen Parteien im Vorfeld abgestimmt, sondern in Kauf genommen, dass ihr Antrag nur mit Hilfe derjenigen verabschiedet werden konnte, „die unsere Demokratie von innen heraus zerstören wollen“. Diese Verantwortung könne die CDU nicht einfach von sich weisen.
Landkreis Stade
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Noch schwerwiegender sei es jedoch, so Lange und Koeser, dass die Merz-CDU Vorschläge gemacht habe, die in weiten Teilen rechts- und verfassungswidrig seien. „Ihr fordert wissentlich Maßnahmen, die vor Gerichten keinen Bestand haben werden, und suggeriert der Bevölkerung dennoch, es gäbe einfache Lösungen.“ Damit trage die Merz-CDU nicht zur Problemlösung bei, sondern nur zur weiteren Frustration der Menschen – „ein gefundenes Fressen für die Feinde unserer Demokratie“.
Besorgniserregende Verrohung der politischen Debatte
Es gebe eine besorgniserregende Verrohung der politischen Debatte. Gewalt sei nicht akzeptabel. Drohungen gegen Amtsträger verurteile die SPD ohne Einschränkung. „Aber das ändert nichts daran, dass die CDU eine politische Verantwortung für das trägt, was hier geschehen ist. Eure Bundestagsfraktion hat eine Tür aufgestoßen, die niemals hätte geöffnet werden dürfen.“
Melanie Reinecke habe in einem Post betont, dass es „keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird! Auf keiner Ebene.“ Dies komme leider zu spät – und ohne eine klare Distanzierung der örtlichen CDU bleibe das eine bloße Floskel. Es bleibe der bittere Beigeschmack, dass die CDU mindestens bereit ist, die Stimmen der AfD „zur Durchsetzung eigener Anträge in Kauf zu nehmen“.

Die SPD-Spitze im Kreis: Corinna Lange und Kai Koeser. Foto: Wisser (Archiv)
Nach dieser Attacke geht es nicht gerade versöhnlich weiter im SPD-Brief. Es blieben „die Vorwürfe lokaler Funktionsträger:innen uns gegenüber“. Es bleibe die aggressive Rhetorik einiger weniger. Es bleibe „das bleierne Schweigen der vielen anderen“. Es bleibe der Hohn in den sozialen Medien über die Sorge vieler Menschen über die Stabilität unserer Demokratie. Das alles zerstöre Vertrauen.
SPD: „Eine schwere Hypothek für die Zukunft“
Weiter heißt es im SPD-Schreiben: „Liebe Melanie, liebe Freundinnen und Freunde der CDU im Landkreis Stade, ohne eine klare Distanzierung der örtlichen CDU bleibt Deine Erklärung, liebe Melanie, eine schwere Hypothek für die Zukunft.“
Die Genossen lassen nicht locker: „Das Mindeste, was wir erwartet hätten, wäre eine deutliche Abgrenzung der lokalen CDU von diesem Vorgehen. Dass diese ausbleibt, hinterlässt große Zweifel.“ Immerhin: „Unsere Tür für Gespräche bleibt offen. Dafür braucht es jetzt ein Signal von Euch, damit unser Verhältnis zueinander nicht nachhaltig beschädigt bleibt.“ Ob diese Worte das gewünschte Ziel erreichen, scheint sehr fraglich.
Melanie Reinecke bestätigt auf TAGEBLATT-Nachfrage den Eingang des Briefes. Gelesen, sagt sie, habe sie ihn noch nicht.