TWie fahrradfreundlich ist Stade? Das sagen die TAGEBLATT-Leser
Nicht alle Maßnahmen kommen bei den Radfahrern in Stade gut an. Dazu gehört auch der aufgeweitete Radaufstellstreifen in der Straße Am Exerzierplatz. Foto: Stehr
Dass Stade als fahrradfreundliche Stadt ausgezeichnet wurde, sorgt für reichlich Diskussionsstoff bei den TAGEBLATT-Lesern. Und die Meinungen zu dem Thema gehen stark auseinander.
Stade. Stade darf sich jetzt offiziell fahrradfreundlich nennen. Die Hansestadt wurde als eine von sechs Kommunen in Niedersachsen ausgezeichnet.
Die Auszeichnung sorgte bei so manchem TAGEBLATT-Leser für Kopfschütteln.
Christian Ückert, Mitglied des Vereins „Stade fährt Rad“, äußerte bereits deutliche Kritik an der Auszeichnung - er sieht noch viel Nachholbedarf in Sachen Fahrradverkehr. Und was sagen die TAGEBLATT-Leser?
„Nicht fahrradfreundlich“
„Fahrradfreundlich sehe ich da nicht viel“, lautet das Urteil von Uwe Pietz. Er und seine behinderte Tochter sind mit einem Paralleltandem unterwegs. Das Fahrrad ist 1,13 Meter breit. Das sorgt für Probleme: „Alle Fahrradwege in die Stadt von außerhalb sind nur 1,50 Meter breit und die meisten sind in einem schlechten Zustand“, so Pietz. Mit so einem Fahrrad in die Innenstadt zu gelangen, sei oft schwierig – „manchmal auch eine Zumutung“.
„Stade ist autofreundlich!“
„Ideen und der gute Wille mögen da sein, aber die Realität ist eine andere“, findet Doris Hoffmann. Stade sei vielmehr auto- anstatt fahrradfreundlich.
„Ist ein Teilnehmer der Jury mal mit dem Fahrrad auf den zu schmalen, von vielen Löchern durchzogenen Fahrradwegen unterwegs gewesen?“, fragt Hoffmann. Besonders die Thuner Straße sieht sie kritisch.
„Lassen Sie uns den Fahrradweg benutzen“
Elfriede Schöning und Philipp Wulff trauern den gemeinsamen Fußgänger-Fahrradwegen hinterher. Das Radeln auf der Straße verlange mehr Mut, ist Elfriede Schöning überzeugt. Slalom oder warten hinter parkenden Autos, haltenden Bussen – „etwas Nervenkitzel ist schon dabei“, so Schöning. „Entweder bremst man das hinterherfahrende Auto aus – oder dieses riskiert eine Doppelüberholung von Ruhe-Auto und Rad.“ Ihr Vorschlag: „Kratzen Sie die aufgemalten Fahrräder auf der Straße ab, und lassen Sie uns mit und ohne Rad wieder den schönen breiten Weg benutzen.“
„Erlebe täglich gefährliche Situationen“
Deutliche Zweifel an der Fahrradfreundlichkeit Stades hat Silke Möller. „Ich bewege mich seit sechs Jahren fast ausschließlich mit dem Fahrrad in Stade, immer mit der Hand an der Bremse, da ich nahezu täglich in eine gefährliche Situation komme“, berichtet sie. Der Weg in die Stadt gleiche einem täglichen Spießrutenlauf. Im Gegensatz zu Elfriede Schöning sieht sie die kombinierten Fuß- und Fahrradwege skeptisch: Beschimpfungen durch Fußgänger und entgegenkommende Rad- und Rollerfahrer ohne Licht verderben ihr den Fahrspaß. Auf der Straße ist es ihrer Ansicht nach nicht besser. Dort herrsche „Gefahr für Leib und Leben, da es immer noch Auto- und vor allem Lkw-Fahrer gibt, die offensichtlich noch nichts vom Mindestabstand gehört haben“. Es gebe tolle fahrradfreundliche Städte – Stade sei keine.
