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Handball-Bundesliga

TWenn Dirk Leun poltert und alle mithören können

Seit der vergangenen Saison können die Fans den Trainern während der Auszeit am Bildschirm zuhören.

Seit der vergangenen Saison können die Fans den Trainern während der Auszeit am Bildschirm zuhören. Foto: Jan Iso Jürgens

Mikrofone im Spielerinnenkreis während einer Auszeit sind mittlerweile Standard. Das passt nicht jedem und sorgte bereits für Ärger. Aber was hält der BSV-Trainer davon?

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Von Tim Scholz
Donnerstag, 16.01.2025, 10:05 Uhr

Buxtehude. Es ist ein gewöhnlicher Vorgang im Handball, wenn in einer Auszeit das Mikrofon an einer Tonangel in den Mannschaftskreis gehalten wird, damit die Fans an den Bildschirmen die Ansprache des Trainers hören können.

Doch die Handballer der SG Flensburg-Handewitt hatten kürzlich etwas dagegen. Während eines Pokalspiels riss ein Spieler das Mikrofon von der Stange und warf es auf den Boden. In der nächsten Auszeit das gleiche Bild.

Die Flensburger wollten verhindern, dass der Gegner wie beim letzten Duell die Ansprache mithört und womöglich ausnutzt.

Inzwischen haben sich die Flensburger zwar öffentlich entschuldigt und versichert, das Mikrofon künftig in Ruhe zu lassen. Doch nicht jeder hatte Verständnis dafür - auch Dirk Leun nicht.

„Ich muss mich nicht verstellen“

Der Trainer des Buxtehuder SV und seine Kolleginnen und Kollegen sind seit der vergangenen Saison bei den Übertragungen der Frauen-Bundesliga zu hören. „Das gehört zum Geschäft und zum Produkt, das wir verkaufen wollen, einfach dazu“, sagt Leun.

Drei Auszeiten von je einer Minute stehen jeder Mannschaft pro Spiel zu. Wenn Leun die grüne Auszeitkarte auf den Zeitnehmertisch legt, denkt er nach eigener Aussage nicht so sehr daran, dass praktisch jeder zuhören kann. „Ich bin ja nicht der Typ, der etwas sagt, was in der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden könnte. Da muss ich mich nicht verstellen“, sagt Leun.

Am Telefon spricht der 60-jährige Trainer ausführlich über das Thema Auszeiten und schickt ein Handout aus einer Fortbildung: „Checkliste Auszeiten - Die wichtigsten Aspekte des Timeout-Coachings auf einen Blick“. Schnell wird klar: Auszeiten sind ein komplexes Thema.

Wie der BSV-Trainer Timeouts häufig einsetzt

Gründe für eine Auszeit gibt es viele. Zum Beispiel, um den Rhythmus des Gegners zu unterbrechen, wie am dritten Spieltag, als der BSV in Neckarsulm in der elften Minute mit 3:7 zurücklag: „Wir lassen uns den Ball klauen. Wir machen nicht zu. Wir hören auf, Konter zu spielen. Also konzentrierter!“

Wenn Dirk Leun poltert und alle mithören können

Oder, wenn auch für Außenstehende kryptisch, um eine taktische Anweisung zu geben, wie am zehnten Spieltag in Zwickau: „Vorne spielen wir Ungarn links, greifen die Seite hier an. Kreisläufer wegziehen, sodass wir Druck in die Lücke zwischen 4 und 5 bekommen.“

Manchmal gibt es auch genaue Handlungsanweisungen, wie zuletzt in der Schlussphase gegen Borussia Dortmund: Isa Ternede sollte nach dem anstehenden Freiwurf den Ball bekommen. Und dann: „Schlagwurf über die Rübe.“ Der Ball flog übers Tor.

„Früher war ich emotionaler und lauter“

Leun bleibt in den Auszeiten meist ruhig, auch wenn es für seine Mannschaft nicht läuft, und legt den Fokus auf die Taktik. „Früher war ich emotionaler und lauter, bin manchmal richtig heftig geworden“, sagt der BSV-Trainer.

„Heute erwarten die Spielerinnen, dass man auch in kritischen Phasen die Ruhe bewahrt.“ Gerade dann bräuchten sie jemanden, der nicht hektisch wird und sie nicht mit Informationen überfrachtet.

BVB-Trainer Henk Groener wählte deutliche Worte beim Spiel in Buxtehude.

BVB-Trainer Henk Groener wählte deutliche Worte beim Spiel in Buxtehude. Foto: Jan Iso Jürgens

„Böse“, so Leun, werde er nur, wenn sich die Mannschaft nicht an Absprachen halte und undiszipliniert spiele. Wie zum Beispiel in Neckarsulm: Dort beobachtete der Trainer, wie eine gegnerische Spielerin ein Eins-gegen-Eins locker gewann, so wie sie es immer macht. Auszeit. Leun wurde deutlich, monierte, dass man genau das im Videostudium besprochen habe und die Gegnerin trotzdem einlade, den Zweikampf zu gewinnen.

Seine Trainerkollegen dagegen klingen anders, wenn sie unzufrieden sind, wie sich zuletzt zeigte: „In der Offensive spielen wir wie Scheiße“, sagte BVB-Trainer Henk Groener beim Spiel in Buxtehude.

Leun übt Ansprachen im Training

Was bringen Auszeiten am Ende? Kürzlich hat Leun bei einer Fortbildung erfahren, dass die Auszeiten von Bundestrainer Alfred Gislason statistisch gesehen sehr erfolgreich sind, weil sich die Mannschaft danach steigert.

„Auszeiten sind ein wichtiges Instrument“, sagt Leun, „aber man sollte den Einfluss des Trainers weder über- noch unterschätzen.“ Auch er könne mal einen besseren und mal einen schlechteren Tag haben, was sich dann auf die Qualität seiner Ansprache auswirke.

Trotz seiner langjährigen Erfahrung, so Leun, reflektiere er seine Ansprachen und übe sie bei bestimmten Wettkampfformen im Training immer wieder. „Als Trainer hat man eine komplexe Leistung zu erfüllen. Aber man kann nicht alles vorbereiten“, sagt Leun.

So hilft es ihm manchmal auch, sich einfach auf sein Bauchgefühl zu verlassen und keine Wissenschaft daraus zu machen.

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