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Küstenschutz

TDeicherhöhung im Alten Land: Und wieder ein Jahr verloren

Die Bagger öffnen den Elbdeich in Hinterbrack für den Bau des Siels, erst 2026 wird der Abschnitt auf einer Länge von 2000 Metern erhöht.

Die Bagger öffnen den Elbdeich in Hinterbrack für den Bau des Siels, erst 2026 wird der Abschnitt auf einer Länge von 2000 Metern erhöht. Foto: Vasel

Im Grunde sind sich alle einig: Die Elbdeiche müssen so schnell wie möglich erhöht werden. Doch die Diskussionen um den Öko-Ausgleich bremsen. Nun gibt es einen neuen Vorschlag.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 08.05.2025, 05:50 Uhr

Altes Land. Im Alten Land laufen die Vorbereitungen für die klimawandelbedingte Deicherhöhung. Aktuell arbeiten der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und der Deichverband der II. Meile Alten Landes den Kompromiss beim Öko-Ausgleich in Hinterbrack in die Unterlagen ein.

Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird im Laufe dieses Jahres gerechnet. Damit wird die eigentliche Deicherhöhung „erst 2026“ beginnen können, so Peter Schley vom der NLWKN-Betriebsstelle Stade bei der Küstenschutzkonferenz am Dienstagabend im Kreishaus. Seit 2018 ist die Erhöhung zwischen Hahnöfersand-Ost und Landesgrenze (Cranz) im Gespräch. Damit ist klar: Die Altländer verlieren ein weiteres Jahr.

Blick in Richtung Hamburg: Das Foto zeigt die Lücke im Deich in Hinterbrack. Rechts ist die K39 zu sehen.

Blick in Richtung Hamburg: Das Foto zeigt die Lücke im Deich in Hinterbrack. Rechts ist die K39 zu sehen. Foto: Vasel

Die Arbeiten für die voraussichtlich acht Millionen Euro teure Deicherhöhung sollen über den Jahreswechsel 2025/2026 ausgeschrieben werden. Immerhin: Die vorbereitende Maßnahme geht weiter, aktuell reißen Bagger in Jork-Hinterbrack an der K39 eine Lücke für den Bau des 2,5 Millionen Euro teuren Siels in den Elbdeich.

Wasserverbandstag fordert Privilegierung des Deichbaus

Für Godehard Hennies, Geschäftsführer des Wasserverbandstages, ist das ein unhaltbarer Zustand. Er kritisierte die Verzögerungen durch den Streit um den Öko-Ausgleich. Wie berichtet, waren auf dem Deich in Hinterbrack mesophile Gräser entdeckt worden. Das Land forderte den Ankauf von 15 Hektar Ausgleichsfläche für zwei Kilometer Deich.

Hochgerechnet auf den Kreis Stade hätten nach dem Willen des Niedersächsischen Umweltministeriums fast 580 Hektar für 76 Kilometer Elbdeich bereitgestellt werden müssen. Die Deichverbände sperrten sich, der Ausgleich sei unnötig. Nach der Erhöhung wachse wieder Gras auf dem Deich.

Kompromiss stellt nicht zufrieden

Die Altländer um Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts schalteten Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) ein. Der Kompromiss: Biotop-Gräser sollen in Hinterbrack auf der wasserabgewandten Seite des Deiches sprießen, Niedersachsen akzeptiert die Ansaat artenreicher Gräser als Öko-Ausgleich. Doch das schmeckt Nabu & Co. nicht.

Wir müssen beim Deichbau schneller und pragmatischer werden.

Umweltminister Christian Meyer (Grüne)

Der Kompromiss stellt auch Hennies nicht zufrieden. Er will Rechtssicherheit, der Deichbau müsse beschleunigt werden. Deshalb unterbreitete der Wasserverbandstag dem Minister ein Vorschlag für mehr Tempo: Vollständige Privilegierung des Deichbaus - wie in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Im Gegenzug verpflichten sich die Verbände, freiwillig artenreiche, deichtaugliche Grassaaten zu verwenden. Damit entfielen zeitaufwendige Bewertungen von Fauna und Flora. Hennies: „Wir sollten Klima- und Biodiversitätskrise nicht gegeneinander ausspielen.“ Deichbau sei Menschen- und Naturschutz.