„Das ist ein Witz“
Michael Bowe zweifelt das Urteil der Jury an: „Diese Auszeichnung scheint vergeben worden zu sein, ohne dass sich die Verantwortlichen/Jury vorher selbst auf den Sattel geschwungen haben.“
„Nirgends fahrradfreundlich“
„Stade ist nirgends fahrradfreundlich“, lautet kurz und knapp die Meinung von Carsten Raap. In Stade gebe es für Fahrradfahrer schlechte Wege und kaum sichere Abstellmöglichkeiten.
Auch Leserin Gunda Willmann schreibt: „An einem fahrradfreundlichen Stade muss noch gewaltig gearbeitet werden.“
„Richtige Reihenfolge gewünscht“
Für Wolfgang Ciminski kommt die Auszeichnung zu früh. „Zuerst die Fertigstellung eines Radvorrangnetzes mit acht radialen Hauptrouten und drei Radringen - und danach die Auszeichnung für eine real erbrachte Verbesserung der Radfahrbegebenheiten in Stade.“
Eine fahrradfreundliche Kommune solle an realen Taten gemessen werden - und nicht an einer Planentwicklung, so Ciminski. Dennoch bleibt er positiv: „Jede Verbesserung ist willkommen. Danke für einen anhaltenden Fokus aller verantwortlichen Teams der Hansestadt Stade.“
„Puddingtest steht noch aus“
TAGEBLATT-Leser Bernd Breuer erkennt durchaus die Bemühungen der Stader Verkehrsplaner an. Doch für eine Auszeichnung reiche es noch nicht. „Praktizierte Fahrradfreundlichkeit zeigt sich noch nicht im wohlklingenden Plan, sondern erst beim Erfahren der Radverkehrsanlagen“, sagt Breuer.
Die radverkehrspolitischen Aufgaben überwögen aktuell die Erfolge: „Vom unzulänglichen Radwegebestand über die zahlreichen Straßen mit holperigem Kopfsteinpflaster bis hin zu dürftigen Radparkangeboten.“
„Deutliche Verbesserungen“
Nicht ganz so schwarz sieht Clemens Mohr den Fahrradverkehr in der Hansestadt. Er habe bereits deutliche Verbesserungen festgestellt: „Die neue Regelung auf der Sachsenstraße mit Tempo 30 finde ich gut.“
Er sieht jedoch noch Verbesserungsbedarf bei folgenden Punkten:
- Der „neue“ Verlauf der Harsefelder Straße mit der wandernden Baustelle sei eine Herausforderung. Schön wäre es, wenn dort auch eine Fahrradweg- und nicht nur Gehwegreinigung im Winter vor Schulbeginn im gesamten Verlauf stattfinden würde.
- Darüber hinaus wäre die Ampelschaltung so zu verlängern, dass die Sachsenstraße und die Straße am Exerzierplatz zu schaffen sind, ebenso das gleiche Problem mit Teich- und Thuner Straße.
- Schön wäre es, wenn der gesamte Radweg von der Harsefelder Straße über Dubbenweg und Mühlenteich nach Wiepenkathen nicht über Kopfsteinpflaster führen würde – vielleicht ein asphaltierter Fahrstreifen?
- Gut wäre auch, wenn der Übergang von der Hermann- und Talstraße zum Radweg an der B 73 verbessert würde.
Auch Stefanie Romund würdigt das Engagement der Stadt für Fahrradfahrer: „Erste Änderungen halte ich für positiv und gelungen.“ Als wirklich rundum fahrradfreundlich würde sie die Stadt jedoch nicht bezeichnen. Es sollte mehr passieren. „Was ist zum Beispiel mit dem Plan, den alten Burgring wieder hervorzuheben, um dann eine Fahrradstraße um die Innenstadt zu ermöglichen?“
„Konflikt zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern“
„Die Verwaltung treibt die Radfahrer und Fußgänger in gegenseitige Konflikte, während den Autos die breite Chaussee reserviert wird“, kritisiert TAGEBLATT-Leser Joachim Holstein. Zudem werde übersehen, dass die Geschwindigkeiten auf dem Rad sich stark unterscheiden können. Durch die bis zu 25 km/h schnellen Pedelecs entstehe Bedarf an Überholungen unter den Fahrradfahrern. „Aber dafür ist auf dem Radweg kein Platz, selbst wenn man ihn saniert.“
„Lieber vernünftige Radwege“
Horst Heidhoff fordert weitergehende Maßnahmen: „Reicht es, ein paar Striche mit Fahrradsymbol auf die Straße zu malen? Richtig wäre es, die Radfahrer von der Straße zu holen.“ Viele Radfahrer führen, als ob sie allein auf der Welt wären. Vernünftige Radwege, auch getrennt zu Fußgängern, könnten seiner Ansicht nach Abhilfe schaffen.
