TSommerschließzeiten: Stader Kita-Mitarbeiter kritisiert die Stadt heftig

Spielende Kinder in den Stader Kitas wird man im Sommer künftig drei Wochen lang nicht sehen. Bislang gab es nur zwei Wochen Schließzeit. Foto: Christoph Soeder/dpa
Im Sommer sind die städtischen Kindergärten in Stade drei statt zwei Wochen dicht. Viele kritisieren diese Entscheidung. Ein Kita-Mitarbeiter redet Tacheles.
Stade. Aufgrund des Fachkräftemangels schließen die 14 städtischen Kitas in Stade in diesem Sommer erstmals für drei statt wie bisher für zwei Wochen. Viele Eltern und Kita-Mitarbeiter kritisieren diese Entscheidung scharf. Auch ein sozialpädagogischer Assistent, der in einer Stader Kita arbeitet, lässt kein gutes Haar an der Stadtverwaltung. Weil er noch bei der Stadt angestellt ist, möchte er anonym bleiben.
Mitarbeiter wurden nicht in die Entscheidung eingebunden
Das Kernproblem liegt für ihn darin, dass die Entscheidung zur Verlängerung der Sommerschließzeit intern - ohne vorherige Einbindung oder Rücksprache mit den betroffenen Mitarbeitern - getroffen worden sei. „Wir waren frustriert. Viele Kolleginnen und Kollegen mussten ihren ohnehin knappen Urlaub völlig neu planen“, so der Kita-Mitarbeiter.
Eine Unterschriftenaktion mit Beteiligung von mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter habe keinerlei Einfluss auf die Entscheidungsfindung gehabt. Am Ende sei eine Lösung präsentiert worden, die zwar als Kompromiss bezeichnet wurde, sich aber kaum so anfühle.
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Damit niemand gezwungen ist, drei Wochen Urlaub zu nehmen, sollen drei Tage der dreiwöchigen Sommerschließzeit für verpflichtende Fortbildungen genutzt werden. Für zwei weitere Tage dürfen - und müssen - Überstunden aufgebaut werden. Eine Vollzeitkraft habe somit die Möglichkeit, sich 16 Stunden durch Mehrarbeit zu erkaufen, um diese in der vermeintlich erholsamen dritten Woche wieder abzubauen. Das fühle sich weder nach Erholung noch nach echter Entlastung an.
Auch der Ausblick sei wenig motivierend: Ab 2026 soll ein neues System greifen, da gesetzliche Änderungen in der Hortbetreuung anstehen. Wie dieses konkret aussehen soll, sei bisher unklar. „Wir haben wieder das Gefühl, dass hinter verschlossenen Türen entschieden wird, während diejenigen, die täglich mit den Kindern arbeiten, vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, sagt der pädagogische Assistent.
Fachkräfte kehren dem Beruf den Rücken
Eine solche Praxis untergrabe Vertrauen, verschärfe bestehende Probleme und führe dazu, dass engagierte Fachkräfte dem Beruf den Rücken kehren - nicht aus Mangel an Idealismus, sondern aus Enttäuschung über die Rahmenbedingungen. Besonders deutlich zeige sich das bei den alleinerziehenden Kita-Mitarbeitern.
Die Schließzeit betrifft nämlich die Wochen drei bis fünf der Sommerferien. Diese Zeit sei oft zwischen den Elternteilen aufgeteilt (üblicherweise Woche 1 bis 3 und 4 bis 6). Für viele bedeute das, dass sie in ihrer vereinbarten Ferienzeit plötzlich ohne Betreuungsmöglichkeit dastünden.
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Solche Maßnahmen würden nicht ent-, sondern belasten. Sei es durch fehlende Mitbestimmung, symbolische Kompromisse oder realitätsferne Regelungen. In einem System, das ohnehin unter einem dramatischen Fachkräftemangel leide, könne sich die Stadt das nicht leisten.
Der pädagogische Assistent hat aus Unzufriedenheit über das Vorgehen der Stadt seine Stelle schweren Herzens gekündigt. Ende Juni läuft sein Vertrag aus. Einen von ihm gewünschten Aufhebungsvertrag erhalte er aber erst, wenn seine Stelle neu besetzt sei. „Vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels zeigt das noch einmal deutlich, wie verfestigt und realitätsfern einige strukturelle Prozesse sind“, sagt der Kita-Mitarbeiter.
Auf TAGEBLATT-Nachfrage bestätigt Sascha Middeke von der Stadt Stade, dass weder Kita-Mitarbeiter noch Eltern in den Entscheidungsprozess eingebunden wurden, dafür aber die Kita-Leitungen. Aufgrund des Fachkräftemangels und um Gruppenschließungen zu vermeiden, sei die Verlängerung der Sommerschließzeiten notwendig gewesen. Die Mitarbeiter könnten wie bisher auch zwei Wochen Urlaub während der Ferien nehmen. Dieses sei den Betroffenen in einer Teilpersonalversammlung erläutert worden, so Middeke.
20 vakante Vollzeitstellen in den städtischen Kitas
In den 14 städtischen Kitas in Stade gab es laut Annette Müller-Borghardt, Leiterin des Fachbereichs Bildung und Soziales bei der Stadt Stade, am Jahresbeginn etwa 20 vakante Vollzeitstellen - kranke und schwangere Mitarbeitende nicht einberechnet. Insgesamt gebe es in den Kitas im Landkreis Stade fast 20 Prozent mehr unbesetzbare Stellen als im Bundesdurchschnitt. Das sagte kürzlich Elke Alsago von Verdi beim Kita-Gipfel im Stadeum.
Die meisten Kitas im Landkreis Stade sind üblicherweise zwei oder drei Wochen im Sommer geschlossen. Dreiwöchige Sommerschließzeiten gebe es laut Annette Müller-Borghardt bereits bei einem Großteil der 16 Stader Kitas in freier Trägerschaft. Auch in der Samtgemeinde Horneburg sind die kommunalen Kitas im Sommer drei Wochen dicht. In Buxtehude schließen die städtischen Kitas in diesem Sommer erstmals für zwei Wochen.
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