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Abschied

TTV-Koch Rainer Sass gibt den Löffel ab: So lief sein letzter NDR-Dreh

TV-Koch Rainer Sass spricht in die Kamera.

Flirtet mit der Kamera: Rainer Sass bei seinem letzten NDR-Dreh in action. Foto: Strüning

Rainer Sass, TV-Koch von der Stader Geest, beendet seine Zusammenarbeit mit dem NDR. Was er sich als letztes Gericht ausgesucht hat, wie er sich vom Fernsehpublikum verabschiedet und wer seine neue Liebe ist – das TAGEBLATT war beim Abschiedsdreh dabei.

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Von Lars Strüning
Mittwoch, 17.04.2024, 17:49 Uhr

Stade. Er ist ein ausgekochtes Bürschchen, dieser Rainer Sass. In seiner TV-Küche ist wie immer alles vorbereitet, wenn das NDR-Team zum Tagesdreh aus Hamburg anrückt. Kamerafrau Christine steht auf einem Extra-Tisch, schaut dem Maî­t­re von oben in die Töpfe. Kollege Stefan ist mit beiden Füßen auf dem Boden, fängt ihn direkt von vorne ein.

Rainer Sass konzentriert sich kurz. Regisseur Florian Kruck, mit dem Sass seit Jahren zusammenarbeitet und mehr als 1000 Sendungen produziert hat, gibt das Kommando. Und schon beginnt der Flirt mit der Kamera.

Abschiedsdreh von NDR-Koch Rainer Sass

01:32 min

Rainer Sass‘ Markenzeichen ist die Kodderschnauze

Sass explodiert förmlich, ist in seinem typischen TV-Element. Laut und viel redend, ausschweifend gestikulierend, sich auf die Kamera zu und wieder von ihr weg bewegend. Dazu die bekannte norddeutsche Kodderschnauze, die die einen so lieben und die anderen den Kopf schütteln lässt. Sein Stil brachte ihm die Bezeichnung „Sassomat“ ein. Fertig ist der Take. Sass ist ein Profi.

Nur selten muss er eine Szene wiederholen. Bei einer ragt eine „Pfanni“-Packung ins Bild, bei der anderen, gerade der letzten Szene, hängt ein Kabel von der Decke. Dann denkt der Kameramann, es handelt sich nur um eine Probe, die wäre aber so gut gewesen, dass sie hätte gesendet werden können - nur die Kamera lief nicht. Also noch einmal. Die Suppe, die er dem Team eingebrockt hat, wird gemeinsam ausgelöffelt.

Rainer Sass guckt nachdenklich.

Nachdenklich kurz vor der Aufzeichnung: Rainer Sass konzentriert sich in der TV-Küche seines Hauses. Foto: Strüning

Heute gibt‘s Gnocchi, selbstredend selbst gedreht, mit Scampi und Bärlauch-Pesto. Sass‘ Abschiedsgericht. Vom Ende seiner 33-jährigen Laufbahn als TV-Koch beim NDR will er kein großes Aufheben machen. Kein roter Teppich, keine warmen Worte von hochgestellten Senderchefs, keine Sondersendung. Sass sagt einfach nur Tschüss.

Genau genommen sagt er ein langgezogenes „Tschüüüüüüüüüss“. Wie immer zum Kochfinale stößt er mit den Zuschauern via Kamera mit einem guten Wein an. Das Besondere diesmal: Zum ersten Mal trinkt er das Glas auch aus zur Feier des Tages. Es gibt Grauburgunder vom Kaiserstuhl.

Rainer Sass und Uwe Bahn kochten im Radio

Eigentlich ist Rainer Sass bereits 40 Jahre für den NDR tätig. Zuerst kochte er zusammen mit Uwe Bahn im Radio. Kaum einer hatte geglaubt, dass das funktioniert. Die Resonanz motivierte nicht nur Sass, sondern auch die Programmverantwortlichen, das Format ins Fernsehen zu hieven. Somit gilt Rainer Sass als einer der Väter der TV-Kochshows.

