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Zugausfälle

TSechs Tage Bahnstreik: Wie Pendler im Landkreis Stade damit umgehen

Anzeige im Dialogdisplay auf dem Bahnsteig: Die S-Bahn Hamburg informiert die Bahngäste über den Streik der Lokführer.

Anzeige im Dialogdisplay auf dem Bahnsteig: Die S-Bahn Hamburg informiert die Bahngäste über den Streik der Lokführer. Foto: Sulzyc

Sechs Tage lang müssen Bahnfahrer während des GDL-Streiks sich mit Zugausfällen und ungewissen Abfahrtzeiten arrangieren. Für Berufspendler und Studenten aus dem Landkreis Stade bedeutet das eine Belastung. Wie planen sie den Ausnahmezustand?

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Von Thomas Sulzyc,
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Von Fenna Weselmann
Dienstag, 23.01.2024, 19:20 Uhr

Buxtehude. Für den geübten Bahnfahrer im Landkreis Stade sind Verzögerungen nichts Neues. Der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn trifft Berufspendler und Studenten aber ungewohnt hart. In den kommenden sechs Tagen müssen alle mit Zugausfällen und langen Wartezeiten klarkommen. Wie gelingt das?

Fabian Butter aus Hedendorf fährt normalerweise mit der S-Bahn zur Universität Hamburg und zurück. Während des Bahnstreiks in den kommenden sechs Tagen plant der 19 Jahre alte Student der Volkswirtschaftslehre mit zwei Alternativen: Im Falle nur einer Vorlesung am Tag lerne er zu Hause. Die andere Idee ist, möglicherweise gemeinsam mit seinem Vater, normalerweise auch ein S-Bahnpendler, im Auto in die Hamburger Innenstadt zu fahren. „Bei den üblichen Staus würde sich die Fahrzeit vermutlich verdoppeln“, sagt er. Der Student hofft, dass sich die Tarifparteien einig werden - und es nicht zu einem weiteren Streik kommt. „In den ersten zwei Wochen im Februar habe ich Prüfungen an der Universität“, sagt er.

Während des Streiks zurück ins Homeoffice

Michaela Zahn pendelt regelmäßig nach Hamburg. Die Bauingenieurin aus Buxtehude kann zwar viele Aufgaben auch vom Homeoffice aus erledigen, muss aber an diesem Mittwoch ins Büro. „Ich fahre bis Neugraben mit dem Auto und hoffe, dass ich von dort mit der S-Bahn morgens hin und dann von Hammerbrook wieder zurückkomme“, so ihr Plan.

An den anderen Streiktagen wird sie zu Hause arbeiten. „Grundsätzlich habe ich sehr großes Verständnis, für mehr Lohn und kürzere Wochenarbeitszeit zu streiken. Was mir allerdings gegen den Strich geht, sind die kurzfristigen Ankündigungen. Das macht es ganz schwer, umzuplanen. Und wenn nach zwei Wochen schon wieder gestreikt wird, wird man den Eindruck nicht los, dass die gar nicht mehr richtig miteinander verhandeln“, sagt sie.

Aus dem Alten Land via Fähre bis nach Altona

„Ich plane so, dass ich möglichst wenig mit den Zügen der S-Bahn fahre und auf andere öffentliche Verkehrsmittel umsteige“, sagt Klaus Müller aus Jork. Der Sprecher des Fahrgastbeirats im Landkreis Stade fährt mehrmals in der Woche aus Jork nach Hamburg und wieder zurück. Sein Plan während des Lokführer-Ausstands: mit dem Bus von Jork nach Finkenwerder, weiter mit der Fähre zum Anleger Teufelsbrück, von dort mit dem Bus nach Altona und ab dort im Notfahrplan mit der S-Bahn.

Klaus Müller aus Jork ist Sprecher des Fahrgastbeirats im Landkreis Stade. Seine Meinung zum erneuten GDL-Streik ist eindeutig: „Das ist eine Ein-Mann-Show des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky.“

Klaus Müller aus Jork ist Sprecher des Fahrgastbeirats im Landkreis Stade. Seine Meinung zum erneuten GDL-Streik ist eindeutig: „Das ist eine Ein-Mann-Show des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky.“ Foto: Thomas Sulzyc

Müller rechnet mit zehn bis 15 Minuten Zeitverlust pro Strecke, die ihn der Streik kostet. Machbar also. Ein Unsicherheitsfaktor bei der Planung bleibt aber: „Spät abends bin ich auf die S-Bahn angewiesen.“ Längere Wartezeiten drohen also.