Der Stader Landrat Kai Seefried (CDU) unterstützte Hennies Position. Er und Hennies setzen auch auf Rückenwind aus Berlin. Im druckfrischen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD stehe der Satz: „Wir beschleunigen Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen.“

Umweltminister wirbt für Niedersächsischen Weg beim Deichbau

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) legte sich bei der Privilegierung nicht fest. Er will sich für einen Niedersächsischen Weg beim Deichbau stark machen. 2020 hatten die Landwirtschaft, die Naturschutzverbände Nabu und BUND und die Politik einen Gesellschaftsvertrag zu Natur-, Arten- und Gewässerschutz geschlossen.

Der Minister strebt an, dass sich das Land mit Deich- und Naturschutzverbänden nach diesem Vorbild einigt. Aktuell laufen Gespräche. Meyer: „Wir müssen beim Deichbau schneller und pragmatischer werden. Wir haben eine Klimakrise.“

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) bei der Küstenschutzkonferenz 2025.

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) bei der Küstenschutzkonferenz 2025. Foto: Vasel

Die Zeit läuft

Er sei froh, dass es eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für Binnenhochwasser geben soll, so Meyer. Er habe die Region im Blick. Allein 23,7 von 81 Millionen Euro an Küstenschutzmitteln fließen 2025 an die Elbe.

Die Zeit laufe, Hauptdeiche und Sperrwerke müssen landesweit ertüchtigt werden. Die 617 Kilometer lange Hauptdeichlinie schützt rund 1,1 Millionen Menschen und Werte in Höhe von 150 Milliarden Euro in Niedersachsen, so Rainer Carstens von der NLWKN-Direktion.

Die Erhöhung werde Milliarden kosten, allein im Kreis Stade ist von 575 Millionen Euro die Rede. Hier müssen die Deiche klimawandelbedingt auf 76 Kilometern um bis zu zwei Meter erhöht, acht 1967 bis 1978 errichtete Sturmflutwehre ertüchtigt oder neu errichtet werden. Meyer will 2050 fertig sein. Ein Mega-Sperrwerk an der Elbmündung sieht er nicht als Alternative.

Angeregte Diskussion bei der Küstenschutzkonferenz 2025.

Angeregte Diskussion bei der Küstenschutzkonferenz 2025. Foto: Vasel

Appell von Ulfert

Ulferts lobt die Zusammenarbeit mit dem NLWKN in Stade. Sein Appell: Bei den Sperrwerken sollten Spitzenschöpfwerke integriert werden. Die sollen die Wassermassen bei Starkregen aus der Marsch in die Elbe pumpen, wenn die Stemmtore bei einer Sturmflut über drei Tiden nicht mehr geöffnet werden können.

Bürgermeister Matthias Riel im Gespräch mit Umweltminister Christian Meyer. Die Altländer wollen den Stauraum in die Borsteler Binnenelbe durch Ausbaggern erhöhen und den Klei für den Deichbau nutzen (von links).

Bürgermeister Matthias Riel im Gespräch mit Umweltminister Christian Meyer. Die Altländer wollen den Stauraum in die Borsteler Binnenelbe durch Ausbaggern erhöhen und den Klei für den Deichbau nutzen (von links). Foto: Vasel

Bei diesen bestehe laut Schley „kein dringender, aber ein mittelfristiger Handlungsbedarf“. Um alle innerhalb von 35 Jahren zu schaffen, müsse die Planung vorangetrieben werden. Die Prioritätsliste bei den Sperrwerken steht fest: Ruthenstrom, Lühe, Freiburg, Abbenfleth, Schwinge, Oste und Wischhafen. Planungsleistungen sollen 2025 ausgeschrieben werden.

Bürgermeister Matthias Riel nutzte die Chance. Der Minister sagte zu, die Gewinnung von Klei für den Deichbau durch Ausbaggern der Borsteler Binnenelbe zu prüfen.

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