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Anwohner entdecken Schlange in Stade

Immer wieder landen Reptilien im Tierheim, weil die Besitzer mit der Haltung überfordert sind. Tierschützer appellieren deshalb an private Tierhalter, keine Schlangen zu halten (Symbolbild).

Immer wieder landen Reptilien im Tierheim, weil die Besitzer mit der Haltung überfordert sind. Tierschützer appellieren deshalb an private Tierhalter, keine Schlangen zu halten (Symbolbild). Foto: Marcus Brandt/dpa

Feuerwehr und Polizei mussten in Stade am Mittwochabend zu einem ungewöhnlichen Einsatz ausrücken: Anwohner hatten eine Schlange gesichtet. Um welches Exemplar es sich handelt und ob es giftig ist.

Von Redaktion Donnerstag, 28.03.2024, 15:20 Uhr

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Stade. „In der Teichstraße haben Anwohner eine Schlange entdeckt und diesen Fund der Feuerwehr gemeldet“, teilt die Feuerwehr Stade auf Instagram mit. Den Feuerwehrleuten ist es gelungen, das Tier zu bestimmen: Es handelt sich um eine Kornnatter. Bei der Artenbestimmung wurden die Ehrenamtlichen von der Feuerwehr Hamburg unterstützt.

Die Feuerwehrleute haben sich gemeinsam mit der Stader Polizei um eine artgerechte Unterbringung der Schlange gekümmert.

Kornnattern sind vor allem in den südostlichen USA heimisch. In Deutschland sind die Schlangen, die bis zu 1,80 Meter lang werden können, ein beliebtes Haustier.

Sind Kornnattern gefährlich?

Die Kornnattern (Pantherophis guttatus) sind nicht giftig, können aber mit ihren spitzen Zähnen beißen. Die Landjäger töten ihre Beute durch Umklammern und verschlingen sie nach einer Ruhepause.

Die Auffangstation für Reptilien München warnt: Schlangen „verschwinden“ von den Reptilien am häufigsten aus Terrarien. Ihnen reichten die kleinsten Öffnungen, Ritzen oder Ansatzpunkte, um die Scheiben aufzuschieben, einen Deckel anzuheben, eine Öffnung zu vergrößern, oder sich hindurchzuzwängen. Tierhalter sollten deshalb die Türen der Terrarien beziehungsweise die Schiebescheiben mit einem Draht, einem Schloss oder einer Kindersicherung zusätzlich sichern und gegebenenfalls Spalten zwischen den Scheiben abdichten.

Anderthalb Meter lange Schlange in Buxtehude ausgebüxt

Im vergangenen Juli machte eine ausgebüxte Königsnatter in Buxtehude von sich reden. Der Tierhalter startete einen Suchaufruf in einer Buxtehuder Chatgruppe auf Facebook. Die Königsnatter sei „ungefährlich für Menschen und an die Hand gewöhnt“.

Manuel Martens, Leiter der Tierpflege im Wildpark Schwarze Berge (Landkreis Harburg) vermutete, dass sich das Tier ins Moor zurückgezogen haben könnte. Er räumte der Königsnatter gute Überlebenschancen ein. Es reiche dem Tier, alle zwei Wochen eine Maus zu fressen. Die Temperaturen würden dem Tier nicht zu schaffen machen. Ob die Schlange den Weg zurück zu ihrem Besitzer gefunden hat, ist unbekannt.

Reptilien als Haustiere - Faszination mit Folgen

Etwa 1,3 Millionen Terrarien gab es nach Angaben des Industrieverbands Heimtierbedarf 2022 in Deutschland.

Schätzungen dazu, wie viele Reptilien und Amphibien aktuell als Haustiere gehalten werden, sind kaum möglich. Er gehe von mehreren Millionen aus, sagt Axel Kwet von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT). „Ähnlich wie in einem Aquarium in der Regel nicht nur ein Fisch zu finden ist, leben in Terrarien als Abbild natürlicher Biotope meist mehrere Insassen, die durch leichte Züchtbarkeit dann oft auch zu Hunderten in einem Haushalt zu finden sind.“

Der Großteil stamme inzwischen aus Nachzuchten, sagt Martin Singheiser vom Bundesverband für fachgerechten Natur-, Tier- und Artenschutz. „Bei vielen Arten kann man auf Wildfänge komplett verzichten.“ Noch immer aber sei das nicht die Regel, sagt Katharina Lameter von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Für die Verbraucher sei die Herkunft der Tiere oft nicht nachvollziehbar, weil die Händler dazu mitunter keine Angaben machten oder diese umdeklariert werde.