Verständnis für den erneuten Streikaufruf der Lokführergewerkschaft GDL hat Müller mittlerweile nicht mehr. Seiner Meinung nach sei der Ausstand eine Ein-Mann-Show des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky. Die Gewerkschaft wolle zeigen, dass sie das Land lahmlegen könne. „Die Deutsche Bahn hat zwei Mal ein Angebot vorgelegt. Da muss es doch möglich sein, miteinander zu reden.“

Als Alternative bleibt nur das Auto

Wenig amüsiert zeigt sich Stefan Goebel aus Nottensdorf über den erneuten Ausstand: „Ich ärgere mich maßlos darüber.“ Seine Konsequenz: Statt von Horneburg nach Hammerbrook mit der S-Bahn zu pendeln, steigt er aufs Auto um. „Das sind Zusatzkosten“, sagt er. Der Spaßfaktor halte sich in Grenzen. Immerhin: Er nimmt eine Bekannte aus Horneburg mit, die den gleichen Arbeitsweg hat.

Goebel weiß auch, dass er nicht der einzige sein wird, der in diesen Tagen auf den Straßen gen Hamburg unterwegs ist und denkt schon mit Grausen an den Stop-and-go-Verkehr auf dem Weg zur Arbeit. Er fängt extra früher an im Büro, aber auch auf diese Idee kommen andere. Am Freitag, so seine Erfahrung, gehe es besser, da seien viele Pendler im Homeoffice.

Hoffen auf die S3 und den Notfahrplan

„Das ist doch Mist hoch drei“, stimmt Stefan Oellrich in die Klage mit ein. Er kommt auch aus Nottensdorf, fährt von Horneburg zum Jungfernstieg. Er versucht, den Streik zu umgehen, indem er mit dem Auto nach Neuwiedenthal fährt und sich dort in die S3 setzt. Seine Hoffnungen ruhen auf einem einigermaßen verlässlichen Notfahrplan. Homeoffice komme für ihn nicht infrage, weil er an den kommenden Tagen wichtige Präsenztermine habe.

Oellrich ist seit 30 Jahren auf der Schiene unterwegs, ein echter Pendler-Profi. Immer wieder nervt ihn das „Kommunikationsdesaster“, wenn es Probleme auf der Schiene gibt. Vor kurzem musste er sich ab Neugraben abholen lassen, weil es trotz aller Bekenntnisse per Lautsprecher nicht mehr voran ging. Verspätung: 1 Stunde, 45 Minuten.

„Ich rege mich darüber nicht mehr auf“, hat Lara-Maria Mehrkens für sich beschlossen. Die junge Frau pendelt seit drei Jahren zwischen Buxtehude und Hauptbahnhof. Die vier Streikwerktage wird sie abwechselnd im Homeoffice und im Büro beim Notar verbringen. Dann muss sie halt mit dem Auto fahren. Das tut sie ungern. Die Bahn ist nicht nur die günstigere Variante, sondern auch die umweltfreundlichere.

GDL-Streik: Darum sind die Fronten verhärtet

Uneins sind sich die Deutsche Bahn und GDL über die Laufzeit des Tarifvertrags: Die Bahn bot 32 Monate, während die GDL zwölf Monate verlangt. Hauptstreitpunkt ist die Arbeitszeitverkürzung: Die GDL fordert eine schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit im Schichtdienst von 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. Das jüngste Angebot der Bahn sieht lediglich eine Option auf Arbeitszeitverkürzung um eine Wochenstunde bei gleichbleibenden Bezügen vor.

Der jetzige sechstägige Streik der Lokführer ist der vierte im laufenden Tarifkonflikt. Ende des vergangenen Jahres legte die GDL bei zwei Warnstreiks große Teile des Personenverkehrs lahm. Im Januar folgte dann ein dreitägiger Streik - mit Tausenden Zugausfällen in Deutschland.

Der jetzige Ausstand im Personenverkehr beginnt in der Nacht zum Mittwoch, 24. Januar, um 2 Uhr und dauert bis Montagabend, 29. Januar, 18 Uhr.

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