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T„Demos haben fast nichts gebracht“ – Was die Obstbauern in Jork fordern

Der Vorsitzende der Fachgruppe Obstbau, Claus Schliecker, ist enttäuscht von der Agrarpolitik in Berlin und Hannover.

Der Vorsitzende der Fachgruppe Obstbau, Claus Schliecker, ist enttäuscht von der Agrarpolitik in Berlin und Hannover. Foto: Vasel

Die Obstbauern sind enttäuscht von der Agrarpolitik in Berlin und Hannover. Das sind ihre konkreten Kritikpunkte und ihre Forderungen.

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Von Björn Vasel
Freitag, 13.12.2024, 17:05 Uhr

Jork. Bei einer Versammlung im Fährhaus Kirschenland beklagte der Berufsstand, dass die mehr als 7000 deutschen Obstbauern im Kanzleramt auf Granit beißen. Der Vorsitzende der Bundesfachgruppe Obstbau, Jens Stechmann aus Jork-Lühe, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereits am 27. Mai einen Brandbrief zum Thema Mindestlohn geschrieben. „Er hat uns bislang nicht geantwortet“, sagte Stechmann. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hingegen werde Anfang Februar im Obstbauzentrum Esteburg in Moorende das Gespräch suchen.

Obstbauern klagen über steigende Kosten und Bürokratie

Scholz hatte - wie Weil - in diesem Jahr wiederholt angekündigt, sich für eine Erhöhung auf 15 Euro starkzumachen. Doch diese erneute Erhöhung würde „den Obstbau gefährden“, war sich der Landesvorsitzende Claus Schliecker aus Guderhandviertel mit Stechmann einig und verwies auf steigende Produktionskosten der Betriebe und Wettbewerbsverzerrungen in der Europäischen Union. Die Arbeitskosten seien seit dem Jahr 2015 um 66 Prozent gestiegen. Kosten für Pflanzenschutzmittel und Energie hätten sich um bis zu 45 Prozent verteuert.

Dabei könnte die Lage gut sein. Die Erzeugerpreise liegen beim Apfel bei 68 Cent pro Kilogramm, 61 Cent benötigen Betriebe zur Deckung der Produktionskosten. Die Betriebe können aktuell wieder in Bäume, Lager und Maschinen investieren. Schliecker sprach im Kirschenland „von guten, auskömmlichen Preisen“. Doch das liege weniger an der Wertschätzung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) für die Äpfel aus der Region als am Unglück vieler Kollegen.

In Österreich, aber auch in den Bundesländern im Osten, hätten viele Betriebe bis zu 100 Prozent ihrer Ernte durch Frost im Frühjahr verloren. Die Apfelernte fiel EU-weit niedriger aus, das hält die Preise hoch.

Obstbauern entwickeln eigene Sorten für den Einzelhandel

„Warum muss es erst unseren Kollegen schlechtgehen, damit es uns gutgeht?“, fragte Schliecker rhetorisch. Er mahnte mit Blick auf Corona-Zeit und Ukraine-Krieg an, den Obstbau in Deutschland zu halten. Schließlich liege der Selbstversorgungsgrad beim Obst lediglich bei 20 Prozent, beim Apfel immerhin noch bei 65 Prozent. Insbesondere beim lohnintensiven Beerenobst gehe die Anbaufläche weiter zurück, etwa bei den Erd- und den Himbeeren.

Schliecker setzt auf Gespräche mit Politik und Handel. Die Krux: Edeka/Netto, Rewe/Penny, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland dominieren mit einem Marktanteil von 80 Prozent die Branche. Hoffnung machen Kooperationsprojekte auf Augenhöhe. Die Erzeugerorganisationen, aber auch die Züchtungsinitiative Niederelbe haben exklusive Apfelsorten in den Regalen platziert - wie Aldiamo bei Aldi oder Magic Star bei Edeka. Die Branchengespräche sollen weitergehen. Fruchthandel und Erzeuger müssten gemeinsam auftreten, so Schliecker.

Bauernproteste blieben ohne Wirkung

Wichtig sei aber, dass die Politik in Hannover und Berlin jetzt wichtige Entscheidungen treffe. Die Bauernproteste hätten für den Obstbau fast nichts gebracht.

Die Bauernproteste haben für den Obstbau nichts gebracht.

Die Bauernproteste haben für den Obstbau nichts gebracht. Foto: Vasel

Doch die Geschlossenheit habe ihm Mut gemacht. „Wir lassen nicht locker“, so Schliecker. Mindestlohn, Verbesserung der Pflanzenschutzmittelzulassung und Zuschüsse zur Mehrgefahrenversicherung für alle sind seine Hauptthemen. Bei vielen Schädlingen fehlten Mittel, von der Kirschessigfliege bis zur Blutlaus. Schäden in Millionenhöhe drohten.

Bundesfachgruppe präsentiert Forderungskatalog zur Wahl

Stechmann und der Geschäftsführer des Bundesfachgruppe, Joerg Hilbers, präsentierten in Jork erstmals den Obstbau-Forderungskatalog zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Es dürfe keine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro geben. Außerdem fordern die Verbände eine Drittstaatenregelung für Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland, um weitere Lohnkosten-Steigerungen zu vermeiden. Betriebe müssten von Steuern und Bürokratie entlastet werden, um die Nachteile steigender Lohnkosten im Wettbewerb mit Anbauregionen in Europa ausgleichen zu können. Erforderlich seien Erhalt der Agrardieselbeihilfe, Investitionsförderungen und steuerfreie Risikoausgleichsrücklage.

Volles Haus bei der Versammlung der Obstbauern im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch.

Volles Haus bei der Versammlung der Obstbauern im Fährhaus Kirschenland in Jork-Wisch. Foto: Vasel

Der Ansatz: In guten Jahren könnten Betriebe einen Teil der Gewinne parken, um in schlechten die Ernteausfälle infolge klimawandelbedingter Extremwetterereignisse wie Hagel, Dürre und Starkregen oder Alternanz kompensieren zu können.

Weitere Forderung seien bundeseinheitliche Förderungen von Versicherungsprämien zum Schutz vor Wetterrisiken. Kritisiert wurde erneut, dass Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) fast 500 Obstbau-Betriebe in Niedersachsen von einem Förderprogramm ausgeschlossen hat, während Kollegen in Bayern oder Südtirol bis zu 65 Prozent der Kosten der Hagelversicherung vom Staat erstattet bekommen.

Jens Stechmann (von links), Joerg Hilbers und Claus Schliecker ziehen an einem Strang. Sie warben offen für die Wahl von CDU/CSU, und warnten vor Ampel-Parteien, AfD und BSW.

Jens Stechmann (von links), Joerg Hilbers und Claus Schliecker ziehen an einem Strang. Sie warben offen für die Wahl von CDU/CSU, und warnten vor Ampel-Parteien, AfD und BSW. Foto: Vasel

Immerhin: Auf Drängen des Obstbaus soll jetzt ein Teil der bundesweit 46,5 Millionen Euro aus der EU-Agrarreserve an frostgeschädigte Beerenobstbauern hierzulande fließen.

Ökologie und Ökonomie seien keine Gegensätze, so Schliecker. Sein Appell: Es muss Schluss sein „mit der ideologisch getränkten, extrem bürokratischen Agrarpolitik in Deutschland“.

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