Zähl Pixel
„Edelmetall-Bande“

TFredenbecker Drahtzieher: Schichtmeister belastet mutmaßliche Aurubis-Diebe

Die Angeklagten und ihre Anwälte im Gerichtssaal.

Die Angeklagten und ihre Anwälte im Gerichtssaal. Foto: Christian Charisius/dpa

Im Prozess um den Millionen-Diebstahl von Silber- und Goldschlamm wird klar: Das konnte nur mit Insider-Wissen geschehen. Im Gerichtssaal macht ein Zeuge keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen einen Angeklagten.

Von Redaktion Dienstag, 09.01.2024, 19:15 Uhr

Hamburg. Die umfangreichen Rohsilber-Diebstähle beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis waren wohl nur mit Insider-Wissen von den Produktionsabläufen möglich. Der Transport der Behälter und Mulden mit den sogenannten Rohsilberfegseln und anderen Metallen sei immer wieder kontrolliert und protokolliert worden, sagte ein Schichtmeister von Aurubis am Dienstag als Zeuge im Prozess vor dem Landgericht. Die Behälter hätten in einer kameraüberwachten Halle gestanden. Bevor ein Container das Werksgelände verließ, sei er von der Werksfeuerwehr, die auch für die Sicherheit zuständig war, überprüft worden, erklärte der 59-Jährige.

Die sechs Angeklagten sollen zwischen Februar 2020 und Januar 2021 Zwischen- und Nebenprodukte vom Aurubis-Firmengelände im Stadtteil Veddel abtransportiert haben. Das gestohlene Material soll laut Anklage rund 5000 Kilo Silber und Gold im Wert von insgesamt elf Millionen Euro enthalten haben. Die Beute sollen sie an bislang unbekannte Abnehmer verkauft haben. Ein Großteil des Diebesgutes sei zur Analyse und weiteren Verwendung an metallverarbeitende Betriebe in der türkischen Metropole Istanbul versandt worden, hieß es.

Ein anderer Schichtmeister erklärte am Dienstag als Zeuge das Entstehen der Rohsilberfegsel. Beim Gießen des Materials in Formen spritze meist etwas daneben. Die erkalteten Spritzer müssten vom zuständigen Mitarbeiter mit Schaufel und Schubkarre eingesammelt werden. Außerdem breche beim Stürzen der erkalteten Silberbarren an den Kanten ein Grat ab, der ebenfalls wiederverwendet werde. Dass diese Reste tatsächlich immer erfasst und gewogen würden, konnte der 63-Jährige, der sich nach eigenen Angaben bereits in Altersteilzeit befindet, nicht sicher sagen.

Aurubis-Schichtmeister: „Hatte Nase voll von einem Kollegen“

Der Zeuge erinnerte sich an eine frühere Diebstahlserie im Jahr 2011 oder 2012. Es sei Material in einem Anprallschutz an einer Betonsäule entdeckt worden. Das geheime Depot sei unbemerkt geleert und wieder gefüllt worden. Der Werkschutz habe nach Wochen einen Mitarbeiter erwischt, der das Rohsilber in kleinen Mengen aus dem Betrieb schaffte. Nach dem Fall seien die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden.

Auf Bitten des Vorsitzenden Richters sah sich der Schichtmeister im Gerichtssaal um und erkannte einen der Angeklagten als ehemaligen Mitarbeiter seiner Schicht. Der Zeuge machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen den Mann. „Ich hatte die Nase voll von einem Kollegen, der so oft fehlte“, sagte der ehemalige Vorgesetzte. Aurubis habe versucht, diesen Mitarbeiter mit einer Abfindung loszuwerden, womit der aber nicht einverstanden gewesen sei.

Mutmaßlicher Drahtzieher aus Fredenbeck soll an allen Taten beteiligt gewesen sein

Die Anklage wirft vier Männern im Alter von 34 bis 49 Jahren schweren Bandendiebstahl oder gewerbsmäßige Hehlerei vor, zwei weiteren Beschuldigten im Alter von 33 und 50 Jahren Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl. Die Angeklagten sollen zum Teil bei Aurubis oder Fremdfirmen, die auf dem Werksgelände tätig waren, gearbeitet haben.

Bekannt geworden war der Fall Mitte Juni 2023. Damals ließ die Staatsanwaltschaft mehr als 30 Objekte in fünf Bundesländern durchsuchen, mit dabei waren Häuser und Wohnungen in Fredenbeck, Jork, Drochtersen, Harsefeld, Neu Wulmstorf und Munster sowie in Schneverdingen. Von den sechs Angeklagten ist der mutmaßliche Drahtzieher Mahmut C. aus Fredenbeck der Einzige, der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft an allen diesen Taten beteiligt war. Die Ermittlungen richteten sich auch gegen weitere noch nicht bekannte Verdächtige.

Spezialeinsatzkräfte im Juni 2023 bei der Razzia im Kutenholzer Weg.

Spezialeinsatzkräfte im Juni 2023 bei der Razzia im Kutenholzer Weg. Foto: Vasel/Archiv

Waffenfunde in Villa in Fredenbeck

In der Wohnung des Hauptangeklagten in Fredenbeck hatten Polizeibeamte eine Pistole und Munition gefunden, für die der 37-Jährige laut Staatsanwaltschaft keine Genehmigung hatte. Darum wurde er auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt.

Der 37-Jährige sowie zwei Beschuldigte im Alter von 34 und 42 Jahren sitzen in Untersuchungshaft, die übrigen drei sind wieder auf freiem Fuß. Die Angeklagten äußerten sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Bei einem Verständigungsgespräch vor dem Prozess hatte das Gericht einen Strafrahmen von einer noch bewährungsfähigen Haftstrafe von unter zwei Jahren bis knapp sechs Jahren Haft angeboten. Dafür müssten die Angeklagten glaubwürdige Geständnisse ablegen, erklärte der Vorsitzende der Großen Strafkammer, Nils Godendorff. Die Staatsanwaltschaft nannte nach seinen Angaben Mindeststrafen zwischen knapp zwei und sieben Jahren. (dpa/tip)

Weitere Artikel