TVersuchter Mord? Angeklagter bestreitet Vorwürfe

Am Landgericht Stade soll geklärt werden, ob der Angeklagte versucht hat, seine Eltern zu töten. Foto: Carmen Jaspersen/dpa
Wollte er seine Eltern töten, indem er deren Haus in die Luft sprengt? Der Vorwurf lautet versuchter Mord. Im Prozess vor dem Stader Landgericht hat nun der Angeklagte ausgesagt. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizeibeamte.
Altes Land. Der Angeklagte las seine schriftlich vorbereitete Aussage vor. Er beteuerte, dass er weder versucht habe, seine Eltern umzubringen noch deren Haus in die Luft zu sprengen. Am Morgen, als die vermeintliche Gasmanipulation entdeckt wurde, sei er auf Wunsch des Vaters zu seinen Eltern gefahren und mit ihm in den Keller gegangen. Dort habe ihm sein Vater etwas erzählt, über dessen Inhalt der Angeklagte vor Gericht jedoch schweigen wollte.
Angeklagter liefert Erklärung für Fingerabdrücke
Als er mit seinem Vater im Keller war, sei der Gashahn geschlossen gewesen, so der Angeklagte. Er habe das Ventil untersucht und dabei die obere Mutter berührt. Er erinnere sich auch an einen Holzspan, den er aufgehoben und auf die Fensterbank gelegt habe. Sein Vater habe ihm auch die manipulierte Zeitschaltuhr gezeigt, die in der Waschküche gelegen habe. Er habe nicht verstanden, was diese zu bedeuten hatte, da sie nicht in der Steckdose gesteckt habe. Er habe die Uhr und die Aluminiumüberbrückung der Kabel berührt. Da er oft im Keller der Eltern sei, sei es nicht überraschend, dass dort Spuren seiner DNA zu finden seien, sagte der Angeklagte.
Vorwürfe des Angeklagten gegen die Polizei
Der Mann erklärte außerdem, dass er während seiner Vernehmung durch die Polizei nicht gewusst habe, dass er zur Sache nichts sagen müsse. Zudem sei ihm nicht bekannt gewesen, dass seine Eltern ihn angeblich beschuldigt hatten. „Ich wurde nicht informiert, dass ich einen Anwalt anrufen kann.“ Weiterhin sei er auch nicht darauf hingewiesen worden, dass er keine Daten herausgeben müsse. Dass er sein Handy einer Polizeibeamtin herausgegeben habe, begründete der Angeklagte damit, dass sie durch ihre Erscheinung bedrohlich auf ihn gewirkt und bei ihm den Eindruck erweckt habe, dass er keine andere Wahl hatte.
Waren finanzielle Probleme das Motiv?
Zu diesen Einlassungen wollte die Kammer noch Fragen stellen, bekam aber von Verteidiger Remy den Hinweis, dass Fragen nur schriftlich gestellt werden sollten und sich die Verteidigung vorbehalte, zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, wie sie beantwortet werden. Die Beantwortung der Fragen zum vermeintlichen Hausbauprojekt des Angeklagten und etwaigen möglichen finanziellen Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang sowie mutmaßlichen Eheproblemen lehnte die Verteidigung dann auch ab. Die Fragen hatten sich, wie sich in der Verhandlung herausstellte, durch die Sichtung des Chatverkehrs vom Handy des Angeklagten ergeben.
Anschließend charakterisierte der Gutachter Dr. Harald Schmidt, forensischer Psychiater und Rechtsmediziner, den Angeklagten und die Hintergründe der mutmaßlichen Tat. Da der Angeklagte eine Begutachtung abgelehnt hatte, konnte sich der Sachverständige nur auf die Erkenntnisse aus den Ermittlungsakten, die Beobachtung des Prozesses und die Einlassungen des Angeklagten stützen.
Laut Schmidt zeigte der Prozess den Angeklagten als stillen Beobachter. Es wurden keine Probleme mit seiner psychischen Gesundheit im Verfahren geltend gemacht, er wurde nicht als intelligenzgemindert eingestuft und es gab auch keine Hinweise auf Rauschmittelkonsum. Daraus, so Schmidt, ließen sich nur wenige Schlüsse ziehen.
Gutachter spricht von krankhaftem Lügen
Die Erkenntnisse aus den Ermittlungsakten zeigten jedoch nicht nur, dass die angebliche Tat der Anklage entsprechend oder ähnlich abgelaufen sein könnte, sondern auch ein womöglich komplexes Tatgeschehen, das Planung und Vorbereitung erforderte. Die Ermittlungen zum Tatvorwurf enthüllten zudem einen besonderen Aspekt der Persönlichkeit des Angeklagten. Dr. Schmidt fasste dies mit dem Begriff „Pseudologica Phantastica“ zusammen, was krankhaftes Lügen bedeutet.
Die Auswertung der Chats des Angeklagten mit seiner Ehefrau unterstütze dieses Bild. Darin ging es um finanzielle Probleme und jahrelanges Lügen und Unehrlichkeit, was die Ehefrau dem Angeklagten vorwarf und was offensichtlich die Beziehung belastete. Lügen allein, so Schmidt, sei keine psychische Erkrankung, könne aber ein Symptom für eine Persönlichkeitsstörung sein. Diese müsse jedoch einen bestimmten Ausprägungsgrad haben, um als krankhaft eingestuft zu werden. Selbst wenn beim Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung vorläge, zeige sie sich nicht in einem Ausmaß, das eine Minderung der Schuldfähigkeit rechtfertigen würde.
Das Gericht forderte die Verfahrensbeteiligten auf, Handy-Chatfotos vom Angeklagten zu betrachten, basierend auf dem forensischen Bericht. Verteidiger Bielke versuchte die Vorlage dieser Fotos zu blockieren, indem er einen Einspruch einlegte. Er argumentierte, dass die Handydaten illegal erlangt worden seien. Das Gericht verwarf den Einspruch mit der Begründung, dass die Polizei keine Informationspflicht verletzt habe.