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Handball-Bundesliga

TWann lichtet sich das Lazarett beim Buxtehuder SV?

Sinah Hagen dürfte schon bald wieder auf dem Spielfeld stehen.

Sinah Hagen dürfte schon bald wieder auf dem Spielfeld stehen. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX

Sinah Hagen, Maja Schönefeld und Mia Lakenmacher stehen schon lange auf der Verletztenliste des Buxtehuder SV. Doch wann ist wieder mit den Spielermacherinnen zu rechnen? Ein Update aus der Reha.

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Von Tim Scholz
Samstag, 04.11.2023, 09:50 Uhr

„Man leidet und muss sich sehr bremsen“

Maja Schönefeld (18) hat diese Bewegung schon tausendmal gemacht, ein sogenanntes Eins-gegen-eins zur Hand. „Und dann“, sagt sie, „bricht man plötzlich vor Schmerzen zusammen.“

Der 11. März 2023, ein Tag vor ihrem 18. Geburtstag: Kurz vor Beginn des Bundesligaspiels gegen Halle verletzt sich Schönefeld schwer am rechten Knie, ein Kreuzbandriss, wie sich herausstellt.

„Ich war schon ziemlich traurig“, sagt Schönefeld: Sie spielte regelmäßig in der Frauen-Bundesliga, gehörte zur A-Jugend-Bundesliga-Mannschaft und durfte auf eine Nominierung für die U19-EM hoffen.

Doch mit einem Schlag kann sich im Leistungssport alles ändern. Karriereziele stehen auf dem Spiel. Monatelang trainiert man nicht mit der Mannschaft, sitzt am Spieltag auf der Tribüne. Man macht sich Sorgen: Erreiche ich wieder mein altes Niveau? Werde ich wieder ins Nationalteam berufen?

Gute Freunde und andere Ablenkungen

Schönefeld findet den Begriff Leidenszeit ganz treffend: „Ja, man leidet, muss sich sehr bremsen und Geduld haben.“ Freunde haben sie aufgemuntert, viel mit ihr unternommen. Auch das Lernen für das Abitur lenkte ab. Zwischen der Matheklausur und einer mündlichen Prüfung wurde sie operiert.

Maja Schönefeld arbeitet in der Reha an ihrem Comeback.

Maja Schönefeld arbeitet in der Reha an ihrem Comeback. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX

Schönefeld begann ein Sozialpraktikum beim BSV, trainiert jetzt eine C-Jugendmannschaft. „Das macht mir Spaß, ich plane gerne Trainingseinheiten“, sagt sie.

Seit September arbeitet Schönefeld in der Reha an ihrem Comeback, bis zu fünf Stunden täglich. Noch spürt sie ein Ziehen in der Kniekehle, aber es geht aufwärts.

Das Knie wird belastbarer

„Bei einem Test neulich war das verletzte Bein nur noch zehn Prozent schlechter als das gesunde“, sagt sie. Die Belastbarkeit steigt - und das Glücksgefühl auch. Als Schönefeld kürzlich mit dem Laufen begann, „habe ich nur gelächelt“.

Wenn es so weitergeht, wird Schönefeld voraussichtlich im Januar ins Mannschaftstraining einsteigen und vielleicht im Februar wieder spielen. „Aber ich mache mir keinen Stress.“ Auch das musste sie erst lernen.

„Ich will erst mal fit werden“

Mia Lakenmacher ist erst 20 Jahre alt, hat aber leider Routine im Umgang mit schweren Verletzungen. 2019 riss das vordere Kreuzband im linken Knie, 2021 und im März 2023 das rechte. Das letzte Mal passierte es im Training.

In einer ersten Operation wurde „alles Alte und Kaputte“ entfernt und der Meniskus genäht. In einer zweiten Operation wurde das neue Kreuzband eingesetzt. Vier Monate lagen dazwischen, „eine anstrengende Zeit“ für die Lehramtsstudentin (Sport und Biologie).

Im September zog Lakenmacher nach München, um in der Praxis des renommierten Physiotherapeuten Oliver Schmidtlein die Reha zu absolvieren. Schmidtlein hat schon die Profis vom FC Bayern und der Fußball-Nationalmannschaft behandelt. Gute Kontakte braucht man offenbar, um dort behandelt zu werden.

Knie stabilisieren und Muskeln aufbauen

„Ich dachte mir, es wäre gut, nach so vielen Verletzungen mal wieder einen neuen Input zu bekommen“, sagt Lakenmacher. Ihr älterer Bruder Fynn, Fußballer beim Drittligisten 1860 München, und ihre ehemalige BSV-Kollegin Mieke Düvel haben in der Praxis in München schon gute Erfahrungen gemacht.