Qualzuchten auch bei Schlangen

Ein enormes Problem für den Artenschutz sei auch, dass gerade seltene oder neu entdeckte Arten beliebt seien, sagt Lameter. Besonders gefragt seien auch spezielle Züchtungen, für die viel mehr Geld verlangt werden könne. „Genau wie bei Hunden gibt es Modetrends. Das Tier soll eine besondere Optik haben“, sagt sie. Das könne aber zu Qualzuchten führen, wenn man Reptilien zum Beispiel die Schuppen wegzüchte oder die Farben und Muster der Tiere verändere, wodurch neurologische Probleme entstehen könnten.

„Dieser Trend mit den Farbmorphen ist aus Asien und den USA herübergeschwappt und ist mit viel Geld verbunden“, erzählt Markus Baur von der Auffangstation für Reptilien in München. „Es gibt Halter, die Tiere wie Briefmarken sammeln und davon träumen, eine bestimmte Farbe zu züchten.“ Ein Tier mit einer anderen Scheckung oder einem besonderen Farbton könne mehrere Zehntausend Euro wert sein. Doch sobald anderen das auch gelinge, sei der Preisverfall exorbitant.

Die vergangenen Trends bekommt er auch in der Auffangstation zu spüren. „Wir haben immer das bekommen, was nicht mehr angesagt ist.“ Doch die meiste Arbeit habe der Verein mit Arten wie bestimmten Schildkröten, Kornnatter, Königspython, Boa constrictor, Leopardgecko und Bartagame - also solchen, die es massenhaft im Handel gibt, zum Teil sogar in Baumärkten oder Gartencentern.

Besitzer oft mit Tierhaltung von Reptilien überfordert - Entsorgung wie Abfall

Solche Angebote sieht der Tiermediziner Michael Pees eher kritisch. Er ist Direktor der Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Bei der Arbeit treffe er neben gut informierten Tierhaltern immer wieder auf solche, die die Bedürfnisse der Reptilien nicht kennen - darunter gar einige, die noch nicht einmal wissen, was für ein Tier sie genau halten.

„Ein Reptil sollte man nicht wie eine Blume kaufen können“, findet er. Das befördere Spontankäufe und suggeriere, dass die Haltung einfach sei. Hinzu kommt, dass manche Tiere mit der Zeit immens wachsen - und damit die Probleme. Eine Python-Schlange könne zum Beispiel über vier Meter lang werden, erläutert Pees.

Dann kommt es vor, dass Auffangstationen wie die in München die exotischen Tiere überforderter Besitzer übernehmen müssen. Manchmal werden diese auch einfach ausgesetzt. Die Tierklinik von Pees bekommt häufiger Anrufe von der Müllabfuhr, weil Mitarbeitende Kartons mit Reptilien neben den Tonnen entdecken, wie er erzählt. Auch in der öffentlichen Toilette der Klinik seien schon Schildkröten abgestellt worden. Und regelmäßig berichten Medien darüber, dass die Feuerwehr irgendwo eine exotische Schlange einfangen musste.

Task-Force gegen illegalen Reptilienhandel

Ein großes Problem sieht das Bundesamt für Naturschutz im Internet. Dort verlagert sich der Handel zunehmend in soziale Netzwerke. In geschlossenen Gruppen oder über private Chats von Messenger-Diensten könnten geschützte Tiere angeboten werden, ohne dass die Behörden dies kontrollieren könnten, teilt das Bundesamt in Bonn mit.

Deshalb ist eine Taskforce geplant, die den illegalen Online-Handel mit geschützten Arten bekämpfen soll. (set/ts/dpa)

Quellen: Auffangstation für Reptilien München, Deutscher Tierschutzbund

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