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Stadeum

TVon Kröten, Bienen und Faschisten: Hirschhausens beeindruckender Auftritt in Stade

Zum Einstieg nimmt Eckart von Hirschhausen sich das TAGEBLATT zur Brust - als Steilvorlage für die ersten Lacher.

Zum Einstieg nimmt Eckart von Hirschhausen sich das TAGEBLATT zur Brust - als Steilvorlage für die ersten Lacher. Foto: Weselmann

Eckart von Hirschhausen ist ein Publikumsmagnet - auch in Stade. Seine Auftritte sind rarer geworden. Das liegt an einer persönlichen Begegnung.

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Von Fenna Weselmann
Samstag, 18.01.2025, 15:50 Uhr

Stade. „Ich bin Arzt und werde sie gut behandeln.“ Dr. Eckart von Hirschhausen weiß, wie er sein Publikum vom ersten Moment an auf Betriebstemperatur bringt. „Humorlevel testen“ nennt der Bühnenmann das. „Ich bin Boomer, und Du?“ fragt er und geht mit den Gästen im hell erleuchteten Zuschauerraum auf Tuchfühlung. Die Jüngsten sind 16, die Älteste ist 92. Von Generation Z bis Super Ager ist im Stadeum alles dabei.

Stade ist Steilvorlage für die ersten Lacher

Zum Warm-Up zückt Hirschhausen das aktuelle TAGEBLATT und kommentiert die Berichterstattung - Steilvorlage für die ersten Lacher am Freitagabend im fast voll besetzten Saal.

„Viele Gründe für den Ärztemangel“ ist die Überschrift eines Artikels im Lokalteil. Hirschhausen zeigt auf sich selbst: „Ein Grund steht hier.“ Denn seinen weißen Arztkittel hat der Mediziner schon lange abgelegt. Den Vertrauensvorschuss seines früheren Berufs nutzt er jetzt für eine schwierige Aufgabe: Patient Erde.

Die Mission ist klar: ein gesunder Planet. Dabei kommt Hirschhausen sein Talent zugute, wissenschaftliche Inhalte auf humorvolle Art zu vermitteln. Sein Rezept: Lachen ist die beste Medizin, um Menschen mitzunehmen auf dem Weg zu einer besseren Welt.

Hirschhausens Ziel ist ein Bang-Moment für jeden

Das zweistündige Programm ist eine gekonnte Mischung aus persönlichen Geschichten, Lesung und Kabarett - gespeist von erleuchtenden Fakten und heiterer Spontaneität. Hirschhausens Wunsch für dieses Live-Erlebnis zu seinem Buch „Mensch Erde! Wir könnten es so schön haben“: Dass alle einen „Bang-Moment“ daraus mitnehmen und selbst gegen den „planetaren, medizinischen Notfall“ aktiv werden. Jeder sollte sich fragen, wer er einmal gewesen sein und was er als Vorfahr bewegt haben möchte.

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„Nichts wird von alleine besser. Wir müssen uns gemeinsam darum kümmern“, sagt der 57-Jährige. Und in der Bubble der versammelten Fangemeinde ernten solche Appelle genauso großen Applaus wie seine heiteren Alltagsbetrachtungen herzhaftes Lachen.

Der „lustige Doktor mit der roten Nase“ ist passé

Ob im Fernsehen, als Sachbuchautor oder auf der Bühne - Hirschhausen will nachhaltige Impulse setzen, die hängen bleiben. Dass er nicht mehr so häufig im Theater auftritt, ist der Begegnung mit Jane Godall geschuldet.

Wie kann es sein, dass wir als intelligenteste Art auf dem Planeten unser eigenes Zuhause zerstören? Die von der Verhaltensforscherin aufgeworfene Frage hat ihn nicht mehr losgelassen. „Seitdem bin ich auf der Suche nach guten Antworten“, erzählt er. Statt „den lustigen Doktor mit der roten Nase“ zu mimen, legt er den Fokus auf die Arbeit für seine Stiftung „Gesunde Erde - Gesunde Menschen“.

Für den Wissenschaftskabarettisten ist die Bühne auch Plattform, um mit Annahmen aufzuräumen. „Es ist eine Mär, dass die Überbevölkerung uns killt. Es gibt genug zu essen. Wir produzieren jeden Tag doppelt so viele Kalorien, wie wir brauchen. Aber es ist eine Frage der gerechten Verteilung.“

Am Ende hat der Kabarettist einen Kloß im Hals

Seine Botschaft verpackt der Doktor nicht nur im typischen Hirschhausen-Humor („Physik gilt auch weiter, wenn wir das in der Schule abgewählt haben.“), der Saal kann den Zauber der Erde sinnlich erleben. Unser blauer Planet leuchtet auf der Leinwand und aus den Boxen wird hörbar, wie blubbernd-lebendig ein gesundes Korallenriff klingt.

Ob Fun-Fact oder eindringlicher Appell - das Publikum hängt Eckart von Hirschhausen zwei Stunden lang an den Lippen.

Ob Fun-Fact oder eindringlicher Appell - das Publikum hängt Eckart von Hirschhausen zwei Stunden lang an den Lippen. Foto: Weselmann

Für die Auswirkung des Menschen auf die Natur, liefert er verblüffende Beispiele. Um beim „Quatschen“ im Teich nicht von Fressfeinden geortet zu werden, synchronisieren Kröten ihr Quaken. Aber das Fluggeräusch eines Düsenjets reicht aus, um die Kröten für eine ganze Weile aus dem Gleichklang zu bringen.

Dazu hat Hirschhausen manchen Fun-Fact im Gepäck. Wenn die Biene Mindestlohn bekäme, würde ein Glas Honig 300.000 Euro kosten. So macht er deutlich, was die Natur uns schenkt.

Bei der Geschichte vom Pinguin und seiner Schwarmintelligenz („Da sagt keiner, neben dem möchte ich nicht stehen.“) hat Hirschhausen am Ende einen Kloß Emotion im Hals. „Wir haben die Wahl, und bei allem, was zu bemängeln ist, gibt es keinen Grund in diesem Land noch einmal Faschisten zu wählen.“ Und mit dem gemeinsam gesungenen „What A Wonderful World“ trägt das Publikum das gute Gefühl von Gemeinschaft nach Hause.

Aha-Momente im Publikum

  • „Beim Thema Nachhaltigkeit wurde meinem Mann und mir bewusst, dass wir schon immer darauf achten, nichts einfach wegzuschmeißen und aufzubrauchen. Aber dass die Atmosphäre so dünn ist, habe ich mir so noch nicht deutlich gemacht.“ Claudia Knospe aus der Wingst
  • „So zusammenfassend im Ganzen war das ein großer Aha-Effekt, auch wenn ich viele Sachen schon wusste. Aber was er über Tschernobyl und die dort entstandene Artenvielfalt erzählt hat, war mir nicht klar.“ Florentin Gröfke aus Stade
  • „Mir ist bewusst geworden, wie dünn eigentlich die Atmosphäre als unser Schutzfilm ist und dass die Aufnahmefähigkeit der Natur für CO2 tatsächlich am Ende ist und wir jetzt große Sprünge machen müssen gegen den Overload des Systems.“ Thomas Ringleben aus Buxtehude
  • „Wir sollten uns selbst nicht so sehr in den Mittelpunkt stellen, sondern mit Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft auf die Natur und unsere Mitmenschen schauen.“ Ilse Brockmann aus Buxtehude
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