Mia Lakenmacher ist jeden Tag in Behandlung: Physiotherapie, Lymphdrainage, Eisbad, Wärmebehandlung. Das Knie soll stabilisiert und die Muskulatur aufgebaut werden. „Ich mache gute Fortschritte, bin im Zeitplan“, sagt sie. Zum Laufen ist es noch zu früh. Drei Monate wird Lakenmacher voraussichtlich in München bleiben.

Das Team vermisse sie, sagt sie. „Es ist komisch, die Spiele nur im Stream zu sehen.“ Aber es tue ihr auch gut, den Kopf frei zu bekommen. „Ich rede viel mit meinem Bruder und versuche, das Leben hier in München zu leben.“ Lakenmacher wohnt in einer WG.

Lakenmacher denkt an die Zukunft

Die Verantwortlichen des BSV stehen hinter ihr und ihrem Reha-Plan. Trainer Dirk Leun lobt die professionelle Einstellung der Spielmacherin.

Wie es weitergeht: „Schwierige Frage“, sagt Lakenmacher: „Ich will erst mal fit werden.“ Ans Karriereende will sie noch nicht denken. Sie betont aber auch, dass man im Frauenhandball nicht viel Geld verdienen könne und man an die eigene Gesundheit denken müsse.

Mia Lakenmacher macht die Reha in München.

Mia Lakenmacher macht die Reha in München. Foto: Jan Iso Jürgens/IsoluxX

BSV-Mannschaftsarzt Dr. Wolfram Körner kennt solche Fälle und warnt vor Langzeitfolgen: „Ich mache den Job schon lange und habe der einen oder anderen Ex-Handballerin schon eine Knieprothese eingesetzt.“

Wann Mia Lakenmacher wieder Handball spielen kann, ist noch nicht abzusehen.

„Es hat mich manchmal an meine Grenzen gebracht“

Sinah Hagen (27) geht in der vierten Minute zu Boden und wird unter Tränen vom Spielfeld geführt. BSV-Trainer Dirk Leun geht bereits nach dem Spiel gegen Meister Bietigheim von einer langwierigen Verletzung aus.

Das MRT zeigt: Hagen hat sich nicht das vordere Kreuzband im rechten Knie gerissen, sondern das hintere Kreuzband angerissen. Es ist ihre erste schwere Verletzung.

Eine Operation ist nicht nötig. Das hintere Kreuzband wird konservativ behandelt. Zum Beispiel mit speziellen Schienen: „So hat das Kreuzband die größte Chance, stabil und ohne Stress zu vernarben“, sagt Körner. Dann ging es an den Muskelaufbau.

Doch statt der geplanten drei bis vier Monate sind bereits neun Monate vergangen. „Man kann nicht vorhersagen, wie schnell der Muskelaufbau vonstatten geht“, sagt Körner. Das sei bei jedem Menschen anders.

Doppelbelastung nicht zu unterschätzen

In den Sommerferien absolvierte Referendarin Hagen (Sport und Englisch) eine „Intensiv-Reha“, bis zu sechs Stunden täglich. Doch die Belastung durch Reha und Schule war nicht zu unterschätzen. „Das hat mich manchmal an meine Grenzen gebracht“, sagt sie. Hagen lernte, Pausen zu machen.

Seit September trainiert Hagen wieder mit der Mannschaft. Ein bisschen Angst habe sie beim Wiedereinstieg gehabt, dass gleich wieder etwas passieren könnte, sagt Hagen. „Aber es hat funktioniert.“

Nach und nach wurde die Intensität gesteigert. Seit wenigen Wochen trainiert sie mit 100 Prozent Körperkontakt. Auch das Zusammenspiel mit den Sommer-Neuzugängen hat sich gut eingespielt, was für eine Spielmacherin von großem Wert ist.

Bundesliga-Einsatz kam bisher zu früh

Der BSV sehnt ihre Rückkehr bereits herbei. Denn der Club ist auf der Spielmacherposition arg gebeutelt. Erst in dieser Woche erklärte Kalia Klomp ihr Karriereende aufgrund von anhaltenden Rückenproblemen.

Hagen spürt durch die angespannte Personallage schon ein wenig Druck, helfen zu wollen. Doch sie kann ja nur zuschauen. Zuletzt hatte sich ihre Rückkehr allerdings immer wieder verzögert.

Vor zwei Wochen absolvierte Hagen den Return-to-Competition-Test. Mit Läufen, Sprüngen und speziellen Bewegungsabläufen bewerten die Experten die „Spielfähigkeit“. Gibt es grünes Licht, darf Hagen wieder aufs Feld.

Allerdings hat sie den Test nicht vollständig bestanden und muss vor dem Heimspiel am 11. November gegen Leverkusen noch einmal antreten. „Aber ich bin positiv gestimmt, dass es klappt.“

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