Seit 1991 schnippelte und sabbelte er im NDR Fernsehen. Mit „DAS! schmeckt“ und der „Rainer Sass Kochshow“ (2003) wurden eigens auf ihn Fernsehformate zugeschnitten. Sass, der Koch und Entertainer.

Blau auf weiß: Die letzte Klappe für Rainer Sass.

Blau auf weiß: Die letzte Klappe für Rainer Sass. Foto: Strüning

Im Abendprogramm folgte die einstündige Kochsendung „Rainers Freunde“. Spätestens jetzt war er eine Nummer. Im Gegensatz zu anderen großen Namen der Kochszene führte Sass selbst nie ein Restaurant, hatte keinen Manager engagiert oder machte Werbung. Er lebte von seiner Versicherungsagentur.

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Sass präsentierte sich als „Volkskoch“ in der Reihe „Wünsch Dir Sass“. Zwischenzeitlich gehörte Sass zur Kochcrew bei „Kerners Köche“ im ZDF und später bei „Lanz kocht“.

Sein Kochleben lang predigte Sass, mehr Geld für Kulinarik auszugeben.

Er setzte auf einfach nachzukochende Gerichte mit frischen Zutaten, möglichst aus der Region. Sass sah sich gern als Botschafter des guten Geschmacks und der Esskultur. „Ich kenne keinen Menschen, der ein gutes Steak so feiert wie Rainer“, sagt dazu sein langjähriger Partner Florian Kruck.

Der TV-Koch ist SPD-Mitglied und Träger des Niedersächsischen Verdienstordens

Sass ist nicht nur Koch, sondern auch ein politischer Mensch. Er ist Mitglied der SPD. Als Vertreter des Landes Niedersachsen war er in den Jahren 2004 und 2017 für seine Partei Mitglied der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt. Seine TV-Küche, größer als manches Wohnzimmer, zieren großformatige Kunstwerke, die Porträts von Barack Obama und Gerhard Schröder zeigen.

Ein Geheimnis hütete er lange: Sass wurde der Niedersächsische Verdienstorden am Band verliehen. Für das TAGEBLATT öffnet er einmal kurz die Box mit der Auszeichnung - und lässt sie schnell wieder in der Schublade verschwinden. Hanseatisch zurückhaltend, aber auch stolz.

Normalerweise unter Verschluss: der Niedersächsische Verdienstorden, den Rainer Sass erhielt.

Normalerweise unter Verschluss: der Niedersächsische Verdienstorden, den Rainer Sass erhielt. Foto: Strüning

Rainer Sass steht kurz vor seinem 70. Geburtstag. Time to say goodbye, zumindest dem NDR. Zeit, dem Sender und seinem Publikum „Tschüss“ zu sagen. NDR-Programmdirektor Frank Beckmann ist voll des Lobes über ihn.

„Mit Rainer Sass geht ein echtes norddeutsches Original - unterhaltsam, eigenwillig, authentisch und in jeder Hinsicht köstlich.“ Er habe Fernsehgenerationen in Norddeutschland kulinarisch geprägt.

Was Rainer Sass jetzt vorhat

Seine Rezepte haben online stets die höchsten Abrufzahlen auf ndr.de. Sass wäre aber nicht er selbst, wenn er nicht neue Pläne verfolgte.

Und was macht er jetzt? „Erst mal Pause“, sagt er. In seinem Kopf arbeitet es. Er könnte sich vorstellen, Sendungen zu produzieren unter dem Titel „fleischlos glücklich“. Zudem will er Abende organisieren mit Infos zu gutem Essen und Trinken. „Schnacken, schnuppern, schauen“ könnten die heißen.

Antje ist seine alte, Emma seine neue Liebe

Rainer Sass ist selbstredend auch ein Privatmensch. Seit 1974 ist er mit seiner Antje verheiratet. Das Glück der beiden hieß lange Jahre Linda, eine Jack-Russell-Hündin. Die ist im vergangenen Jahr verstorben. Die Trauer war groß. Jetzt herrscht wieder Leben im Hause.

Emma führt das Regiment, eine Jack-Russell-Welpe. Rainer Sass ist frisch verliebt - mit fast 70. Sass Nachfolgerin als TV-Köchin beim NDR ist übrigens Zora Klipp aus Zeven.

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