„Fußgänger zahlen den Preis“
Wenig Verständnis für die Forderungen der Fahrradfahrer zeigt Jörg Weidt. Für den Titel als fahrradfreundliche Stadt „zahlen die in Stade zu Fuß Gehenden den Preis“. Er berichtet von „Attacken auf dem Gehweg“, teils mehrfach pro Woche, bei denen versucht werde, Fußgänger beiseitezudrängen. „Die aktuelle Vorgehensweise der Stadtverwaltung, indem Erklärvideos gedreht werden, um den Fahrradfahrenden aufzuzeigen, wie es richtig wäre, spricht Bände“, so Weidt. Allerdings sei dies ein möglicher Ansatz für eine Verbesserung „der aktuell nicht zu ertragenden Situation“. Die Vereine ADFC und Stade fährt Rad sollten solche Videos jedoch selbst produzieren und im Alltag richtiges Verhalten „beispielhaft zur Schau stellen“, fordert der Fußgänger.
Verkehrssicherheit
T Straße Am Hohenwedel in Stade: Anwohner fühlen sich alleingelassen
Die Ausweisung von gemeinsamen Rad- und Gehwegen entspreche nicht in allen Fällen den Vorgaben der einschlägigen Verwaltungsvorschriften in Sachen Breite und Einsehbarkeit. „Unter dem Aspekt der stark gestiegenen Nutzung von E-Bikes wird die Sicherheit vernachlässigt.“ Auch der Verwaltungsvorstand werde in die Jahre kommen. „Und wenn sie dann mit Hilfe eines Gehstocks oder Rollators auf dem Gehweg unterwegs sind, werden sie in Stade von völlig respektlosen Radfahrenden angefahren werden.“
„Als Fußgänger fehl am Platz“
Auch Klaus-Dieter Melzen sieht den Fahrradverkehr in Stade kritisch. Verkehrszeichen würden von vielen Radfahrern ignoriert, so Melzen. Als Beispiel führt er die Baustelle an der Harburger Straße an: „Trotz Verbotsschildern wird dort fleißig geradelt – sogar auf der Behelfsbrücke.“
Bei den neuen Fahrradwegen entlang der Harsefelder Straße „hätte man sich gut und gerne eine Seite sparen können“. Seine Beobachtung: Die meisten Radfahrer, insbesondere in Richtung Bahnhof, nutzten auf dem Hin- und Rückweg ohnehin nur eine Seite.
Die neuen Führungen auf der Sachsenstraße würden von Fahrradfahrern ebenfalls nicht genutzt, weil auf dem Fußweg noch die alten Schilder „für Radfahrer frei“ angebracht seien. „Alle fahren auf dem Fußweg“, empört sich Melzen. Stade hätte sich an diesen Stellen „viel Geld sparen“ können, so der TAGEBLATT-Leser.
„Alle fahren wie die Henker“
Sascha Krag nimmt die Fahrradfahrer in Schutz: „Die meisten Fahrradwege in und um Stade herum sind schlecht und sorgen dafür, dass viele auf der Straße fahren – und das, ohne wirklich zu gucken, was um sie herum los ist.“ Ob Fahrrad- oder Rollerfahrer: „Alle fahren wie die Henker.“ Gerade am Zebrastreifen sehe man Roller oder E-Bikes oft erst im letzten Moment.
„Viel zu fahrradfreundlich“
Franziska Raap sieht die Auszeichnung skeptisch. „Stade ist schon viel zu fahrradfreundlich. Erstmal sollten die viel mehr kontrolliert werden.“ Leser Thorsten Woebs wünscht sich mehr Aufmerksamkeit auch für andere Verkehrsteilnehmer: „Fürs Rad mag ja sein, mit dem Rollator bleibe ich überall hängen, da wird die Kohle lieber im Ankerplatz versenkt.“